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# taz.de -- Mafia in Bosnien und Herzegowina: Politische Klasse eiskalt erwischt
> Fahrudin Radoncic, einer der mächtigsten Männer des Landes, wird
> verhaftet. Er soll eine Zeugin unter Druck gesetzt und die Justiz
> behindert haben.
Bild: Festgenommen: Der Medienmogul Fahrudin Radoncic
Sarajevo taz | „Heute bin ich aufgewacht und habe das erste Mal das Gefühl,
in einem normalen Staat zu leben,“ erklärte am Montag eine Anruferin im
lokalen Radio Sarajevo. Die Nachricht, die sie elektrisierte, war die
Verhaftung des Medienmoguls und Politikers Fahrudin Radoncic, eines der
mächtigsten Männer in der bosniakischen Volksgruppe in Bosnien und
Herzegowina.
Dem schillernden Multimillionär Radoncic, Besitzer der größten Tageszeitung
Dnevni Avaz (Tageszeitung) und Chef der „Partei für eine bessere Zukunft“
(SBB), die bei den letzten Wahlen auf über zehn Prozent der Stimmen kam und
Teil der Regierungskoalition ist, wird von der Staatsanwaltschaft
vorgeworfen, die Justiz bei ihrer Arbeit behindert zu haben.
Das klingt zunächst nicht gerade aufregend. Die Geschichte, die sich hinter
der Anschuldigung verbirgt, gewährt jedoch einen tiefen Einblick in die
mafiösen Verstrickungen der herrschenden Politikerkaste in Sarajevo. Denn
Radoncic soll versucht haben, eine Zeugin im Falle des kosovalbanischen
Drogenhändlers und Mafioso Naser Kelmendi unter Druck zu setzen.
Kelmendi, der jahrlang in Bosnien gelebt hat und das Hotel „Hollywood“ im
Vorort Ilidza betreibt, steht in Kosovo vor Gericht. Während der
Verhandlung tauchten auch Hinweise auf, dass Kelmendi den Mord an Razim
Delalic (Celo), einem kriminellen Milizenchef während des Krieges 1992 bis
1995 in Sarajevo, im Juni 2007 in Auftrag gegeben hat.
## Zeugin unter Druck gesetzt
Die ehemalige Geliebte Delalics, Azra Saric, vermutet, dass Radoncic im
Hintergrund an dem Mord an Delalic beteiligt war. Um ihre Aussage zu
verhindern, versuchte Radoncic nach Auffassung der Staatsanwaltschaft über
seinen Parteifreund Bakir Dautbasic Anfang Januar die Zeugin unter Druck zu
setzen. Sie sollte vor Gericht einen Text verlesen, den Radoncic gebilligt
hatte. Doch die Zeugin wandte sich postwendend an die Staatspolizei SIPA,
was die Verhaftung von Dautbasic vor wenigen Tagen und Radoncic selbst am
Montag nach sich zog.
Dieser Vorgang ist um so erstaunlicher, weil Radoncic bis zu den letzten
Wahlen im Herbst 2014 noch Innenminister und damit Vorgesetzter der
Polizeibehörde war. Mehr noch: Radoncic hat es verstanden, nach den Wahlen
mit seiner Partei Koalitionen auf allen Staatsebenen zu schmieden und damit
sowohl in der bosniaksich-kroatischen Föderation als auch im Gesamtstaat
präsent zu sein.
Freund Dautbasic sollte Minister werden. In der kommenden Woche wollte die
neue Regierung einen Antrag für die Aufnahme von Bosnien und Herzegowina in
die EU stellen. Die Verhaftung Radoncics führt aber in eine
Regierungskrise.
Mit diesem Argument versuchen nun neben der Radoncic-Partei auch die
Koalitionspartner, die muslimisch nationalistische SDA und die
kroatisch-nationalistische HDZ, die Staatsanwaltschaft unter Druck zu
setzen.
Demgegenüber rufen die oppositionellen Sozialdemokraten und die
Zivilgesellschaft die Staatsanwaltschaft dazu auf, sich nicht beeinflussen
zu lassen und ihren Job zu machen. Täte sie dies, könnten dem Fall Radoncic
zur Freude der Anruferin beim Radio Sarajevo bald weitere folgen. Denn
mafiöse Zusammenhänge, wie die jetzt aufgedeckten, gibt es in mehreren
Parteien des Landes.
26 Jan 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Mafia
Bosnien und Herzegowina
Sarajevo
Bosnien-Herzegowina
Schwerpunkt Korruption
Bosnien und Herzegowina
Schwerpunkt Syrien
Kroatien
Papst Franziskus
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