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# taz.de -- Bosniens Sicherheitsminister gibt auf: Ein Hardliner mit vielen Geg…
> Der bosnische Politiker und Medienmogul Fahrudin Radončić machte sich
> viele zum Feind. Jetzt trat er von seinem Ministerposten zurück.
Bild: Fahrudin Radončić: Der Rücktritt ist vermutlich noch nicht das politis…
Split taz | Ganz überraschend kommt der Rücktritt des
bosnisch-herzegowinischen Sicherheitsministers und Medienmoguls Fahrudin
Radončić nicht. Schon seit Monaten schwelt der Streit über die Behandlung
von Migranten im Land. Der zweite Konfliktpunkt hängt mit dem Coronavirus
und der damit verbundenen Korruption zusammen.
Gegenüber den Migranten vertrat er in den letzten Monaten eine harte
Position. In Bosnien in der nordwestlichen Region Bihać stauen sich um die
8.000 Migranten. Die unhaltbaren Zustände in den Flüchtlingslagern und das
Coronavirus ließ die anfänglich hilfsbereite Stimmung vor allem der
bosniakischen ( muslimischen) Bevölkerung in der Region kippen.
Im Stile eines Populisten forderte Radončić, der gleichzeitig der Besitzer
der größten Tageszeitung Bosniens, Dnevni Avaz (Tägliche Stimme), ist, eine
harte Gangart gegenüber den Migranten. Als Sicherheitsminister wies er die
Polizei an, die Migranten am Grenzübertritt nach Kroatien zu hindern und
gegen alle vorzugehen, die sich unbefugt aus den Lagern entfernten.
Da es sich bei den meisten Migranten um junge Männer aus Pakistan handelt,
forderte er von der pakistanischen Regierung, die Migranten über eine
Luftbrücke nach Pakistan zurückzuführen. Er riskierte damit einen
dipomatischen Eklat mit der pakistanischen Botschaft.
Das kam in Sarajevo nicht so gut an. Der aus dem montenegrinischen Sandžak
stammende Radončić zeigte in den Augen der Sarajevoer aber schon seit den
90er Jahren, dass er ein echter Sandžak-Muslim ist. Anders als die
„weichen“ Muslime Sarajevos stehen die im Ruf, als Machos „knallhart“ zu
sein. Der 1957 geborene Radončić legte sich in den achtziger Jahren als
Journalist in Montenegro mit den serbischen Nationalisten an. Er schrieb
ein vielbeachtetes Buch über die fast dreißigjährige Gefangenschaft des
kosovoalbanischen Politikers Adem Demaçi, was ihm Beifall in der
demokratischen Szene und die Feindschaft der serbischen Nationalisten
eintrug.
## Aufstieg zum Medienmogul
Zu Beginn des Kriegs und der Belagerung Sarajevos durch serbische Truppen
im Jahr 1992 wurde er als Beigeordneter des Generalstabs Sprecher der
bosnischen Armee und betreute auch ausländische Journalisten. Seine
präzisen Informationen und kollegialen Umgangsformen brachten ihm nicht nur
bei dem taz Korrespondenten Kredit ein. 1993 gründete er die Wochenzeitung
Bosniacki Avaz (Bosniakische Stimme) und nach dem Krieg 1995 die
Tageszeitung Dnevni Avaz. Sie wurde schnell die größte Zeitung des Landes.
Woher er das Geld für die Investition hatte, ist noch immer unklar. Danach
stieg er in das Immobiliengeschäft ein. Danach baute Radončić Hotels und
den Avaz Twist Tower, der als das höchste Gebäude des Balkans gilt. Der
rastlose Medien- und Immobilienmogul gründete 2009 die 10 Prozent der
bosniakischen Stimmen repräsentierende Mitte-rechts-Partei Union für eine
bessere Zukunft (SBB). Zweimal schon bekleidete er hohe Staatsämter.
Als Anfang März die Coronakrise ausbrach, [1][managte er als Minister für
Sicherheit im Gesamtstaat die Gegenmaßnahmen.] Er setzte Ausgangssperren
durch, ließ ganze Städte und Regionen abriegeln und war erfolgreich.
Bosnien hat mit Kroatien mit je um die 2.500 Infizierten eine der
niedrigsten Coronaraten Europas.
Doch als erste Korruptionsfälle im Krisenstab auftauchten, verließ er das
Gremium. Inzwischen steht der Premierminister des einen Teilstaats, der
kroatisch-bosniakischen Föderation, im Verdacht, in einem
Korruptionsskandal mit Schutzmasken und Krankenhausausrüstungen verwickelt
zu sein, in der serbischen Teilrepublik wurde ein „rollendes Krankenhaus“
bezahlt und nie geliefert.
[2][Radončić legte sich also mit vielen an.] In der Pakistan-Frage machte
er sich Feinde in der stärksten Bosniakenpartei, der Partei der
demokratischen Aktion (SDA), der an guten Beziehungen zu den muslismischen
Staaten des Mittleren und Fernen Ostens gelegen ist. Mit Šefik Džaferović
stellt die SDA das bosniakische Mitglied des Staatspräsidiums, mit Bisera
Turković die Außenministerin des Gesamtstaats. Und beide stellten sich klar
gegen Radončić. Der ist jetzt zurückgetreten, wird aber von der politischen
Bühne wohl nicht verschwinden.
2 Jun 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
Immobilien
Flüchtlingslager
Bosnien und Herzegowina
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Srebrenica
Wasserkraft
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Schwerpunkt Coronavirus
Mafia
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