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# taz.de -- Vorgezogene Neuwahlen in Kroatien: Premier muss bangen
> Gegenwind für Regierungschef Plenković und seine rechtskonservative HDZ
> kommt von mehreren Seiten. Dabei sah erst alles nach einem Durchmarsch
> aus
Bild: Für Ministerpräsidenten Andrej Plenković (links) wird es doch noch eng
Sarajevo taz | Die Parlamentswahlen am 5. Juli in Kroatien sind für den
seit 2016 regierenden Ministerpräsidenten Andrej Plenković plötzlich zum
Risiko geworden. Als das Parlament, der Sabor, am 18. Mai vorgezogene
Neuwahlen beschloss, sah alles nach einem Durchmarsch Plenkovićs und seiner
rechtskonservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) aus.
Seine Regierung hatte damals die Coronapandemie weitgehend erfolgreich
abgewehrt und fiel im Konzert der europäischen Nationen nicht allzu negativ
auf, auch wenn das brutale Vorgehen der kroatischen Grenzpolizei gegenüber
Migranten Menschenrechtler und Nichtregierungsorganisationen in ganz Europa
alarmierten. Brüssel und die Regierungen der EU-Staaten hielten sich mit
Kritik am kroatischen Vorgehen zurück.
Ab dem 1. Januar 2020 hatte Kroatien zudem die EU-Ratspräsidentschaft
übernommen. Plenković bemühte sich, seine proeuropäische Gesinnung
herauszustellen und schien die Aufgaben des Vorsitzes soweit zu erfüllen.
Immerhin gelang es am 20. März, in Zagreb die Aufnahme von Verhandlungen
über den Beitritt für Nordmazedonien und Albanien zu verkünden. Andere
publikumswirksame Aktivitäten wurden von der Coronakrise überschattet.
Doch nun gibt es aus den eigenen Reihen Kritik an Plenković und seiner HDZ.
Denn das Parlament wurde aufgelöst, noch bevor es Beschlüsse zur
Überwindung des verheerenden Erdbebens in der Region Zagreb am 22. März
treffen konnte – ein gefundenes Fressen für die radikale Rechte.
## Schlagersänger wird Konkurrent
Mit dem Rechtspopulisten und Schlagersänger Miroslav Škoro von der Partei
DPMS ist Plenković ein ernsthafter Konkurrent erwachsen, der aus dem
eigenen Lager kommt und ohne zu Zögern ausspricht, was immer noch viele in
der HDZ denken: Die Europäische Union und die westliche liberale
Lebensweise seien unkroatisch, die serbische Minderheit im Land müsse
verschwinden und kroatische Siedlungsgebiete in Bosnien und Herzegowina
müssten annektiert werden.
Škoro, der bei der Parlamentswahl laut neuesten Umfragen mit bis zu 15
Prozent der Stimmen rechnen kann, will Abtreibungen nach Vergewaltigungen
verhindern. Deshalb hatte ihm die im Januar abgewählte rechtskonservativen
Expräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic sogar einst den Stinkefinger
entgegengestreckt.
Noch gefährlicher als der Rechtspopulismus ist für Plenković jedoch der
Wiederaufstieg der Sozialdemokratie in Kroatien. Nach dem überraschenden
Sieg des SDP-Kandidaten Zoran Milanović bei den Präsidentschaftswahlen, hat
die SDP ein Parteienbündnis mit dem Namen „Restart“ gegründet, das laut d…
letzten Umfragen um die 30 Prozent der Stimmen erwarten kann und demnach
gleichauf mit der HDZ liegt.
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten und Spitzenkandidat von Restart, Davor
Bernadić, streut erfolgreich Salz in die Wunden des Gegners: Kroatien könne
nicht ausschließlich vom Tourismus leben, die Industrie sei durch die
falsche Privatisierungspolitik der HDZ systematisch zerstört worden, die
Landwirtschaft liege am Boden und die Korruption sei auf allen Ebenen der
Verwaltung und Politik spürbar.
## Kroatien lockerte wohl zu früh
Die Regierung habe in den letzten vier Jahren weder Reformen durchgesetzt,
noch einen Weg aus der Krise gewiesen. Über eine Million der viereinhalb
Millionen Menschen lebten am Rande der Armut, das Gesundheitssystem sei
heruntergewirtschaftet, das Ausbildungssystem müsse grundlegend reformiert
werden und die Perspektivlosigkeit habe in den letzten Jahren Zehntausende
junge Menschen dazu getrieben, nach Westeuropa abzuwandern.
Auch steigende Ansteckungsraten mit dem Coronavirus zeigen, dass die am 1.
Juni verfügten Lockerungen der Maßnahmen wahrscheinlich zu früh eingeleitet
wurden. [1][Kroatien wollte mit aller Macht Vorreiter bei der Öffnung der
EU-Grenzen sein] und sich als [2][ein coronafreies Ferienland]
präsentieren.
Die Schließung der Grenzen nur gegenüber Bosnien und Herzegowinas und der
unterschwellige Vorwurf, das Virus würde über Bosnier in Kroatien
verbreitet, passt sich ein in das grundsätzliche xenophobische Verhalten
der kroatischen Rechten gegenüber Bosniaken und Serben aus dem Nachbarland.
Das Virus, so die Antwort aus Sarajevo, kenne keine Nationalität. Die
kroatische Linke unter Führung der SDP aber will das Verhältnis zu Sarajevo
wieder normalisieren.
2 Jul 2020
## LINKS
[1] /Lockerungen-fuer-Tourismus/!5681506
[2] /Tourismus-in-Corona-Zeiten/!5686948
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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Tourismus
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