| # taz.de -- Flüchtlinge an der EU-Außengrenze: Keine Hilfe mehr zu erwarten | |
| > In der bosnischen Grenzregion zu Kroatien sind jetzt private | |
| > Hilfsorganisationen verboten. Die Situation wird für die Geflüchteten | |
| > immer auswegloser. | |
| Bild: Anstehen für Kleidung im Lager Miral im bosnischen Ort Velika Kladuša A… | |
| BERLIN taz | Die Situation von Geflüchteten in Bosnien und Herzegowina an | |
| der EU-Außengrenze zu Kroatien spitzt sich weiter zu. Der Kanton Una-Sana, | |
| in dem die [1][Flüchtlingslager Bira in Bihać] und Miral in Velika Kladuša | |
| liegen, hat am Mittwoch privaten Hilfsorganisationen verboten, die Menschen | |
| in ihrer verzweifelten Lage weiter zu unterstützen. | |
| Das berichtet die Organisation SOS Bihać, nach eigenen Angaben eine der | |
| beiden letzten verbliebenen privaten Organisationen, die in der Region noch | |
| tätig sind. Für die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das | |
| Rote Kreuz gelte das Verbot nicht, solange sie nur in den offiziellen Camps | |
| arbeiten. | |
| Aufgrund der [2][Corona-Pandemie] hat Bosnien und Herzegowina seine Grenzen | |
| geschlossen, internationale Helfer*innen haben überwiegend das Land | |
| verlassen. So sind die rund zehntausend Geflüchteten, die auf ihrem Weg von | |
| Afghanistan oder Syrien in die EU rund um Bihać gestrandet sind, auf | |
| private Hilfe angewiesen. | |
| Zlatan Kovacevic von SOS Bihać ist einer der wenigen, die vor Ort noch | |
| tätig sind. Er erklärt am Telefon, dass viele der Geflüchteten in alten | |
| Fabrikgebäuden oder in den Wäldern hausten, weil die sich näher an der | |
| Grenze zu Kroatien befänden als die IOM-Lager. „Eigentlich sollte das Rote | |
| Kreuz dort Essen verteilen und Verletzten helfen, was sie aber nie getan | |
| haben. Nur SOS Bihać war stets in den alten Gebäuden unterwegs.“ | |
| ## Neues Camp mit ungewissen Standards | |
| Wegen des Verbots sind jetzt auch Kovacevic und seinen Kolleg*innen die | |
| Hände gebunden. Auf den Routen Richtung kroatischer Grenze ist Hilfe nun | |
| komplett untersagt. Menschen, die beim Versuch, die Grenze zu überqueren, | |
| verletzte werden, müssen sich nun kilometerweit durch Wälder zurück in die | |
| Camps schleppen, um Hilfe erwarten zu können. | |
| So erzählt Kovacevic von einem Zwischenfall am Mittwoch, als es fünf | |
| Menschen gelungen war, die Grenze zu Kroatien zu überwinden. „Sie wurden | |
| von Beamten aufgehalten und mussten mehrere Stunden im Regen warten. Als | |
| sie zurück nach Bihać gebracht wurden, verbrannten bosnische Polizisten ihr | |
| Hab und Gut. Ihnen zu helfen ist mir jetzt verboten.“ | |
| Dabei sollte sich die Situation ab diesem Freitag eigentlich verbessern. | |
| Laut SOS Bihać sollen dann die bisherigen IOM-Camps Bira und Miral | |
| geschlossen werden. Ein Bewohner [3][berichtete der taz Ende März] von den | |
| schlechten Zuständen im Bira-Lager, wo es nicht genug Nahrung oder Seife | |
| gebe und die Menschen die meiste Zeit eingesperrt seien. | |
| Alle Geflüchteten sollen nun in das 30 Kilometer von Bihać entfernt | |
| liegende IOM-Camp Lipa gebracht werden. „Wir hatten die Hoffnung, dass dort | |
| alles besser wird, dass das Camp den internationalen Standards entsprechen | |
| würde“, erzählt Dirk Planert, der mit SOS Bihać zusammenarbeitet und sich | |
| seit den Kriegen der 1990er Jahre in der Gegend engagiert. Doch es stellte | |
| sich heraus, dass das Lager mit einer Kapazität für 6.000 Personen viel zu | |
| klein bemessen ist. | |
| ## Bewusste Eskalation | |
| Für Planert ist klar, dass bosnische Politiker*innen die Situation in den | |
| Lagern und an der Grenze bewusst eskalieren lassen, um Stimmung gegen | |
| Flüchtlinge zu machen und damit Wählerstimmen zu gewinnen. Im Herbst finden | |
| in Bosnien und Herzegowina Lokalwahlen statt. „Der bosnische | |
| Sicherheitsminister will, dass die Menschen von allein wieder abhauen“, | |
| sagt Planert. | |
| Tatsächlich sagte Sicherheitsminister Fahrudin Radončić von der | |
| konservativen Partei „Bund für eine bessere Zukunft“ (SBB BiH) vor einigen | |
| Wochen der größten bosnischen Tageszeitung Avaz, die ihm selbst gehört: | |
| „Ich werde es im gesamten Kanton Una-Sana und in Bihać so schlimm für | |
| Migranten machen, dass keiner mehr kommt.“ Seit der Drohung des Ministers | |
| berichten Geflüchtete, dass das örtliche Rote Kreuz seine Hilfe drastisch | |
| zurückgefahren habe. | |
| Auch gehe mittlerweile die Grenzpolizei gegen die Geflüchteten brutal vor. | |
| Schläge und das Verbrennen von Eigentum sollen an der Tagesordnung sein. | |
| Offenbar will die Regierung nicht, dass die Menschen das Land in Richtung | |
| Kroatien verlassen. | |
| Diese Strategieänderung scheint paradox, wollte Bosnien die Flüchtlinge in | |
| der Vergangenheit lieber schnellstmöglichst wieder loswerden. Doch in Bihać | |
| vermuten einige, dass es etwas damit zu tun haben könnte, dass die Chefin | |
| der bosnischen Grenzpolizei eine bosnische Kroatin ist – mit besten | |
| Kontakten zu ihrem kroatischen Kollegen auf der anderen Seite der Grenze. | |
| 21 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jana Lapper | |
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