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# taz.de -- Nach Brand in bosnischem Camp: Menschen harren in Bussen aus
> Nach Tagen im niedergebrannten Lager Lipa sollten die Flüchtlinge in eine
> neue Unterkunft gebracht werden. Doch die Gemeinde verweigert die
> Aufnahme.
Bild: Dienstagmittag trafen zwar Dutzende Busse in Lipa ein, doch dann bewegte …
Split taz | Die Hoffnung, die Migranten aus dem [1][niedergebrannten
Flüchtlingslager in Lipa] würden nach einer Evakuierung in Sicherheit
gebracht, hat sich zerschlagen. Dienstagmittag [2][trafen zwar Dutzende
Busse in Lipa ein], die 900 bis 1.000 Menschen wurden am am Mittwoch jedoch
aus den parkierten Bussen gedrängt und mussten die eiskalte Nacht zum
Donnerstag im Freien verbringen. Die Busse fuhren Mittwochabend
unverrichteter Dinge wieder ab. Welch eine katastrophale Situation.
Grund dafür sind die Proteste von Bewohnern von Gemeinden, wohin die
Migranten geschafft werden sollten. Auch in Bihac versammelten sich am
Mittwoch mehrere Hundert Personen, um die Rückkehr der Migranten in das vor
wenigen Monaten geschlossenen Lager Bira zu verhindern. Die leeerstehenden
Hallen einer ehemaligen Hausgerätefabrik wären aber eine akzeptable
Übergangslösung. Bürgermeister Suhred Faslic aber weigerte sich bis dato,
einen Beschluss des Ministerrates umzusetzen.
Vorausgegangen waren die Proteste von Hunderten Bewohnern des Dorfes
Bradina, das etwa 40 Kilometer südlich von Sarajevo gelegen ist.
Sicherheitsminister Selmo Cikotić und der Ministerrat hatten beschlossen,
die Migranten in einer dort leerstehenden Kaserne unterzubringen.
Allerdings hatten sie die Behörden des Dorfes und der Gemeinde Konjic nicht
über den Plan benachrichtigt. Die vor allem katholischen Bewohner des
Dorfes erfuhren erst über die Medien davon. Viele versammelten sich vor der
Kaserne, um gegen die Unterbringung der Migranten zu protestieren. Auch der
Bürgermeister, ein Muslim, kritisierte das Vorgehen des
Sicherheitsministers und verweigerte eine Zusammenarbeit. Immerhin machte
die Gemeinde den Vorschlag, die Migranten in Gruppen aus 30 bis 40 Menschen
aufzuteilen und dann über das ganze Land zu verteilen. Kleinere Gruppen
könnten auch von kleineren Gemeinden versorgt werden. Doch dazu fehlt aber
die Logistik, um den Vorschlag schnell umzusetzen.
Alternativen in Sarajevo selbst gibt es offenbar nicht, die dortigen
Aufnahmeeinrichtungen sind bereits überfüllt. Sicherheitsminister Cikotić
soll laut dem Nachrichtensender N1 verzweifelt nach Alternativen suchen.
Vor Redaktionsschluss ist er nicht fündig geworden.
## Bosniens Zentralstaat hat kaum etwas zu Sagen
Bislang steht nur fest, dass sich die Zentralregierung nicht gegen die
lokalen Behörden durchsetzen konnte. Jetzt rächt sich, dass das
[3][Abkommen von Dayton vor 25 Jahren] zwar den Krieg in Bosnien und
Herzegowina beendete, aber eine Verfassung schaffte, die dem Zentralstaat
kaum Kompetenzen einräumt.
Bestürzt über die Entwicklungen zeigte sich das Oberhaupt der muslimischen
Gemeinschaft, Reisu-l-Ulema Husein Kavazović. Er rief dazu auf, menschlich
zu handeln, und äußerte die Hoffnung, dass die EU und andere Staaten zu
einer Lösung beitragen.
Damit deutete er an, was in Sarajevo vorherrschende Meinung geworden ist:
Vor allem Serbien schöbe demnach Migranten, die von Griechenland und der
Türkei aus versuchen, in die EU zu gelangen, bewusst nach Bosnien und
Herzegowina ab. Kroatien dagegen unternehme alles, die Migranten daran zu
hindern, in die EU weiterzureisen. Beide Staaten, so die Meinung in
Sarajevo, versuchten damit Bosnien und Herzegowina zu destabilisieren.
Dass ausgerechnet das fragilste Land in Europa mit der europäischen
Migrationsproblematik fertig werden muss, kritisieren auch unabhängige
Beobachter und Mitglieder internationaler Hilfsorganisationen. Für die
Vertreter der EU im Lande könnte die Lösung der aktuellen Krise könnte
darin bestehen, die [4][Fabrikhallen Bira in Bihać für vier Monate zu
aktivieren]. Sowohl die EU, ausländische Diplomaten wie auch der
Ministerrat machen nun Druck auf Bürgermeister Faslic und die Gemeinde
Bihac, ihre Haltung aufzugeben. Während dieser Zeit sollte in Lipa ein
größeres, gut ausgebautes und winterfestes Lager gebaut werden. Die EU
solle dafür Geld bereitstellen, heißt es aus diplomatischen Kreisen in
Sarajevo.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde am 31.12 aktualisiert.
30 Dec 2020
## LINKS
[1] /Nach-Brand-im-Fluechtlingslager-Lipa/!5740514
[2] /Bosnisches-Fluechtlingslager-Lipa/!5735580
[3] /25-Jahre-Abkommen-von-Dayton/!5725704
[4] /Missionschef-ueber-Fluechtlinge-in-Bosnien/!5740822
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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