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# taz.de -- Geflüchtete in Bosnien und Herzegowina: Lipa ist ein Albtraum
> Der Plan, das Lager Lipa aufzulösen und die Menschen auf andere
> Unterkünfte zu verteilen, scheiterte. Jetzt soll das Camp winterfest
> gemacht werden.
Bild: Migranten im Lager Lipa beobachten bosnische Soldaten beim Aufbau der Zel…
Split taz | Regen, Kälte, Hunger, Dreck: 900 Migranten harren weiter im
provisorischen Lager von Lipa im Nordwesten Bosnien und Herzegowinas aus.
Auch wenn die bosnische Armee seit Samstag Armeezelte aufgebaut hat, ist
die Lage im Vergleich zur Vorwoche kaum besser. Es gibt keine sanitären
Anlagen und keine Gelegenheit zum Kochen oder zum Schlafen im Trockenen,
denn auch die Armeezelte werden im Dauerregen feucht.
Lipa heißt im dalmatinischen Dialekt „schön“. Die Schönheit dieses
Landstrichs aber hat sich für diese Menschen [1][zum Albtraum] gewandelt.
Mindestens 800 weitere irren in Lipas Umland umher, darunter sollen auch
Kinder sein. Insgesamt sollen sich 8.500 Migranten in Bosnien aufhalten.
Da hilft es auch kaum, dass am Sonntag eine Delegation bestehend aus dem
Sicherheitsminister Selmo Cikotić, dem Verteidigungsminister Sifet Podžić
und einigen Mitarbeitern internationaler Organisationen vorbeikam und eine
Verbesserung der Lage versprach. Das Lager soll nun winterfest ausgebaut
werden, soll Wasser- und Stromleitungen und sanitäre Anlagen erhalten.
Aber wann? Die ursprüngliche Idee des Sicherheitsministers war, [2][das
Lager Lipa aufzulösen] und die Insassen über den Winter nach Bihać in die
beheizbaren Fabrikhallen der Firma Bira zu bringen. Dieses Lager diente bis
letzten Sommer als Lager für Migranten, wurde aber von der Stadt
geschlossen, weil es zu massiven Bürgerprotesten gekommen war.
## Keine Alternative
Am 21. Dezember wurde Lipa aufgelöst, den Menschen wurde aber keine
Alternative geboten. Migranten zündeten die Zelte an. Die Stadt Bihać
weigerte sich trotz des Drucks des Ministerrates, des Sicherheitsministers,
der EU-Delegation unter Johann Sattler und der
[3][UN-Flüchtlingsorganisation IOM], Bira wieder zu öffnen und Migranten
aufzunehmen.
Auch andere Gemeinden winkten ab, Demonstranten versperrten den Weg in eine
leer stehende Kaserne in dem Ort Bradina nahe Sarajevo. Und in Sarajevo
sind die Einrichtungen für Migranten ohnehin überfüllt. So kehrten die
Busse mit den Migranten wieder um. Seither sitzen 900 Menschen wieder in
Lipa.
Der Ministerrat hat sich gegenüber den Gemeinden nicht durchsetzen können.
Da half auch nicht, dass der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die
„inakzeptable Lage“ beschwor. Auch er musste wie der Sicherheitsminister
klein beigeben.
Jetzt soll das Lager Lipa also im Beisein der Migranten nach und nach
winterfest gemacht werden. Angesichts der Lage sei die EU bereit,
zusätzliche 3,5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe an Bosnien zu zahlen,
heißt es aus Brüssel. Diese würden zu den 4,5 Millionen Euro hinzukommen,
die bereits im April 2020 zugesagt worden waren.
## Am Limit
Als die Delegation am Sonntagnachmittag wieder abfuhr, waren die Menschen
enttäuscht. Manche sind in den Hungerstreik getreten. Ob die IOM, deren
Mitarbeiter aus Protest gegen die haltlosen Zustände in Lipa am 21.
Dezember aus dem Lager abgezogen sind, die Versorgung der Migranten wieder
aufnimmt, ist noch nicht sicher.
So bleiben nur NGOs wie das Rote Kreuz Bihać oder SOS-Bihać, die versuchen,
die kleineren Spenden aus dem In- und Ausland an die Migranten in Lipa und
in den Wäldern zu verteilen. Die teils freiwilligen Mitarbeiter sind an der
Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, die Organisationen brauchen dringend
Spenden.
Der Ruf vieler Migranten nach Hilfe von der EU wird wohl ungehört bleiben.
Nach der Äußerung von CDU-Vorstandskandidat Friedrich Merz, Deutschland
werde keine Migranten aufnehmen, forderten humanitäre Organisationen in
Deutschland immerhin das Gegenteil.
4 Jan 2021
## LINKS
[1] /Menschen-im-bosnischen-Fluechtlingslager-Lipa/!5741125
[2] /Nach-Brand-in-bosnischem-Camp/!5740937
[3] /Missionschef-ueber-Fluechtlinge-in-Bosnien/!5740822
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Geflüchtete
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Lipa
Schwerpunkt Flucht
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EU-Flüchtlingspolitik
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