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# taz.de -- Geflüchtete in Bosnien: Weihnachten der Unmenschlichkeit
> Sarajevo ist endlich bereit, die von widrigsten Verhältnissen geplagten
> Menschen von Lipa aufzunehmen. Eine grundsätzliche Lösung ist das nicht.
Bild: Ein unbekannter Migrant im Lager Lipa als der erste Schneefall einsetzt
Na immerhin. Am Dienstagvormittag wurden einige Busse geschickt, um [1][die
Migranten aus dem Lager Lipa] an der bosnisch-kroatischen Grenze zu retten.
Nur 600 Kilometer von den Weihnachten feiernden Münchnern entfernt steckten
[2][1.300 Menschen aus dem Lager im Schnee]. Als am Montag ein Schneesturm
mit Orkanstärke einsetzte, erschütterte auch noch ein Erdbeben die Region.
Auch aus der sicheren Distanz fragte man sich, was Menschen alles
auszuhalten in der Lage sind.
Welch ein unmenschliches und erbärmliches Schauspiel spielt sich da mitten
in Europa ab. Dabei war das alles vorhersehbar. Und es gibt viele Schuldige
– man kann sie genau benennen. Das EU-Mitglied Kroatien treibt die
Migranten mit Gewalt unter Ignorierung des europäischen Rechts hinter die
Grenze zur EU zurück. Vonseiten Brüssels gibt es daran nur laue Kritik, man
ist ja froh, dass Kroatien die Drecksarbeit übernommen hat. Kein Land will
die Migranten noch aufnehmen.
Schuld ist auch das Kompetenzwirrwarr auf bosnischer Seite. Der serbische
Teilstaat innerhalb Bosnien-Herzegowinas verweigert sich, schiebt Migranten
Richtung des mehrheitlich muslimischen Bihać ab. Auch die kroatischen
Kantone im Südwesten des kleinen Vielvölkerstaates handeln so. Im
Ministerrat blockierten Serben und Kroaten monatelang Maßnahmen, feste
Unterkünfte in Lipa zu bauen. Das Geld dazu war da. Ausgerechnet am 21.
Dezember, drei Tage vor Weihnachten, beschloss man nach langem Zögern, das
Zeltlager Lipa endlich winterfest zu machen. Die Migranten wurden wegen der
Bauarbeiten (!) in den Schneesturm geschickt. Sie zündeten aus Protest die
Zelte an.
Erbärmlich ist auch das Verhalten der International Organisation for
Migration, die den Aufbau von winterfesten Lagern den Bosniern überließ.
Die UN-Organisation IOM verhielt sich hier wie ein bürokratischer Apparat,
der die Verantwortung lieber auf andere schiebt, statt selbst die
Initiative zu ergreifen.
Schuld an der aktuellen Situation trägt auch die Stadt Bihać. Jahrelang war
man mit Migranten und Hilfsorganisationen solidarisch, selbst als alle
anderen Gemeinden sich schon verweigerten. Schließlich fühlte man sich
alleingelassen. Aber muss man deshalb alle Menschlichkeit verleugnen?
Immerhin, und angesichts der passiven Duldungsstarre oder besser: der
schlichten Verweigerungshaltung Brüssels, ein ziemlicher Hohn: Sarajevo ist
jetzt endlich bereit, die von widrigsten und widerlichsten Verhältnissen
geplagten Menschen von Lipa aufzunehmen. Eine grundsätzliche Lösung ist das
nicht.
30 Dec 2020
## LINKS
[1] /Bosnisches-Fluechtlingslager-Lipa/!5735580
[2] /Nach-Brand-im-Fluechtlingslager-Lipa/!5740514
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Geflüchtete
Bosnien
Schwerpunkt Flucht
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Bosnien und Herzegowina
Schlagloch
Migranten
EU-Grenzpolitik
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