# taz.de -- Bosnisches Flüchtlingslager Lipa: Unmenschliche Zustände | |
> Mehrere Tage mussten die Migranten*innen im zerstörten Lager Lipa | |
> ausharren. Erst Dienstag kamen Busse um sie woanders unterzubringen. | |
Bild: Schneesturm und eisige Kälte: Migranten wärmen sich gegenseitig | |
SPLIT taz | Am Dienstag in den Mittagsstunden trafen endlich Busse in dem | |
[1][zerstörten und ausgebrannten Zeltlager Lipa] ein, um die in Schnee und | |
Kälte ausharrenden Migranten nach Sarajevo zu bringen. Die Bilder vom Brand | |
im Lager Lipa und von den herumirrenden Menschen im Schneesturm war von | |
vielen Bosniern auch als Schande Bosniens empfunden worden. Ein | |
erbärmliches und schreckliches Schauspiel ist damit erst einmal beendet. | |
Das Lager Lipa liegt auf einer der eher unwirtlichen Hochebenen zwischen | |
Bosnanski Petrovac und Bihać, nahe einem kleinen serbischen Dorf, dessen | |
Einwohner jedoch vor und nach dem Friedensschluss in Dayton 1995 in die | |
serbische Teilrepublik abgewandert sind. | |
Das Lager wurde in dieser menschenleeren Region eingerichtet, weil die | |
Bewohner Bihaćs kein Lager mehr innerhalb der Stadt dulden wollten. Andere | |
Gemeinden in [2][Bosnien] weigerten sich ohnehin, irgendwelche Migranten | |
aufzunehmen. Vor allem in den serbischen Gebieten, wo orthodoxe Christen | |
wohnen, und den kroatischen Gebieten, wo Katholiken leben, will man mit den | |
Muslimen aus Pakistan und Afghanistan nichts zu tun haben. Aber auch in | |
muslimisch dominierten Gebieten des Landes war man jahrelang froh, dass | |
alle Migranten nach Bihać drängten. Denn von dem nordwestlich gelegenen | |
Bihać aus hofften die heute fast ausschließlich männlichen und jungen | |
Migranten, über die Berge nach Kroatien und damit in die EU zu gelangen | |
Lipa liegt mehr als 30 Kilometer von Bihać entfernt, von hier aus ist es | |
noch schwieriger, die kroatische Grenze zu erreichen, als von der Stadt | |
aus. Auch jene, die jetzt den Schneesturm und den Brand im Lager erlebt | |
haben und jetzt nach Sarajevo gebracht werden, wollen weiterhin die | |
kroatische Grenze überwinden, wie sich im letzten Jahr zeigte. Obwohl alle | |
die Bilder von den grausamen Praktiken der kroatischen Polizisten und | |
Grenzschützer kennen, die nicht nur zuschlagen und Handys, Geld und Schuhe | |
rauben und Beine brechen, werden sie nicht aufgeben. | |
Die jungen Afghanen und Pakistaner wollten nicht in Bosnien bleiben, obwohl | |
sie wissen, dass sie kein Asyl in der EU bekommen können. Viele haben es | |
trotzdem weiter geschafft. Von geschätzt 40.000 Migranten, die seit 2017 | |
nach Bosnien kamen, sind heute weniger als 10.000 im Lande. | |
Die jungen Migranten sind vernetzt, wenn einer es schafft, wissen es | |
sogleich Hunderte. Entbehrungen auf sich zu nehmen sind sie gewohnt. Doch | |
viele sind über die teilweise schon jahrelange Reise geschwächt, wurden an | |
der Grenze verletzt, haben Angst, nach Hause zurückzukehren. Andere harren | |
sogar im Schnee und Dreck aus, trotzen der Kälte. Wer allerdings Geld hat, | |
dem wird sicherlich geholfen, Schlepper finden Wege im Süden, überwinden | |
die Grenze nach Dubrovnik und Split hin. Eine Lösung des | |
Migrationsproblems ist nicht in Sicht. Aber immerhin werden sich die | |
Migranten aus Lipa jetzt in dem Lager in Sarajevo ausruhen können. | |
29 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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