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# taz.de -- Überraschender Wahlausgang in Kroatien: Konservative rudern weiter
> Corona und der EU-Vorsitz bringen Ministerpräsident Andrej Plenković
> (HDZ) einen hohen Wahlsieg ein. Die Wahlbeteiligung war historisch
> niedrig.
Bild: Überraschender Sieger der Parlamentswahl in Kroatien: Andrej Plenković …
Sarajevo taz | Die Parlamentswahlen in Kroatien endeten mit dem in der Höhe
überraschenden Sieg des bisherigen [1][Ministerpräsidenten Andrej
Plenković] und seiner Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft HDZ. Noch
kurz vor der Wahl lagen die Sozialdemokraten in den Umfragen vorne. Umso
ernüchternder war das Abschneiden der Traditionspartei SDP unter dem
Spitzenkandidaten Davor Bernadić. Während die HDZ mit 66 Sitzen für das 151
umfassende Parlament nahe an die absolute Mehrheit kam, mussten sich die
Sozialdemokraten nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen mit 41 Sitzen
begnügen.
Als Dritte lief die neue rechtspopulistische Heimatbewegung des
Volksliedsängers Miroslav Škoro ins Ziel, die zwar 15 Mandate erreichte,
aber weit hinter den eigenen Erwartungen zurückblieb. Acht Sitze im neuen
Parlament gehen an die Partei Most („Brücke“), die sich als
liberal-konservativ definiert.
Überraschend gewann die links-grüne Plattform Možemo („Wir können es“) 7
Mandate. Drei Sitze fielen an die bürgerlich-liberale Partei (SSIP) und ein
Sitz an die liberale Kroatische Volkspartei (HNS). 8 Mandate sind den
ethnischen Minderheiten vorbehalten, 3 den Auslandskroaten.
Etwa 3,8 Millionen der 4,2 Millionen Einwohner waren wahlberechtigt, die
Wahlbeteiligung war mit 46 Prozent allerdings historisch niedrig. Mehr als
die Hälfte der Wahlberechtigten hat an der Abstimmung nicht teilgenommen.
In den Wahllokalen waren Masken Pflicht, auch für Coronainfizierte wurde
die Wahlbeteiligung sichergestellt.
## Krisengewinner Plenković
Ministerpräsident Plenković hatte im März vorgezogene Neuwahlen
durchgesetzt, nachdem es der Regierung und dem Krisenstab gelungen war, die
Ausbreitung der Pandemie im Lande zu minimieren. Dies trug der Regierung
bei der Bevölkerung großen Respekt ein, zumal die sozialdemokratische
Opposition eine weniger klare Position zur Pandemie eingenommen hatte.
Das [2][Kalkül Plenković’], die Bewältigung der Krise würde ihm und seiner
Partei den Wahlsieg bescheren, ist letztlich aufgegangen. Zu dem Sieg trug
außerdem bei, dass Kroatien im ersten Halbjahr 2020 den Vorsitz in der EU
innehatte und diese Aufgabe nach Angaben von Diplomaten gut bewältigt hat.
Seit den Lockerungen am 1. Juni sind die Ansteckungsraten im Land jedoch
wieder gestiegen, sodass das Nachbarland Slowenien das Land wieder von der
grünen Liste der sicheren Länder genommen hat.
Die HDZ konnte ihren Triumph trotzdem feiern. Der Wahlsieg ist auch deshalb
bedeutend, weil es Plenković gelungen ist, die Rechtsaußen um Miroslav
Škoro im Zaum zu halten und Wähler in der Mitte der Gesellschaft zu
gewinnen. Am rechten Rand dagegen hat die HDZ an Škoro verloren. Dessen
Wähler wollen konservative christliche Werte hochhalten, sich
außenpolitisch mehr an Ungarn und Polen binden. Škoro sprach ihnen aus der
Seele, hetzte gegen die serbische Minderheit und ganz im Sinne der
erzkonservativen katholischen Kirche gegen die Fristenlösung. Frauen, die
nach einer Vergewaltigung abtreiben wollen, sollten daran gehindert werden.
## Skeptische NGOs
Die von Škoro erhoffte Koalition mit der HDZ wird nach diesem Wahlergebnis
nicht zustande kommen. Trotzdem bleiben die ausländischen
Nichtregierungsorganisationen skeptisch, was den Schutz von Menschen und
Minderheitsrechten betrifft. Wenn Plenković mit den Minderheitenvertretern,
also mit der serbischen Minderheit, koalieren sollte, was möglich ist,
könnte dies die Lage zwar beruhigen. Plenković hat aber bisher die
Übergriffe der kroatischen Polizei gegenüber Migranten heruntergespielt.
Dazu unterstützt er weiterhin die radikalen Nationalisten in der
Herzegowina, die im Nachbarland Bosnien und Herzegowina einen eigenen
Teilstaat anstreben. Auch Plenković hat nach dem Urteil in Den Haag 2017
kroatische Kriegsverbrecher im Sabor geehrt.
Die Kritik an den faschistischen Tendenzen der kroatischen Rechten hat der
SDP kaum etwas genützt, viele ihrer Wähler blieben zu Hause. Auch in
Sarajevo sehen viele Kommentatoren die Regierung sehr kritisch. Es
überwiegt jedoch die Meinung, dass nun letztlich alles beim Alten bliebe.
Nicht ganz: Die neue linksgrüne Partei Možemo will im Parlament für Wirbel
sorgen und die Positionen von Menschenrechtlern und Ökologen zum Ausdruck
bringen.
Mit der linksgrünen Partei Možemo ist eine neue, moderne, mit den Grünen
des Westens kompatible Kraft entstanden, die am Wahlabend ihren Erfolg kaum
fassen konnte. Ihr Spitzenkandidat Tomislav Tomašević belegte im Wahlkreis
I in Zagreb mit fast 19.667 Stimmen den zweiten Platz hinter Andrej
Plenković (32.208) und noch vor dem Spitzenkandidaten der SDP mit rund
13.000 Stimmen.
Das heißt: Im urbanen Zentrum Zagrebs und in den Hochburgen der Linken in
Istrien und Nordkroatien wird bald ein frischer Wind wehen. Die SDP wird
nach dieser Niederlage erkennen müssen, dass die alten Politikformen und
Traditionen nicht mehr tragen.
6 Jul 2020
## LINKS
[1] /Vorgezogene-Neuwahlen-in-Kroatien/!5697933
[2] /Wahl-in-Kroatien/!5698301
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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