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# taz.de -- Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Nebenbei noch schnell die EU rett…
> Deutschland nimmt am heutigen Mittwoch den Ratsvorsitz ein. Die
> Erwartungen sind groß – doch was ist innerhalb der Strukturen überhaupt
> machbar?
Bild: Merkel will nicht länger blockieren, sondern antreiben: EU-Videokonferen…
Brüssel taz | Corona besiegen, den Wiederaufbau organisieren – und nebenbei
noch schnell die EU retten: Die [1][Erwartungen an die deutsche
Ratspräsidentschaft] sind enorm. Dabei hat die Ratsvorsitzende – seit dem
1. Juli Kanzlerin Angela Merkel – nicht so viel Macht, wie manche denken.
Das liegt am Lissabon-Vertrag, den Merkel beim letzten deutschen
Ratsvorsitz 2007 selbst eingefädelt hat. Der EU-Vertrag sieht vor, dass es
nicht nur einen, sondern gleich zwei Ratspräsidenten gibt: einen ständigen
und einen weiteren, der alle sechs Monate wechselt.
An Charles Michel als ständigen Ratspräsidenten kommt auch Merkel nicht
vorbei. Michel leitet die EU-Gipfel, er lädt die Staats- und
Regierungschefs ein und gibt die Tagesordnung vor. Auch das nächste Treffen
am 17. und 18. Juli in Brüssel wird der Belgier organisieren.
Michel ist zudem dafür zuständig, einen Kompromissvorschlag für das
künftige EU-Budget vorzulegen, die sogenannte „Negotiating box“. Merkel hat
dazu schon Wünsche geäußert, doch was bei den Verhandlungen letztlich auf
dem Tisch liegt, entscheidet der Belgier, nicht die Deutsche.
## Begrenzte Möglichkeiten
Ganz ähnlich sieht es bei anderen wichtigen Ratsformationen wie der
Eurogruppe und den Außenministern aus. Auch sie haben ständige Vorsitzende,
die die Arbeit leiten. [2][Bundesfinanzminister Olaf Scholz] und
Außenminister Heiko Maas sitzen deshalb weiter in der zweiten Reihe.
Mehr zu sagen hat Deutschland dagegen im Ausschuss der Ständigen Vertreter.
Die Runde der EU-Botschafter, die sich regelmäßig in Brüssel trifft,
bereitet alle wichtigen Entscheidungen vor – und wird nun vom deutschen
Topdiplomaten Michael Clauß geführt. Außerdem kann der Ratsvorsitz eigene
Sondersitzungen und Gipfeltreffen organisieren, um seine Prioritäten
voranzubringen.
Aber auch hier sind die Möglichkeiten begrenzt, wie der Streit um den
EU-China-Gipfel zeigt. Ursprünglich war er für September in Leipzig
geplant, als außenpolitischer Höhepunkt der deutschen Ratspräsidentschaft.
Doch Merkel hat ihn abgesagt – offiziell wegen Corona, in Wahrheit aber
wegen zunehmender Spannungen mit China.
Ob der Gipfel doch noch stattfinden kann, entscheidet die Kanzlerin nicht
allein, sondern in enger Abstimmung mit der EU-Kommission in Brüssel. Auch
Behördenchefin Ursula von der Leyen hat ein gewichtiges Wörtchen
mitzureden.
## Merkel bringt Inhalte voran
Heißt das also, dass Merkel und ihre Minister nur die zweite Geige spielen
und bei allen wichtigen Fragen von Brüssel abhängig sind? Nein. Denn in der
Europapolitik kommt es nicht nur auf die Institutionen und Prozeduren an,
sondern auch auf Inhalte und die Stärke des Landes. Und da hat die
Kanzlerin einiges zu bieten.
Inhaltlich hat Merkel die EU schon jetzt vorangebracht – indem sie sich
gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron für ein
schuldenfinanziertes Wiederaufbau-Programm aussprach. Das war nicht nur
eine überraschende Kehrtwende der deutschen Europapolitik, sondern auch ein
entscheidender Impuls für Brüssel.
Doch auch der schönste Impuls nützt wenig, wenn die Kraft fehlt, ihn
umzusetzen. Hier kommt Merkel erneut ins Spiel – nicht als Ratsvorsitzende,
sondern als Kanzlerin des stärksten EU-Landes. Bisher hat sie ihre
Autorität oft dazu genutzt, Nein zu sagen. „Wenn Berlin etwas nicht
unterstützt, dann passiert nichts in der EU“, erklärte der Außenbeauftragte
Josep Borrell kurz vorm Start des „deutschen Semesters“.
Das soll sich nun ändern. [3][Merkel will nicht länger blockieren], sondern
antreiben. Damit werden plötzlich viele Dinge möglich, die beim letzten
EU-Ratsvorsitz von Kroatien undenkbar erschienen. Ein Erfolg ist trotzdem
nicht sicher. Denn Deutschland entscheidet nicht allein. Merkel muss
widerstrebende Länder wie Österreich oder die Niederlande überzeugen.
Und wenn sich doch jemand quer stellt? Dann könnte Merkel die Zustimmung
mit Geld oder anderen Anreizen erkaufen. Deutschland kann sich das leisten,
andere können das nicht. Auch deshalb sind die Erwartungen an den deutschen
Ratsvorsitz so groß.
1 Jul 2020
## LINKS
[1] /Deutschland-und-EU-Ratspraesidentschaft/!5693092
[2] /GroKo-Kritiker-ueber-K-Frage-der-SPD/!5696361
[3] /Deutsche-EU-Ratspraesidentschaft/!5692830
## AUTOREN
Eric Bonse
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