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# taz.de -- Europas Wirtschaft stürzt ab: Merkel muss Feuerwehr spielen
> Kanzlerin Merkels Besuch im EU-Parlament war als Höflichkeitsvisite
> geplant. Doch jetzt stürzt die Wirtschaft in der EU schlimmer ab als
> erwartet.
Bild: Merkel und von der Leyen im November 2019: die deutsche Doppelspitze muss…
Brüssel taz | Vier Monate ist Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr in
Brüssel gewesen, wegen Corona sind alle EU-Termine geplatzt. Nun kommt sie
an diesem Mittwoch ins Europaparlament, um das [1][Programm des deutschen
Ratsvorsitzes] vorzustellen. Doch was als Höflichkeitsbesuch geplant war,
erscheint plötzlich in einem anderen, grellen Licht: Merkel muss Feuerwehr
spielen.
Die europäische Wirtschaft stürzt noch schneller ab als befürchtet, die
Coronakrise ist noch tiefer: Dies prognostizierte die EU-Kommission am
Dienstag. Statt – wie bisher erwartet – um 7,7 werde die Eurozone 2020 um
8,7 Prozent schrumpfen, warnte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Deutschland kommt zwar mit einem blauen Auge davon, hier soll der Einbruch
„nur“ 6,3 Prozent betragen. Doch Italien, Spanien und Frankreich müssen mit
einer Rezession im zweistelligen Bereich rechnen. Die Folgen des Lockdowns
seien schlimmer als befürchtet, sagte Gentiloni, der selbst aus Italien
kommt.
Damit steigt der Druck auf Merkel und Deutschland. „Wir müssen das
Vertrauen in unsere Volkswirtschaften in dieser kritischen Zeit stärken und
Finanzmittel verfügbar machen“, mahnte Gentiloni. Deshalb sei es „wichtig,
eine rasche Einigung über den von der Kommission vorgeschlagenen Aufbauplan
zu erzielen“.
## Mini-Gipfel mit von der Leyen
Doch die ist nicht in Sicht. Merkel will ihren Besuch in Brüssel zwar zu
einem Mini-Gipfel nutzen. Sie trifft sich nicht nur mit Parlamentspräsident
David Sassoli und führenden Europaabgeordneten, sondern auch mit
Kommissionschefin Ursula von der Leyen und dem ständigen Ratspräsidenten
Charles Michel. Ein Durchbruch ist jedoch nicht zu erwarten.
Denn die Fronten sind verhärtet. Die „sparsamen Vier“, die Niederlande,
Österreich, Dänemark und Schweden, sind nicht bereit, den Wiederaufbau
durch EU-Schulden zu finanzieren, wie von der Leyen vorgeschlagen hatte.
Die Nordländer wollen EU-Hilfen auch nicht als Zuschüsse vergeben, sondern
nur als rückzahlbare Kredite. Sogar die Höhe des Wiederaufbaufonds ist
umstritten: Sollen es nun 750 Milliarden Euro sein, wie von der Leyen will,
oder nur 500 Milliarden, wie im deutsch-französischen Vorschlag von Merkel
und Staatspräsident Emmanuel Macron?
Widerstand kommt auch aus Südeuropa. So verwahrt sich Italien dagegen, dass
Merkel dem Land Ratschläge erteilt – etwa bei der Nutzung des
Euro-Rettungsfonds ESM. Und Griechenland sträubt sich gegen verbindliche
Auflagen aus Brüssel, an die die EU-Hilfen gebunden werden könnten. Athen
fürchtet eine Rückkehr der Troika.
## Mehr Geld für den Wiederaufbau
Dem Europaparlament hingegen gehen die EU-Pläne nicht weit genug. Es
fordert mehr Geld für den Wiederaufbau, aber auch mehr demokratische
Mitsprache bei der Verwendung der Mittel. Wie Merkel diese kaum vereinbaren
Forderungen in einen einstimmigen EU-Beschluss überführen will, weiß sie
wohl selbst noch nicht.
Denn auch Deutschland wünscht sich Nachbesserungen. Der
Berechnungsschlüssel für die Aufteilung der EU-Hilfen an die 27
Mitgliedsländer müsse geändert werden, die Datenbasis stimme nicht,
erklärte Merkel beim letzten Video-Gipfel vor zwei Wochen. Zudem will sie
den – durch den Brexit eigentlich überflüssigen – deutschen EU-Rabatt
erhalten.
Wie es weiter geht, soll nun der Mini-Gipfel in Brüssel erweisen. Merkel
soll einen Weg weisen, zumindest einige Ideen vorstellen. Von der Leyen
will ihr dabei helfen – die weibliche deutsche Doppelspitze muss sich zum
ersten Mal beweisen. „Wir schaffen das“, gaben sich die beiden
CDU-Politikerinnen vor dem Treffen optimistisch.
Aber auch Ratspräsident Michel ist gefordert: Er soll einen Kompromiss für
das künftige EU-Budget vorlegen, in das auch der Wiederaufbaufonds
eingebettet ist. Mit diesem Papier soll es dann in den EU-Gipfel in zehn
Tagen gehen. Aber auch da erwartet man noch kein Ergebnis. Ausgerechnet der
niederländische Premier Mark Rutte, bisher einer der engsten Partner von
Merkel, steht auf der Bremse. Die Kanzlerin wird wohl noch länger Feuerwehr
spielen müssen.
8 Jul 2020
## LINKS
[1] /Deutsche-EU-Ratspraesidentschaft/!5697814
## AUTOREN
Eric Bonse
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