| # taz.de -- ZDF-Journalistin über EU-Berichte: „Die Prozesse sind komplizier… | |
| > Deutschland hat aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne. Wird deshalb | |
| > mehr aus Brüssel berichtet? Ein Gespräch mit Anne Gellinek, Leiterin des | |
| > ZDF-Studios in Brüssel. | |
| Bild: Vermutlich eingenickt wegen Übermüdung: eine Journalistin während des … | |
| taz: Frau Gellinek, seit dem [1][1. Juli hat Deutschland die | |
| Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union] inne. Hat das Auswirkungen | |
| auf Ihre Berichterstattung aus Brüssel? | |
| Anne Gellinek: Für unsere Arbeit ändert sich nichts. Wir können uns hier im | |
| Studio Brüssel wirklich nicht darüber beschweren, dass die Redaktionen | |
| sagen: Och nö, die EU interessiert uns nicht. | |
| Inwiefern? | |
| Die Zeiten sind lange vorbei – weil die EU sich seit Jahren von der einen | |
| in die andere Krise bewegt. Ich habe hier im Januar 2015 angefangen, da | |
| ging es mit der Griechenland-Krise los. Die Coronapandemie hat Europa noch | |
| einmal in einen krisenhaften Zustand versetzt, weil die Punkte, an denen | |
| Europa nicht funktioniert, noch einmal deutlich sichtbar wurden. Sich auf | |
| das Nationale zurückziehen, Exportbeschränkungen verhängen – das ist ja | |
| eigentlich das Gegenteil von Europa. | |
| Vor der Europawahl 2019 war oft die Rede davon, dass viele Leute nicht | |
| wüssten, wie die EU funktioniert und immer noch das Bild von der EU als | |
| bürokratischem Monster verbreitet sei. Gibt es bei der Vermittlung der | |
| Themen noch Nachholbedarf? | |
| Diesen Erklärungsbedarf gibt es immer. Wir versuchen, dem regelmäßig | |
| Rechnung zu tragen, erklären etwa, wofür die Kommission zuständig ist. Wenn | |
| man auf der Straße fragt, was der Europäische Rat macht, wird man kaum | |
| jemanden finden, der sagt: Das ist das Gremium der 27 Staats- und | |
| Regierungschefs, und die haben die Macht in der EU. Ich versuche deshalb, | |
| den Begriff Europäischer Rat nicht zu verwenden. Ich spreche vom Gremium | |
| der Staats- und Regierungschefs. Oder von der Kommissionspräsidentin, die | |
| einer riesigen Behörde vorsteht, die nur Vorschläge machen kann. | |
| Im europäischen Polit-Journalismus scheint es auf den ersten Blick weniger | |
| küchenpsychologische und personalisierende Berichterstattung zu geben als | |
| bei nationaler Politik. Stimmt dieser Eindruck? | |
| Unterschiede zwischen der Berichterstattung über die bundesdeutsche | |
| Innenpolitik und jener über Europapolitik gibt es tatsächlich. Natürlich | |
| sind auch in der EU-Politik Personalfragen wichtig. Aber die Konflikte | |
| untereinander – sowohl im Parlament als auch zwischen den EU-Institutionen | |
| – sind nicht so stark. Es gibt einen starken Zusammenhalt, auch wenn der | |
| sich teilweise aufzulösen beginnt, weil die rechtsnationalen Parteien dem | |
| entgegenwirken. Aber in den Debatten parteipolitische Linien zu finden, ist | |
| schwierig. Da kann die Spanierin aus der konservativen EVP-Fraktion die | |
| selbe Meinung vertreten wie ein Grüner aus Polen. | |
| Gibt es denn eigentlich nicht zusätzlichen Konfliktstoff, weil sich die | |
| Parteien, die im [2][Europaparlament] Fraktionen bilden, inhaltlich | |
| teilweise stark voneinander unterscheiden? | |
| Ja, die FDP etwa ist mit der Partei von Emmanuel Macron in vielen Fragen | |
| nicht einer Meinung, obwohl sie mit ihr in einer Fraktion sitzt. Da gibt es | |
| viele Untiefen, die man von außen nicht immer sehen kann. Deshalb sind die | |
| Entscheidungsprozesse kompliziert. | |
| Aber gerade das ist doch interessant. Kann man das nicht vermitteln in der | |
| Berichterstattung? | |
| Wir versuchen immer wieder herauszuarbeiten, dass das Europarlament anders | |
| funktioniert als der Bundestag. Aber das sind letztlich Geschichten für | |
| Feinschmecker. | |
| Man kann das ZDF dafür loben, dass es mit „Heute – in Europa“ eine Sendu… | |
| hat, die im deutschen Fernsehen als werktägliches Format über Europa | |
| einmalig ist. Wie kommt die Sendung an? | |
| Die Sendung ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Vielleicht müssten wir | |
| das noch stärker tun als bisher. Das Problem ist die Sendezeit um 16 Uhr. | |
| Da gucken Medienjournalisten nicht fern. Aber die Sendung ist unglaublich | |
| erfolgreich – unter anderen, weil sie nach „Bares für Rares“ läuft. „… | |
| – in Europa“ hat manchmal in absoluten Zahlen genauso viele Zuschauer wie | |
| das „Heute-Journal“. Die Sendung kommt auch deshalb gut an, weil sie gerade | |
| nicht immer über EU-Politik berichtet, sondern die EU in der Praxis zeigt. | |
| Man nimmt sich ein Thema vor – sei es die Rentenreform oder Sterbehilfe – | |
| und vergleicht dann, wie es in verschiedenen Ländern läuft. | |
| Wäre angelehnt an „Berlin direkt“ auch ein neues Format „Brüssel direkt… | |
| denkbar? | |
| Vor der Europawahl gab es die Überlegung, dass wir probeweise eine Sendung | |
| direkt aus Brüssel produzieren – weil ganz viele innenpolitische | |
| Entscheidungen inzwischen dort fallen. Diese Überlegungen gibt es immer | |
| noch, aber es dauert noch ein bisschen. Online, vielleicht als Podcast, | |
| kann ich mir das durchaus vorstellen. Ich glaube, die Akzeptanz dafür in | |
| Mainz ist da. | |
| 23 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| René Martens | |
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