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# taz.de -- Kroatien vor der Parlamentswahl: Viktor Orbán lässt grüßen
> Angesichts Zehntausender Flüchtlinge spielt die Opposition HDZ die
> nationalistische Karte. Sie will sofort Militär für den Grenzschutz
> einsetzen.
Bild: Erstmal ausruhen: Ein Flüchtling in Slowenien, der gerade die Grenze zu …
Vukovar taz | In einer Kleinstadt wie Vukovar mit nur einem annehmbaren
Hotel fällt die Gruppe von hohen Armeeoffizieren aus Kroatien, Serbien,
Mazedonien und Bosnien-Herzegowina auf. Vor allem, wenn dieses Treffen in
einem Zusammenhang mit Maßnahmen der slowenischen Regierung steht. Denn
Slowenien hat sich am Dienstag entschlossen, Militär an die Grenze zu
Kroatien zu senden, um diese gegen Flüchtlinge abzuschotten. Werden in
Kroatien und den anderen Ländern nun ähnliche Schritte erwogen?
Bisher stellen internationale Journalisten und humanitäre Helfer der
sozialdemokratisch geführten kroatischen Regierung ein gutes Zeugnis aus,
was den Umgang mit den Flüchtlingen angeht. Im Gegensatz zu Serbien werden
die Flüchtlinge in Kroatien professionell behandelt, die Registrierung und
die Versorgung mit sauberen Schlafplätze verläuft reibungslos, es gibt
Essen, Duschen, medizinische Versorgung und eine organisierte Weiterfahrt
in Bussen an die slowenische Grenze. Denn niemand der Flüchtlinge aus
Syrien oder Afghanistan will in Kroatien bleiben. Ihr Ziel ist Deutschland.
„Die gute Organisation,“ witzelt Igor, ein kroatischer freiwilliger Helfer,
„hat damit zu tun, dass man die Flüchtlinge so schnell wir möglich aus dem
Land haben will.“ Die Strategie der kroatischen Regierung sei, den
Flüchtlingen ein positives Bild von Europa zu vermitteln, also im Gegensatz
zu Ungarn den Anforderungen der Europäischen Union gerecht zu werden, aber
gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der Weitertransport reibungslos
verläuft. Soll sich das jetzt ändern?
Die Stimmung im kroatischen Oppositionsbündnis, das von der
konservativ-nationalistischen Partei HDZ ( Kroatische Demokratische
Gemeinschaft) angeführt wird, ist bereits aufgeheizt. „Man kann sogar von
einer Orbanisierung der Opposition sprechen,“ sagt der bekannte Ex-Verleger
und Publizist Nenad Popovic.
## Stimmung machen mit nationalistischen Tönen
Die aus der HDZ stammende Präsidentin des Landes, Kolinda Grabar-Kitarovic,
würde nach Ansicht auch anderer Beobachter der kroatischen Innenpolitik am
liebsten schon jetzt Militär an die Grenzen schicken. Die HDZ warte nur auf
die Gelegenheit, vor den Parlamentswahlen am 8. November mit
nationalistischen Tönen in rechtspopulistischer Manier Stimmung zu machen.
Denn nur so könnte sie die Mehrheit der Wählerstimmen erringen.
„Wir sind in einer Wirtschaftskrise, beide Parteiblöcke haben keine Ideen,
die wirtschaftliche Entwicklung des Landes anzukurbeln, man hofft nur auf
eine generelle Besserung in Europa insgesamt,“ sagt Nenad Popovic. Die
humanitären Helfer wie der Student der Volkswirtschaft Igor und kroatische
Journalisten vieler Medien, die sich derzeit in Vukovar aufhalten, stimmen
dieser Analyse im Prinzip zu. „Beide Parteienblöcke versprechen ihrer
Klientel mehr Mittel aus dem Staatsbudget, ohne zu erklären, woher das Geld
kommen soll,“ sagt Igor.
Schon seit Jahren werden in Kroatien fehlende Innovationen für die
Entwicklung neuer Industrien beklagt. Die vor allem nach dem Krieg ab 1995
systematisch betriebene Deindustrialisierung unter dem damaligen
Tudjman-Regime – große Teile der Volkswirtschaft wurden an Günstlinge des
Regimes verteilt - wurde später auch von anderen Regierungen nicht
grundsätzlich korrigiert. Kroatien hat beispielsweise die Entwicklung der
Solarenergie verschlafen, obwohl das Land vor allem an der Adriaküste über
große Potentiale verfügt.
Wichtige Industrien, die schon vor dem Krieg existierten - in Kroatien
wurden die Hard- und Software für die damals in Jugoslawien mächtige
Rüstungsindustrie entwickelt – wurden einfach fallen gelassen. „Das
Potential war da,“ sagt auch Stjepan, ein junger Ingenieur aus Vukovar,
„man hätte es für die Entwicklung moderner Industrien nutzen müssen.“
## Junge Leute haben die Nase voll
In der Region Ostslawonien und vor allem in Vukovar ist die Schuh- und
Lederindustrie, in der vor dem Krieg 1991 über 20 000 Menschen beschäftigt
waren, völlig zusammengebrochen. Stjepan hat jetzt die Nase voll. „Wir
jungen Leute haben angesichts der Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent
keine Hoffnung mehr.“ Er hat sich schon bei einer Firma in Baden-Würtemberg
beworben. „Wer Englisch spricht, will nach Großbritannien, wer Deutsch
gelernt hat, will nach Deutschland.
Wir verlieren die jungen Leute,“ sagt Goran, ein Gerichtsdolmetscher aus
Vukovar, der den jungen Menschen beim Ausfüllen der Formulare hilft. „52
Ärzte und Krankenschwestern haben in diesem Jahr gekündigt und sind nach
Westeuropa gegangen.“ Stjepan wird auch nicht wählen gehen. Er vertraut
keiner Seite mehr. Alle sind sich aber einig darin, dass Kroatien gar nicht
in der Lage sei, angesichts der eigenen sozialen Probleme Flüchtlinge aus
Syrien aufzunehmen.
Einer der Offiziere sagt bei einer Raucherpause vor dem Hotel immerhin:
„5000 Flüchtlinge wäre für uns Kroaten die Obergrenze.“ Er lächelt. Das
Treffen der Armeeoffiziere deutet auf mehr hin: Geht es um die
Koordinierung militärischer Aktivitäten der beteiligten Staaten?
21 Oct 2015
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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