# taz.de -- Parlamentswahl in Kroatien: Der nächste Sieg der Rechten droht | |
> 15 Prozent Arbeitslosigkeit machen der Regierung zu schaffen. Bei der | |
> Wahl am Sonntag stehen die Chancen gut für die nationalistische | |
> Opposition. | |
Bild: Nicht mehr so beliebt wie 2011: Kroatiens Premierminister Zoran Milanović | |
Split taz | „Mir ist es gleichgültig, wer bei den Wahlen am 8. November | |
gewinnt, bekäme ich doch nur einen richtigen Job“, sagt der bärtige | |
Zeitungsverkäufer an einem Kiosk in der historischen Altstadt von Split. | |
Seine Bemerkung lässt die Umstehenden zustimmend schmunzeln. So wie er | |
denken viele. | |
„Den Versprechungen der Parteien ist nicht zu trauen“, mischt sich ein | |
junger Mann, ein Student aus Zagreb, ins Gespräch ein. „Die | |
sozialdemokratische Partei verspricht viele neue Arbeitsplätze – fragt | |
sich, warum sie in den letzten vier Jahre keine geschaffen haben.“ | |
Ob aber das Oppositionsbündnis aus der wirtschaftlichen Stagnation mit mehr | |
als 15 Prozent Arbeitslosigkeit Kapital schlagen kann, ist hier im Zentrum | |
der zweitgrößten Stadt Kroatiens nicht zu erkennen. Zwar hängen die | |
Wahlplakate „Für ein starkes Kroatien“ an allen erlaubten und unerlaubten | |
historischen Mauern des Diakletianspalastes. Doch die nationalistische | |
Volkstümelei der Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) unter dem | |
ehemaligen Geheimdienstchef Tomislav Karamarko kommt bei den traditionellen | |
Stadtbürgern nicht so gut an. | |
„Wer Hakenkreuze auf Fußballfelder sprühen lässt, wer den Gruß des | |
faschistischen Ustaschastaates während des Zweiten Weltkrieges zulässt, dem | |
muss Einhalt geboten werden“, sagt der Verkäufer in einer Buchhandlung. Der | |
Mann will seinen Namen nicht nennen, und das zeigt das Spannungsfeld an, | |
das in den letzten Wochen in Kroatien offenbar geworden ist. | |
Zwar standen sich auch bei der vorausgehenden Wahl das linke und rechte | |
Lager der kroatischen Gesellschaft unversöhnlich gegenüber. Doch die | |
Diskussionen kreisten vor dem Eintritt in die EU 2012 vor allem um die | |
notwendigen Reformen, die das Land zu durchlaufen hatte, um die sozialen | |
und politischen Konsequenzen dieses Eintritts. | |
Hauptsächlich die HDZ hatte damals Federn lassen müssen. Die vor 2011 noch | |
an der Macht befindliche Partei war vom Kampf gegen die Korruption | |
besonders betroffen. Der einstige Regierungschef Ivo Sanader musste für | |
zehn Jahre ins Gefängnis, auch andere hohe Funktionäre wurden zu | |
Haftstrafen verurteilt. | |
Doch der damalige triumphale Sieg des Sozialdemokraten Zoran Milanović und | |
seiner Bündnispartnerin Vesna Pusić von der liberal-demokratischen | |
Kroatischen Volkspartei (HNS) 2011 wurde im Laufe der letzten Jahre | |
verspielt. Das links-liberale Bündnis war nicht in der Lage, die Wirtschaft | |
des Landes zu beleben. Die vorausgehende Finanzkrise und die Stagnation der | |
europäischen Wirtschaft insgesamt werden als Entschuldigung nicht mehr | |
gelten gelassen. „Es gab einfach keine neuen Ideen für die Modernisierung | |
der Wirtschaft“, beklagen Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler im | |
ganzen Land. | |
Doch anstatt in diese Schwachstelle der Regierung zu stoßen, hat das rechte | |
Lager unter Tomislav Karamarko seine ganze Strategie auf die Beschwörung | |
nationalistischer Gefühle verwandt. Damit versucht es, die eigene | |
Anhängerschaft vor allem in den ländlichen Gebieten und den städtischen | |
Unterschichten zu mobilisieren. | |
Der eigentlich zurückhaltende und keineswegs als Volkstribun auftretende | |
Karamarko wirkt wie ein von den klerikalen Laienverbänden, den | |
Kriegsveteranen und Aktivisten aus dem rechtsradikalen Sektor Getriebener. | |
Die Wahlkampfbotschaft ist offensiv, bisweilen aggressiv. Nach letzten | |
Umfragen liegt das rechte Lager leicht vorn. | |
7 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Nationalismus | |
Parlamentswahl | |
Kroatien | |
Kroatien | |
Kroatien | |
Kroatien | |
Kroatien | |
Parlamentswahl | |
Europa | |
Schwerpunkt Flucht | |
Kroatien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Künstler in Kroatien: Einsame Antifaschisten | |
Eine landesweite Lesung will ein Zeichen gegen den Rechtsruck der Regierung | |
setzen. In Split stößt die Aktion jedoch nur auf wenig Resonanz. | |
Kulturkampf in Kroatien: Proteste gegen den Rechtsaußen | |
Filmschaffende, Journalisten und Autoren fordern die Absetzung von | |
Kulturminister Hasanbegovic. Der will linke Projekte nicht mehr fördern. | |
Kroatiens neue Regierung: Ein schlechter Start | |
Kaum ist die Mitte-rechts-Koalition im Amt, gibt‘s Proteste in und vor dem | |
Parlament. Es geht um überzogenen Nationalismus und Patriotismus. | |
Kommentar Parlamentswahl Kroatien: Realismus wird belohnt | |
Die Kroaten haben der Ideologisierung des Landes eine Abfuhr erteilt. Nun | |
muss die Newcomer-Partei „Most“ ihre Standfestigkeit beweisen. | |
Parlamentswahl in Kroatien: Most oder Selters? | |
Die konservative HDZ überholt die regierenden Sozialdemokraten. Um zu | |
regieren, wären beide aber auf die überraschend starke Most-Partei | |
angewiesen. | |
Debatte Rechtsruck in Europa: Die Rechten sind die neuen Linken | |
Das Zentrum wird immer stärker. Europas Peripherie aber bleibt abgehängt. | |
Von dieser Ungleichheit profitieren nur die Rechtspopulisten. | |
Vor dem Flüchtlingsgipfel: Balkan will keine Pufferzone sein | |
Bulgarien, Rumänien und Serbien wollen ihre Grenzen für Flüchtlinge dicht | |
machen, sollten Deutschland und andere EU-Staaten keine Flüchtlinge mehr | |
aufnehmen. | |
Kroatien vor der Parlamentswahl: Viktor Orbán lässt grüßen | |
Angesichts Zehntausender Flüchtlinge spielt die Opposition HDZ die | |
nationalistische Karte. Sie will sofort Militär für den Grenzschutz | |
einsetzen. |