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# taz.de -- Kulturkampf in Kroatien: Proteste gegen den Rechtsaußen
> Filmschaffende, Journalisten und Autoren fordern die Absetzung von
> Kulturminister Hasanbegovic. Der will linke Projekte nicht mehr fördern.
Bild: Macht sich gerade keine Freunde: Kroatiens Kulturminister Zlatko Hasanbeg…
Split taz | Die Proteste gegen den neuen kroatischen Kulturminister Zlatko
Hasanbegovic reißen nicht ab. Mehr als 1.130 Kulturschaffende fordern in
einem Protestbrief die Ablösung des Historikers, der von den zumeist aus
der Linken stammenden Kulturszene als Rechtsaußen der neuen Regierung
angesehen wird. Auch am Freitag kam es wieder zu Protestaktionen in Zagreb.
Die Proteste richten sich vor allem gegen die Eingriffe in die
Selbstverwaltungstrukturen des Kulturbetriebes, die Hasanbegovic sofort
nach Amtsantritt vorgenommen hat. Vor allem linke und grüne Projekte sollen
nicht mehr staatlich gefördert werden, befürchten viele der Demonstranten.
Theaterregisseure, unabhängige Journalisten, Schriftsteller, Filmschaffende
und andere kritisieren zudem, dass Hasanbegovic bisher mit der
Kulturpolitik in Kroatien nichts zu tun hatte. Die im Wahlkampf der
Regierungspartei, der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), für
das Kulturressort vorangestellten Kandidaten dagegen wurden in der neuen
Regierung nicht berücksichtigt.
So haben sich auch Intellektuelle und Künstler aus dem bürgerlichen Milieu
der HDZ den Protesten angeschlossen. Zudem haben Hasanbegovics Äußerungen
zum Antifaschismus und sozialistischen Titoregime die Proteste beflügelt.
## „Bleiburger Ehrenzug“
Zlatan Hasanbegovic hat sich als Mitglied des „Bleiburger Ehrenzuges“
politisch selbst klar rechts positioniert und Partei gegen die
Antifaschisten des Zweiten Weltkrieges bezogen. In der österreichischen
Stadt Bleiburg waren nach der Kapitulation Deutschlands und des
Unabhängigen Kroatischen Staates NDH ( Ustascha-Staat) 1945 Zehntausende
von den Briten internierte Mitglieder der kroatischen Heimwehr und Träger
des Regimes von den Partisanen ermordet worden. Ein Rachakt, der bis heute
nationale Emotionen in Kroatien schürt.
Den multinationalen jugoslawischen Partisanen war es während des Zweiten
Weltkrieges als einziger antifaschistischen Kraft in Europa ohne
militärische Hilfe von aussen gelungen, das Land von der deutschen
Besatzung zu befreien. Die Partisanen vernichteten zudem die
nationalistischen und pro-nazistischen Regime in Kroatien und Serbien.
Vor allem das kroatische Ustascha-Regime hatte große Verbrechen begangen
und 1941 bis 1945 Hunderttausende von Regimegegnern, kroatische und
bosnische Serben, Juden, Roma und Homosexuelle in Konzentrationslagern
ermordet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden unter dem Staatsgründer des
Sozialistischen Jugoslawien, Josip Broz, genannt Tito, viele
Kriegsverbrecher und Funktionsträger aus dem Lager der Nationalisten, der
kroatischen Ustaschen und der serbischen Tschetniks, zu harten Strafen
verurteilt.
## Sieg über die Barbarei
Während das linke Lager wie der bekannte Historiker Slavko Goldstein bis
heute den Sieg des Tito-Regimes gegen die Nazis und Nationalisten und den
späteren Kampf Titos gegen den Stalinismus als einen Sieg über Barbarei und
Totalitarismus interpretiert, sehen Historiker aus dem rechten Lager (den
aus Kroatien stammenden) Tito als Diktator an, der mit der „Phraseologie
des Antifaschismus“ einen Kampf gegen alle national empfindenden Kroaten
geführt habe.
Hasanbegovic ist als Historiker vor allem mit dem Werk „Muslime in Zagreb“
bekannt geworden. Politisch vertritt er die durch den Gründer des
Ustascha-Staates Ante Pavelic propagierte These, die bosnischen Muslime und
die Kroaten seien eine Nation mit unterschiedlichen Religionen.
Dieser Bosnien einschließende Nationalismus verkompliziert jetzt die
politische Lage im rechten Lager Kroatiens. Denn Franjo Tudjman, der
Staatsgründer des von Jugoslawien unabhängigen Kroatiens 1991, war im
Zweiten Weltkrieg selbst Partisanengeneral.
Tudjman versuchte mit der Gründung der Partei HDZ Ende der achtziger Jahre
kroatische Nationalisten und Partisanen miteinander zu versöhnen und so in
die Lage zu kommen, den Unabhängikeitskrieg 1991-95 zu führen.
Die Personalpolitik des jetzigen Parteiführers, Ex-Geheimdienstchef
Tomislav Karamarko, läßt jedoch darauf schließen, dass der bürgerliche und
ehemals antifaschistische Parteiflügel der HDZ an Einfluß verliert. Die HDZ
scheint nach rechts zu rücken. Wie lange angesichts der sich ausweitenden
Proteste der Koalitionspartner in der Regierung die eher bürgerliche neue
Reformpartei „Most“, bei der Stange bleibt, ist offen.
5 Feb 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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