| # taz.de -- Kommentar Parlamentswahl Kroatien: Realismus wird belohnt | |
| > Die Kroaten haben der Ideologisierung des Landes eine Abfuhr erteilt. Nun | |
| > muss die Newcomer-Partei „Most“ ihre Standfestigkeit beweisen. | |
| Bild: Croatia‘s most wanted man im Moment: Bozo Petrov am Wahlabend. | |
| Zwar hatte sich der rechte Block unter Führung des ehemaligen | |
| Geheimdienstchefs Tomislav Karamarko bemüht, mit einem sentimental | |
| stimmungsvollen Wahlkampf in Kroatien die nationalen Gefühle der | |
| Bevölkerung zu wecken und die Reihen im rechten Lager zu schließen. Dass | |
| sein Parteienbündnis unter der Führung der HDZ wieder stärkste Partei im | |
| Lande wurde, ist sicherlich sein Erfolg. Doch die Mehrheit der Wähler hat | |
| der erneuten Ideologisierung des Landes letztlich doch eine Abfuhr erteilt. | |
| Bemerkenswert ist nicht nur, dass die regierenden Sozialdemokraten trotz | |
| ihrer einfallslosen Regierungspolitik fast ein Patt erreicht haben. Dass | |
| die Reformpartei „Most“ (Brücke) auf Anhieb 19 Sitze erringen konnte und | |
| nun Zünglein an der Waage ist, kommt einer Sensation gleich. Denn ihr | |
| Spitzenkandidat Bozo Petrov hat nicht wie die sozialliberale Regierung oder | |
| das rechte Lager haltlose Versprechungen in Bezug auf Arbeitsplätze gemacht | |
| – 500 Arbeitsplätze am Tag die einen oder 100.000 im nächsten Jahr die | |
| anderen. | |
| Im Gegenteil hat Bozo Petrov seine Mitbürger gewarnt: Sein Kurs der | |
| Reformen bedeute schmerzhafte Einschnitte in den bisherigen Besitzstand | |
| vieler. Kroatien müsse seine gesamte staatliche Struktur verändern und | |
| dezentralisieren. Mit der Klientelpolitik müsse Schluss gemacht werden. Und | |
| er hat damit aus dem Stand einen Erfolg errungen. | |
| Die Befürchtung, dass die neue Partei wieder eine Protest-Eintagsfliege | |
| wird, wie schon einige Parteigründungen vorher, ist nicht ganz zu negieren. | |
| Doch das Spitzenpersonal von Most scheint aus härterem Holz geschnitzt als | |
| diese Vorgänger. | |
| Ohne die neue Partei kann keine Regierung gebildet werden. Bei den | |
| Verhandlungen der nächsten Tage wird sich zeigen, welche Standfestigkeit in | |
| ihr steckt. Klar ist aber schon jetzt, dass nationale Gefühlsduselei und | |
| sozialdemokratische Verteilungspolitik auf den Prüfstand kommen werden. | |
| 9 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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