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# taz.de -- Flüchtlingsdebatte in Österreich: Der Charme von Zäunen
> Im österreichischen Spielfeld sorgen Gerüchte über Plünderungen für Panik
> in der Bevölkerung. ÖVP-Politiker stimmen in die Hysterie ein.
Bild: Flüchtlinge warten bei Spielfeld an der österreichisch-slowenischen Gre…
Wien taz | Spielfeld ist das neue Krisenzentrum der großen Fluchtbewegung.
Am Grenzübergang in der Steiermark sind in den vergangenen Tagen an die
20.000 Menschen von Slowenien nach Österreich gekommen, die die Logistik
der Behörden überfordert haben. 2.500 Menschen verbrachten die Nacht auf
Sonntag in beheizten Zelten. Hunderte mussten bei Temperaturen um den
Gefrierprunkt die Nächte im Freien verbringen.
Kurz vor dem Ziel, das für die meisten Germany heißt, werden viele
Flüchtlinge ungeduldig. Sie wollen sich nicht stundenlang anstellen, um
einen Platz im nächsten Bus zu ergattern. Nach zwei Tagen im Auffanglager,
das das Österreichische Rote Kreuz eingerichtet hat, wollen sie weiter.
Deswegen machen sich immer mehr Gruppen entlang der Schienen oder der
Autobahn auf den Weg nach Deutschland. Um den Druck abzubauen, haben die
Behörden inzwischen erlaubt, dass Taxifahrer ihre Dienste anbieten. Für
eine Fahrt zum Grazer Hauptbahnhof kassieren sie 85 Euro, bis Wien
berechnen sie 400, bis Salzburg 600 Euro.
Private Freiwillige, wie sie in Wien und im Burgenland die professionellen
Hilfsorganisationen unterstützt hatten, sind in Spielfeld Mangelware. Die
lokale Bevölkerung reagiert eher mit Panik. Lokale bleiben geschlossen,
Menschen decken sich mit Pfefferspray ein und manche Geschäftsleute tragen
gar einen Colt im Gürtel. Sie sind verunsichert durch Gerüchte, die
offenbar gezielt von rechten Gruppen gestreut werden. Von Plünderungen und
Überfällen auf Supermärkte ist da die Rede. Allerdings ist bei der Polizei
kein einziger Fall von Ladendiebstahl oder gar Plünderung angezeigt worden.
## Politiker in Panik-Stimmung
Die Zuspitzung der Lage in Spielfeld hat auch den politischen Diskurs
verschärft. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat bei einem
Vor-Or-Besuch gefordert: „Wir müssen an einer Festung Europa bauen.“ Dem
Boulevardblatt Kronen Zeitung, das Sonntag alarmistisch mit „Unendlicher
Strom nach Österreich“ aufmachte, vertraute sie an, ein Zaunbau an
Sloweniens Grenze zu Kroatien sei „überlegenswert“. Denn von den 6.500
Flüchtlingen, die derzeit täglich ins Land kämen, dürften nur 4.500 nach
Deutschland weiterreisen.
Auch ihr Parteikollege, Außenminister Sebastian Kurz, hat in mehreren
Interviews den Charme von Grenzzäunen entdeckt. Noch hält die SPÖ dagegen.
Kanzleramtsminister Josef Ostermayer würde den Begriff „Festung Europa“
nicht verwenden, „weil er in einer anderen Zeit auch schon in einem anderen
Kontext verwendet wurde“.
Inhaltliche Kritik übte der Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz: „Die
‚Festung Europa‘ wird schiefgehen. Ein Festungsbau ohne Alternativen heißt
nicht, dass die Menschen nicht mehr nach Europa kommen, sondern es heißt
nur, dass die Situation für die Flüchtlinge noch lebensgefährlicher wird
und mehr Menschen illegal einwandern werden.“ Selten habe er „so viel
Ignoranz erlebt wie aktuell im Innenministerium“.
Die Fetzen fliegen auch zwischen Slowenien und Kroatien. Slowenien fühlt
sich von Kroatien im Stich gelassen. Wärmebildaufnahmen sollen belegen, wie
Menschen von der kroatischen Polizei einfach über die grüne Grenze
geschickt werden. In Zagreb versteht man die Vorwürfe nicht.
Außenministerin Vesna Pusićsieht Kroatien als einziges Land, das die Krise
vernünftig handhabe. Sie schlug gemeinsame Registrierungen während der
zehnstündigen Zugfahrt durch Kroatien vor, was in den überfüllten Zügen
kaum praktikabel sein dürfte. Für den Winter richtet sich Kroatien mit
einem Flüchtlingslager für 5.000 Menschen in Slavonski Brod ein.
26 Oct 2015
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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Österreich
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