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# taz.de -- Stau auf der Westbalkanroute: Flüchtlinge im Regen stehen gelassen
> Deutschland und Österreich versuchen, die Zahl der Grenzübertritte zu
> verringern. Das sorgt für Chaos bei den südlichen Nachbarn.
Bild: Auch Kinder warten im Regen nahe dem kroatisch-slowenischen Grenzübergan…
Wien/Berlin taz | Die Grenzen auf der sogenannten Westbalkanroute geraten
immer mehr in den Fokus der Flüchtlingsbewegungen in Richtung Mitteleuropa.
So mussten zwischen Kroatien und dem slowenischen Ort Središče ob Dravi in
der Nacht zum Montag rund 1.800 Flüchtlinge im Niemandsland zwischen den
beiden Ländern ausharren.
Bei Regen und acht Grad Celsius, ohne Lebensmittel und medizinische
Versorgung wurden die Flüchtlinge so zum Spielball der widerstreitenden
Interessen der Transitstaaten. Während Kroatien offiziell erklärt, dass
Slowenien für eine reibungslose Durchreise etwa 5.000 Menschen pro Tag
aufnehmen müsse, ist der nördliche Nachbar lediglich bereit, 2.500
Geflüchtete einreisen zu lassen.
Barbora Černušáková von Amnesty International beschreibt die Situation als
außerordentlich dramatisch: „Unter den zwischen den Kontrollpunkten im
Freien gefangenen Menschen waren auch Kinder und Säuglinge. Ihr einziger
Wetterschutz sind Regenmäntel, die ihnen in Kroatien gegeben worden waren.“
An der Grenze zwischen Kroatien und Serbien spitzt sich die Situation
derweil ebenfalls zu. Dort reisen täglich über 5.000 Menschen ein.
Zeitweise stauen sich über 50 Busse mit Flüchtlingen im serbischen Šid. Am
Montag Abend dann öffnete Kroatien überraschend den nahe gelegenen
Grenzübergang Berkasovo. Daraufhin hätten Tausende die Grenze überquert,
teilte das UN-Flüchtlingshilfswerks mit. Weiter südlich auf der Route
sollen sich am Wochenende innerhalb von 24 Stunden mehr als 10.000 Menschen
auf den Weg zur mazedonisch-serbischen Grenze gemacht haben.
## Wien dementiert Quoten
Weniger stark ist der Druck derzeit im Norden. Während von slowenischer
Seite wiederholt berichtet wird, dass Österreich darauf bestehe, nicht mehr
als 1.500 Flüchtlinge pro Tag einreisen zu lassen und die Grenzübergänge am
Sonntag Abend zeitweise gänzlich für Flüchtlinge gesperrt waren, dementiert
das Wiener Innenministerium solche Quoten.
Am Wochenende sind über Spielfeld und Bad Radkersburg 3.000 Flüchtlinge
nach Österreich eingereist, Montag vormittag kamen weitere 550. Für den
Nachmittag wurden nochmals 400 Menschen erwartet. Keine Flüchtlinge
überqueren derzeit die Grenze zu Ungarn bei Nickelsdorf, wo in den
vergangenen Wochen das wichtigste Auffanglager war. Fritz Grundnig von der
Landespolizeidirektion Steiermark hat den Eindruck, dass die Flüchtlinge in
Slowenien schon gut versorgt werden: „Es kommen keine mehr nur mit Sandalen
oder kurzen Hosen.“
Ankömmlinge werden in Österreich zunächst polizeilich registriert. Dann
kommen sie in einen Bereich, der vom Roten Kreuz betreut wird. Hier können
sie 24 bis 48 Stunden bleiben, um sich von den Strapazen der Reise zu
erholen, so Valentin Krause vom Roten Kreuz. Es gibt Nahrungsmittel,
Getränke und medizinische Grundversorgung. Die Caritas sorgt für
Dolmetscher, Sachspenden und koordiniert die freiwilligen Helfer.
Anschließend werden die Flüchtlinge per Bus zum Bahnhof gebracht. Von dort
geht es dann mit Sonder- oder Regelzügen in Unterkünfte, derzeit vor allem
in Oberösterreich.
Die Übergangsquartiere, die in Kärnten und der Steiermark eröffnet wurden
sind derzeit nicht ausgelastet. Probleme gibt es aber in Salzburg. Dort war
am Sonntag das Transitquartier mit 1537 Menschen überbelegt. Das liegt
daran, dass Deutschland die Aufnahme gedrosselt hat. Bei
Salzburg/Freilassing werden nur 30 Flüchtlinge stündlich hereingelassen,
bei Passau 130.
## Kontrollen zwischen Slowenien und Österreich
Diese Drosselung der Zahl der Grenzübertritte wirkt bis nach Kroatien
zurück. Die Botschafterin Sloweniens in Berlin, Marta Kos Marko erklärte
hierzu gegenüber der taz: „Ausschlaggebend für uns ist jetzt, was
Deutschland als nächstes tut.“ In der ohnehin angespannten Lage beklagt die
slowenische Innenministerin Vesna Györkös Žnidar außerdem, dass Kroatien am
Montag jede Koordination mit Slowenien auf der operativen Ebene eingestellt
hat.
Auch in Österreich wird an der Grenze zu Slowenien wieder kontrolliert.
Zunächst nur beim Karawankentunnel und am Loiblpass, wo 60 Polizisten und
200 Soldaten im Einsatz sind. Seit Samstagabend gibt es auch Kontrollen an
den Übergängen Seebergsattel, Lavamünd, Grablach bei Bleiburg und
Wurzenpass. Von diesen Kontrollen haben sich die Flüchtenden aber genauso
wenig aufhalten lassen, wie von den starken Regenfällen.
Etwa fünf Prozent der Flüchtlinge, die österreichischen Boden betreten,
stellen dort auch einen Asylantrag. Die Anerkennungsquote von Syrern liegt
nach Auskunft des Innenministeriums bei 90 Prozent. Gleichzeitig wird auch
die Dublin-Regel weiterhin angewandt. Das heißt, es werden Menschen
zurückgeschoben – sogar nach Ungarn, wo die Zustände in den Lagern
notorisch schlecht sind.
Finanzminister Hansjörg Schelling hat vergangene Woche dem Innenministerium
zusätzliche 230 Millionen Euro für Flüchtlingsbetreuung genehmigt.
19 Oct 2015
## AUTOREN
Ralf Leonhard
Daniél Kretschmar
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