| # taz.de -- Roma protestieren in Hamburg: Keinen Schritt zurück | |
| > In Hamburg demonstrieren Roma für ein Bleiberecht – selbstorganisiert und | |
| > jedem Trend deutscher Abschiebepolitik zum Trotz. | |
| Bild: Isen Asanovski und andere Roma demonstrierten bereits vergangene Woche vo… | |
| HAMBURG taz | Zu bleiben. Ein Recht zu haben, in Deutschland zu leben, wo | |
| es sicherer ist als auf dem Balkan – das fordert die neue Gruppe der | |
| „[1][Vereinigten Roma in Hamburg]“. Doch sie wollen mehr, als eine | |
| Asyl-Anerkennung: Sie stützen ihre Bleiberechts-Forderung auf die | |
| historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Sinti und Roma. | |
| Eine Woche lang standen erst fünfzig, dann achtzig, dann hundert Roma und | |
| ihre UnterstützerInnen vor der Hamburger Ausländerbehörde, riefen den | |
| MitarbeiterInnen durchs Megafon Parolen zu, hielten Transparente: „Alle | |
| Roma bleiben hier“. Sie aßen zu Mittag, wenn die Beamten in der Behörde zu | |
| Tisch gingen, und pausierten, wenn mittwochs geschlossen war. Tags darauf | |
| standen sie wieder dort. Am Samstag soll es nun eine große Demo im | |
| Hamburger Schanzenviertel geben. | |
| Dass Roma selbstorganisiert auf die Straße gehen, ist keine | |
| Selbstverständlichkeit. Viele aus der Gruppe sprechen nur wenig Deutsch, | |
| nicht alle können schreiben oder haben einen Internetzugang. In ihrer | |
| prekären Situation, in der die Abschiebung kurz bevorsteht, kostet es | |
| Kraft, sich zu organisieren. Auch die Angst spielt eine Rolle, dass sich | |
| eine politische Betätigung negativ auswirkt. Für die Demo bekommt sie nun | |
| Unterstützung von dem Hamburger Bündnis „[2][Recht auf Stadt – Never mind | |
| the Papers]“ und dem bundesweiten Netzwerk „[3][Alle bleiben]“. | |
| Angestoßen hat den Protest Isen Asanovski. Er kommt aus Mazedonien. In den | |
| vergangenen Wochen fuhr er mit anderen in die Hamburger Stadtteile | |
| Wilhelmsburg, Stellingen oder Billstedt, „überall dorthin, wo es | |
| Flüchtlingsheime gibt“. Er suchte Roma, um sie zu überzeugen, sich nicht | |
| mehr nur vereinzelt zu wehren. „Erst hatten die Leute Angst, dass wir nicht | |
| ernst genommen würden“, sagt Asanovski, „aber dann waren sie begeistert.“ | |
| Es ist nicht das erste Mal, dass Roma für ein Bleiberecht demonstrieren und | |
| auf die deutsche Verantwortung verweisen: 1979 gab es eine Aktion in | |
| Bergen-Belsen, 1986 auf dem Hamburger Rathausmarkt, [4][1989 und 1993] | |
| besetzten Roma die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Und zigfach auf Kundgebungen | |
| in den Jahren danach. Geändert hat sich bis heute wenig. | |
| Anders als in der deutschen Mehrheitsbevölkerung, ist unter den Roma die | |
| Erinnerung an die [5][Vernichtung im Nationalsozialismus] bis heute | |
| präsent: In fast jeder Familie gibt es Verwandte, die von den Nazis auch | |
| aus jugoslawischem Gebiet als Zwangsarbeiter verschleppt oder im KZ | |
| ermordet wurden. | |
| Dass Roma in Südosteuropa auch heute noch aus Vierteln vertrieben oder von | |
| Neonazis und Nachbarn angegriffen werden und der Grund für ihre Armut in | |
| der langen Tradition des Antiziganismus liegt – all das wird in Deutschland | |
| nicht gehört. Mehr noch, es wird aktiv ignoriert: Um die Zahlen der | |
| Flüchtlinge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu verringern, | |
| wurde im November 2014 kurzerhand festgelegt, dass es dort keine | |
| rassistische Verfolgung gebe – auch nicht von Roma. Die Länder wurden als | |
| „sicher“ eingestuft, Anträge auf Asyl fortan als „offensichtlich | |
| unbegründet“ abgelehnt. | |
| Das Gesetz hat in Form gegossen, was das Volk schon zu wissen glaubte: Dass | |
| es wenige berechtigte Flüchtlinge, etwa aus Syrien gäbe und andere, wie die | |
| Roma, das Asylrecht missbrauchten. Die einen sollen Ärzte sein, die anderen | |
| kann Deutschland nicht gebrauchen. | |
| Um als Politiker auf die GegnerInnen von Flüchtlingsheimen zu reagieren, | |
| ist es praktisch, dieses Ressentiment zu bemühen: Erst am Freitag sagte | |
| Hamburgs [6][Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dem Abendblatt], dass Serbien, | |
| Albanien und Kosovo einen EU-Beitritt anstrebten, und „aus solchen Ländern | |
| kann es keine Flüchtlinge geben, sonst dürften sie nicht in die EU“, so | |
| Scholz, der Meister des Zirkelschlusses. 20 neue Beamte bekommt die | |
| Hamburger Ausländerbehörde, um Abschiebungen zu beschleunigen. „Wir werden | |
| verstärkt daran arbeiten“, so Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), „dass die | |
| ausreisepflichtigen Asylbewerber auch tatsächlich ausreisen.“ Wer gemeint | |
| ist? Die „schlecht qualifizierten Flüchtlinge, die meistens aus den | |
| West-Balkan-Staaten kommen“. Also vor allem: Roma. | |
| Demo „Alle Roma bleiben hier!“: Sa., 18. Juli, 12 Uhr, Hamburg, Beim Grünen | |
| Jäger | |
| 17 Jul 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://romas-in-hamburg.blogspot.de/ | |
| [2] http://nevermindthepapers.noblogs.org/ | |
| [3] http://www.alle-bleiben.info/ | |
| [4] http://www.youtube.com/watch?v=Hr4gxlIvXn0 | |
| [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Porajmos | |
| [6] http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article205481125/Scholz-Die-Akz… | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
| Katharina Schipkowski | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Demo | |
| Sinti und Roma | |
| Roma | |
| SPD Hamburg | |
| Lampedusa in Hamburg | |
| Zentralrat Deutscher Sinti und Roma | |
| Detlef Scheele | |
| Flüchtlinge | |
| Balkan | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Detlef Scheele | |
| Rechtsextremismus | |
| Zentralrat Deutscher Sinti und Roma | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Abschiebung | |
| Flüchtlinge | |
| Abschiebung | |
| Flüchtlinge | |
| Asylsuchende | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Wilhelmsburg | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Demos | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flüchtlinge im Michel: Der organisierte Hilferuf | |
| Eine Gruppe von Roma sucht Kirchenasyl im Hamburger Michel, um der | |
| Abschiebung zu entgehen. Bis Sonntag wird sie in der Kirche geduldet. | |
| Spekulationen um Nachfolge: Tschüss Herr Scheele – und dann? | |
| In zwölf Tagen endet die Amtszeit von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). | |
| Seine Nachfolgerin bleibt noch geheim. | |
| Umgang mit Balkan-Flüchtlingen: Defensiver Aktionsplan | |
| Die beschleunigte Bearbeitung von Asylanträgen betrifft auch | |
| Balkan-Flüchtlinge in Bremen. Weitere „Sonderbehandlungen“ soll es jedoch | |
| nicht geben. | |
| Abschiebung von Balkan-Flüchtlingen: Brüder im Geiste der Abschiebung | |
| Das rot-grün regierte Hamburg plant Aufnahme- und Abschiebelager für | |
| Balkan-Flüchtlinge. Die Grünen wittern Koalitionsbruch. | |
| Münchner Pinakothek der Moderne: Kamindekoration für den Führer | |
| Wie politisch sind nackte Frauen? „GegenKunst“ in der Münchner Pinakothek | |
| der Moderne konfrontiert Nazikunst mit „entarteter“ Malerei. | |
| HSV-Parkplatz und Flüchtlinge: Das Schweigen am Zaun | |
| Der Hamburger Senat streitet mit dem Hamburger Sportverein um einen | |
| Parkplatz. Es geht darum, wo Flüchtlinge leben dürfen. | |
| Kommentar zur Abschiedstour eines Sozialsenators: Wie es alte Männer tun | |
| Politikertypen wie Detlef Scheele wird zugutegehalten, sie seien ehrlich, | |
| immerhin. Ein borniertes Argument, solange man Politik am Handeln bemisst. | |
| Kommentar Attackierte Flüchtlingsheime: Eine übergreifende Strategie | |
| In der letzten Zeit wurden vermehrt Anschläge auf geplante Unterkünfte für | |
| Asylsuchende verübt. Die rechte Szene feiert den Hass. | |
| Hilferuf der Roma: Angst vor der Zukunft | |
| Bunte Demonstration fordert Bleiberecht für Roma und keine „Rückführungen�… | |
| in sogenannte „sichere Herkunftsländer“. | |
| Drohende Abschiebung nach Mazedonien: Der Traum vom Bleiben | |
| Gamze B. hat ihren Schulabschluss an einer Hamburger Schule gemacht, eine | |
| Lehrstelle hat sie auch. Doch die Familie ist von Abschiebung bedroht. | |
| Abschreckung in der Erstaufnahme: Endstation hinterm Zaun | |
| In Bramsche-Hesepe bei Osnabrück sitzen zahlreiche Kosovo-Albaner bis zu | |
| ihrer Abschiebung fest – Alban Megjuani ist seit April dort. Für ihn fühlt | |
| es sich an wie ein Gefängnis. | |
| Kommentar Asylrecht und Abschiebung: Vor uns seid ihr nicht sicher | |
| Deutschland muss im Asylkonflikt eine andere Antwort geben als in den | |
| 90ern. Aber der Gesetzesvorschlag ist eine Kapitulationserklärung. | |
| Neues Bleibe- und Abschieberecht: Schneller und mehr ausweisen | |
| Der Bundestag beschließt Änderungen im Bleibe- und Abschieberecht. Der | |
| Bundesgerichtshof hatte Neuregelungen gefordert. | |
| Die Streitfrage: Brauchen wir diesen Gedenktag? | |
| Erstmals gibt es einen nationalen Gedenktag zu Flucht und Vertreibung. | |
| Selbst manche Vertriebene halten das nicht für sinnvoll. | |
| Albaner in Deutschland: Gekommen, um zu bleiben | |
| Viele Albaner suchen in Deutschland ein gutes Leben. Sie beantragen hier | |
| Asyl. Aber das ist sinnlos, weil Albanien als sicher gilt. | |
| Bericht zu Ungarn: Europarat kritisiert rassistische Hetze | |
| In einem Bericht wird Ungarns Umgang mit Flüchtlingen und Roma getadelt. | |
| Zudem beschränke sich öffentliche rassistische Hetze nicht auf das | |
| rechtsextreme Spektrum. | |
| Debatte Antiziganismus: Wir sind keine Fremden | |
| 70 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus sind die Ressentiments | |
| gegen Roma und Sinti enorm. Das lässt sich ändern. | |
| Theater beim Gipsy-Festival: "Wir spielen keine Sinti" | |
| Im Stück „Im Herzen von Hamburg“ setzt sich die freie Gruppe „Theater am | |
| Strom“ gemeinsam mit Wilhelmsburger Schülern mit dem Verhältnis der Stadt | |
| zu ihrer Sinti-Bevölkerung auseinander. | |
| Aus Le Monde diplomatique: Roma – Spielball im Staate Erdogan | |
| Der Präsident nutzt die Roma, um die EU zu besänftigen. Doch sie werden als | |
| Diebe, Drogenhändler, Gewalttäter diskriminiert. | |
| Ticker 1. Mai – der Tag: Hamburg macht mal wieder Schule | |
| In Dortmund und Rostock treffen Neonazis und Antifas aufeinander. In | |
| Hamburg bleibt eine leere Lehranstalt besetzt. In Berlin fängt‘s an zu | |
| regnen. Das war der Tag. |