# taz.de -- Debatte U-Ausschuss zur NSA-Affäre: Der BND muss liefern | |
> Der Bundestagsausschuss zum NSA-Skandal wird sich schwertun. Trotzdem | |
> lohnt die Arbeit – für die Debatte im Inland. | |
Bild: Wer forscht hier was aus? | |
Er wird jetzt wohl kommen, der parlamentarische Untersuchungsausschuss des | |
Bundestages zur Aufklärung der NSA-Affäre. Zwar verfügen die Grünen und die | |
Linkspartei als Opposition nicht über genug Mandate, um einen solchen | |
Ausschuss beantragen zu können. Nachdem nun aber auch SPD und Union | |
zustimmen wollen, dürfte der Weg frei sein für eine Untersuchung, was denn | |
der mächtige US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) unter | |
anderem in Deutschland alles überwachte, belauschte und ausspähte. Es steht | |
ein zähes, aber lohnenswertes Unterfangen bevor. | |
Doch wer wird dem Ausschuss Rede und Antwort stehen? Die Verantwortlichen | |
aus der Spitze der NSA werden es schon einmal nicht sein. Dass diese sich | |
keiner Befragung stellen, erlebte jüngst eine von der EU zusammengestellte | |
Delegation. Ihr wurden bei einer Diskussion in Washington, die sich um die | |
europäischen Sorgen rund um das NSA-Überwachungsprogramm drehte, Fragen zum | |
US-Geheimdienst schlicht untersagt. Das geht aus einem Dokument des Rats | |
hervor. Und als ob das nicht reichte, wurde von US-amerikanischen Seite in | |
Aussicht gestellt, Fragen zur NSA mit Fragen zu den europäischen Diensten | |
zu kontern. | |
Und damit wären wir auf dem Feld, auf dem sich ein Ausschuss durchaus | |
Verdienste erwerben kann. Er müsste nur das Geflecht der internen | |
Absprachen zwischen den verschiedenen Nachrichtendiensten aufgreifen – und | |
wenigstens der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) kann sich einer | |
Befragung durch ein Gremium des Bundestages schwer entziehen. | |
Die zu klärenden Fragen sind: Wie eng ist die Zusammenarbeit des BND mit | |
der NSA? Belauscht der US-Dienst tatsächlich flächendeckend die | |
elektronische Kommunikation von Millionen von Menschen? Gibt es eine | |
geheime Vereinbarung, wonach der Bundesnachrichtendienst für den US-Partner | |
diese Daten erhebt und zur Verfügung stellt? Ist es zutreffend, wie die vom | |
Whistleblower Edward Snowden offengelegten geheimen Berichte nahelegen, | |
dass auch deutsche Geheimdienste auf Analyseprogramme der NSA wie | |
„Xkeyscore“ oder „Prism“ für die eigene Arbeit zurückgreifen, und wie | |
werden die Erkenntnisse untereinander geteilt? | |
## Was wussten die deutschen Behörden? | |
Politisch wird im Zentrum stehen: Was wussten deutsche Behörden – und vor | |
allem, was wussten die zuständigen Minister und Staatssekretäre über die | |
Spionagetätigkeit der NSA und seines britischen Pendants GKHQ. Erinnert sei | |
daran, wie im Sommer des vergangenen Jahres nach den Snowden-Enthüllungen | |
beispielsweise der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrichs und der | |
Kanzleramtschef Ronald Pofalla aufgeregt nach Washington eilten, um nur | |
wenig später zu verkünden, von einem Skandal könne keine Rede sein, die | |
Berichte seien von den Medien aufgebauschte Horrorgeschichten. Erst als | |
bekannt wurde, dass auch das Parteihandy der Bundeskanzlerin im Visier der | |
NSA war, läutete Angela Merkel mit einem öffentlichkeitswirksamen | |
Protestanruf bei US-Präsident Obama die Kehrtwende ein. | |
Werden Friedrich und Pofalla vor den Ausschuss geladen, stehen beide vor | |
einer unglücklichen Alternative. Entweder räumen sie ein, wie unwissende | |
Schuljungs von den Amerikanern bei ihren Besuchen in Washington vorgeführt | |
worden zu sein. Oder sie müssten eingestehen, wider besseren Wissens das | |
Ausmaß und die Intensität der US-Spionagetätigkeit heruntergespielt zu | |
haben, möglicherweise sogar im Wissen darum, dass die eigenen Dienste zu | |
Hause gar nicht so sehr anders arbeiten. | |
Und dieser Verdacht liegt nahe. Ein Untersuchungsbericht des | |
Europaparlaments übt nicht nur massive Kritik an den Ausspähaktionen der | |
NSA. Im Entwurf des Reports des Justizausschusses vom 23. Dezember 2013 | |
heißt es, wahrscheinlich gebe es außer in Großbritannien auch in | |
Deutschland, Frankreich und Schweden „Programme ähnlicher Art“ wie jene der | |
NSA. Die Abgeordneten forderten in dem Papier die Länder wie | |
Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Schweden und die Niederlande auf, | |
die nationale Gesetzgebung und Praktiken der Geheimdienste zu ändern. | |
## Steinmeiers Blockade | |
Vor einem Untersuchungsausschuss müssen die Spitzen der deutschen | |
Sicherheitsbehörden aber auch erklären, warum das von ihnen als Reaktion | |
auf die Spähaffäre so favorisierte „No-Spy-Abkommen“ mit den USA nicht | |
zustande kommt. Entsprechende Verhandlungen zwischen Vertretern deutscher | |
und amerikanischer Behörden sind in diesen Tagen gescheitert. | |
Aus Angst, ein solches Abkommen könnte beispielgebend sein, sind die | |
US-Verantwortlichen davon abgerückt, den Deutschen konkrete Zusagen über | |
eine Zurückhaltung oder Einstellung bei der Überwachung deutscher Bürger | |
oder Politiker geben zu wollen. Soweit bisher bekannt, soll der | |
US-Nachrichtendienst in aller Welt die Regierungschefs von mindestens 33 | |
Ländern überwachen oder überwacht haben. Kein Wunder, dass mehrere Staaten | |
auf die Idee kamen, in Washington um ein ähnliches Abkommen nachzufragen. | |
Ein Erfolg des Ausschusses wird sich am Ende daran messen müssen, wie weit | |
er die trübe Welt der Spionage ein wenig aufhellen kann. Dass ihm vielfach | |
dabei die Arme gebunden sein werden, weil er etwa die Zuständigen im | |
Ausland nicht vorladen kann, ist absehbar. Auch dürften die heutigen | |
Regierungsparteien von Union und SPD nicht übermotiviert sein, die eigene | |
Politik der vergangenen Jahre in ein allzu schlechtes Licht zu rücken | |
(immerhin war Außenminister Steinmeier auch einmal als Kanzleramtsminister | |
für die Geheimdienste zuständig). Die Ausschussarbeit lohnt dennoch. | |
Die Mitglieder dieser parlamentarischen Untersuchung sollten demonstrieren, | |
dass sie sich gegen eine massenhafte Datenschleppnetzfahndung einsetzen. | |
Dazu müssten sie nur den Whistleblower und früheren NSA-Kontraktarbeiter | |
Edward Snowden als Zeugen laden. Die Vertreter der Opposition werden die | |
Ladung Snowdens im Ausschuss fordern. Wie sich SPD und CDU dann dazu | |
verhalten, wird zeigen, wie weit der Aufklärungswille der Große Koalition | |
tatsächlich reicht. | |
20 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Gast | |
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