# taz.de -- Edward Snowden im Livechat: „Ich lasse mich nicht einschüchtern�… | |
> Er würde gerne nach Hause, das gehe aber nicht. Die Drohungen aus dem | |
> Pentagon findet er bedenklich – für alle. Edward Snowden im öffentlichen | |
> Livechat. | |
Bild: Zum zweiten Mal nominiert: Edward Snowden. | |
BERLIN taz | „Mir ist klar, dass mein Leben bedroht wird, aber ich lasse | |
mich nicht einschüchtern. Wenn man das Richtige tut, bereut man es nicht,“ | |
antwortete Edward Snowden am Donnerstagabend in einem [1][öffentlichen | |
Livechat] auf die Frage, ob er Angst um sein Leben hätte. Die Frage war | |
wohl eine Anspielung auf vorangegangene Berichte: Unter anderem ein | |
Pentagon-Beamter soll gesagt haben, er würde Snowden gerne [2][eine Kugel | |
verpassen]. | |
Die Drohungen würden ihn beunruhigen, aber nicht aus den offensichtlichen | |
Gründen. Sondern weil „Regierungsmitglieder sich so auf ihre Autorität | |
verlassen, dass sie Reportern offen erzählen, dass der 5. Zusatzartikel der | |
Verfassung, der die Rechte eines Angeklagten sichern soll, ein überholtes | |
Konzept ist – das sollte uns alle stören.“ Denn es seien die gleichen | |
Menschen, die sagen, dass sie das Recht auf Meinungsfreiheit, | |
Religionsfreiheit, Pressefreiheit oder das Recht auf Schutz vor Übergriffen | |
des Staates anerkennen würden. | |
Edward Snowden sollte eine Stunde lang Fragen, die auf Twitter mit dem | |
Hashtag [3][#AskSnowden] gestellt wurden, beantworten. Am Ende dauerte der | |
Chat fast zwei Stunden, Twitter wurde mit Fragen überhäuft, die Zeit | |
reichte nur um einige davon zu beantworten. | |
## „Datenbanken des Verderbens“ | |
Einer der Twitternutzer fragte, was die schlimmste und gleichzeitig | |
realistischste Bedrohung, die von der Massenüberwachung ausgeht, sein | |
könnte. Snowden brachte es mit einem Satz auf den Punkt: „Du weißt | |
vielleicht nicht mehr, wo du am 12. Juni 2009 zu Abend gegessen hast, aber | |
die Regierung weiß es.“ | |
Bedenklich seien die permanenten Aufzeichnungen, die über Jahre angelegt | |
werden, auch wenn man nichts falsch gemacht habe. Die Macht dieser | |
Aufzeichnungen dürfe man nicht unterschätzen, sagt Snowden und beruft sich | |
auf Forscher, die bei diesen Ansammlungen von „Datenbanken des Verderbens“ | |
sprechen. Denn hier wären auch über die unschuldigsten Individuen | |
schädigende und peinliche Details zu finden. Die Überwachung könnte auch | |
unseren Alltag beeinflussen, denn Menschen würden sich anders verhalten, | |
wenn sie beobachtet werden. | |
Zur Rede von US-Präsident Obama [4][über die NSA-Affäre], sagte Snowden, | |
dass er den gewählten Zeitpunkt interessant fand. Immerhin hätte man davor | |
wiederholt betont, dass die Programme nicht missbräuchlich verwendet | |
werden. Mit der Massentelefonüberwachung hätte die US-Regierung aber 120 | |
Millionen Mal die Verfassung verletzt, ohne einen einzigen Komplott | |
aufzudecken. „Es gibt einfach keine Rechtfertigung ein Programm | |
weiterzuführen, dass eine nullprozentige Erfolgsquote hat“, fügt Snowden | |
hinzu. | |
## Niemand war bereit die Freiheit zu riskieren | |
Nach Hause würde er gerne, aber das Whistleblower-Schutzgesetz der USA hält | |
er für lückenhaft. Es biete nicht genug Schutz – gerade als würde man die | |
Menschen davon abschrecken wollen, Fehlverhalten zu melden. „Es wurde auch | |
nicht weitläufig darüber berichtet, dass diese Gesetze nicht für Menschen | |
gelten, die im Bereich der Nationalen Sicherheit arbeiten.“ Snowden | |
erklärt, dass er keine große Wahl hatte. Hätte er das, was er über | |
verfassungswidrige aber geheime Programme wusste, dem Kongress vorgetragen, | |
dann hätte man ihn wegen einer Straftat verurteilen können. | |
Er habe damals trotz der misslichen Lage enormen Aufwand betrieben „um | |
diese Programme bei Arbeitskollegen, Vorgesetzten und jedem, der über eine | |
entsprechende Sicherheitsfreigabe verfügte und zuhören würde, zu melden.“ | |
Die Reaktionen hätten von tief besorgt bis entsetzt gereicht, aber keiner | |
von ihnen war dazu bereit Job, Familie und möglicherweise die eigene | |
Freiheit zu riskieren. Die Schuld sieht er beim System: „Hätte es einen | |
anderen Weg gegeben, hätte ich vielleicht nicht so viel aufs Spiel setzen | |
müssen, um etwas zu tun, das anscheinend inzwischen sogar der Präsident für | |
notwendig hält.“ | |
Barack Obama erwähnte in seiner Rede auch, dass Whistleblower Agenten und | |
Missionen gefährden würden. Snowden ist sich keiner Schuld bewusst und | |
weist Berichte zurück: „Bei allem Respekt für Mark Hosenball, der | |
[5][Bericht von Reuters] war falsch. Ich habe nie Passwörter gestohlen, und | |
auch keine Armee von Kollegen ausgetrickst.“ | |
## Nicht jede Spionage ist schlecht | |
Snowden relativiert in seinen Antworten aber auch. Die Beamten der | |
Geheimdiensten seien nicht grundsätzlich schlecht und hinter der | |
Bevölkerung her, sie seien Menschen die versuchen das Richtige zu tun und | |
hätten seiner Erfahrung nach ähnliche Bedenken gehabt wie er. Man müsse | |
aber die im Auge behalten, die weiter oben sitzen und solche | |
Überwachungsprogramme erst ermöglichen. | |
Er denke auch nicht, dass jede Spionage schlecht sei. Aber „eine Person | |
sollte in der Lage sein zu telefonieren, einzukaufen, Nachrichten und | |
Emails zu schreiben oder eine Webseite zu besuchen, ohne sich dabei | |
Gedanken machen zu müssen, wie das in der Akte aussieht“, sagt er. Wenn die | |
USA den 4. Zusatzartikel der Verfassung, also das Recht, sich vor | |
staatlichen Übergriffen zu schützen, außer Kraft setzen kann, werde auch | |
jeder zweitklassige Diktator, der willkürliche Überwachung einsetzt, | |
immunisiert. Es müssten globale Lösungen und Sicherheitsstandards | |
eingeführt werden. | |
Für die Massenüberwachung gibt es in Snowdens Augen keinerlei | |
Rechtfertigung. Die NSA habe Mittel um eine gezielte Überwachung | |
durchzuführen, ohne dabei die komplette Bevölkerung miteinzubeziehen. „Wenn | |
wir es schaffen, jedes Gerät auf der Welt zu überwachen – bis hin zu Angela | |
Merkels Telefon, wenn man den Berichten denn Glauben schenkt – dann gibt es | |
keine Entschuldigung dafür, die Telefonprotokolle von Großmüttern aus | |
Missouri zu sammeln.“ | |
24 Jan 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://freesnowden.is/asksnowden.html | |
[2] http://www.buzzfeed.com/bennyjohnson/americas-spies-want-edward-snowden-dead | |
[3] http://twitter.com/search?q=%23asksnowden&src=typd | |
[4] /Kommentar-Obamas-NSA-Rede/!131243/ | |
[5] http://www.reuters.com/article/2013/11/25/us-usa-security-doomsday-idUSBRE9… | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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