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# taz.de -- Konferenz zu Überwachung im Netz: Schattennetze bilden!
> Hat sich mit Edward Snowden der Blick auf das Internet verändert? Auf
> einer Konferenz in Berlin wird über Teilhabe und Überwachung im Netz
> debattiert.
Bild: Überwachung überall: Orwells Fiktion bildet bis heute die Grundlage fü…
Wenn es nach Bruce Sterling ginge, wäre Deutschland die Avantgarde gegen
Überwachung und digitale Kontrolle, die treibende Kraft bei der Entwicklung
eines dezentralen und anonymisierten Schattennetzes, die Vorhut einer neuen
Welle der Aufklärung. In Deutschland schließlich habe man Erfahrung damit,
ein System, das auf Überwachung gründet, zu überwinden. „Denkt ihr, 1989
wurde in Brüssel beschlossen?“, redete sich der Science-Fiction-Autor in
Rage. „Wie oft wollt ihr euch noch bespitzeln lassen?“
Bevor er letzten Samstag [1][vom Podium in der Berliner Volksbühne] abtrat,
rief er den rund 300 Zuhörern zu: „Was werdet ihr also tun?“ Statt aber die
Revolution auf die Straßen zu tragen, klatschten die Anwesenden nur
euphorisch und checkten dann, auf dem Weg nach draußen, was es Neues auf
Facebook gab.
Es ist kaum ein halbes Jahr her, dass Edward Snowden uns das Ausmaß der
Überwachung durch die NSA vor Augen führte und das Fundament unseres
Zusammenlebens erschütterte. „Was uns jetzt scheinbar überrascht, war lange
bekannt“, sagte Hortensia Völckers von der Kulturstiftung des Bundes
bereits zu Beginn von „Einbruch der Dunkelheit“, einer internationalen
Konferenz zur „Theorie und Praxis der Selbstermächtigung in Zeiten
digitaler Kontrolle“. Versucht wurde, die bisherigen Diskussionen um
Überwachung auf eine breitere Basis zu stellen.
## Darth, Bunz und Weisband
In Diskussionen, szenischen Lesungen und Performances trafen sich
Philosophen, Künstler, Sozialwissenschaftler und Programmierer. Auf den
Podien saßen Persönlichkeiten wie Jacob Appelbaum, Dietmar Dath, Mercedes
Bunz, Federico Ferrari oder Marina Weisband. Oft war von den eigenen
Versäumnissen zu hören und von der Enttäuschung darüber, dass das
Versprechen auf Teilhabe, die das Internet einst gab, sich nicht in Gänze
erfüllt habe.
Aber wie kämpft man gegen Überwachung, wo wir doch Teil des Systems sind,
und als User freiwillig mit Unternehmen kooperieren, die unsere Daten
weiterreichen. Jan Philipp Albrecht, Abgeordneter der Grünen im
Europaparlament, verglich die rapiden technischen Neuerungen der
vergangenen Jahre mit der industriellen Revolution. Im 18. Jahrhundert
wurden fundamentale Kämpfe um Souveränität und Mitbestimmung ausgefochten –
im 21. Jahrhundert aber sei dieser Kampf vergessen worden. „Wir müssen das
Recht an unseren persönlichen Daten zurückgewinnen“, forderte Albrecht und
machte die Eigentumsfrage zum Kern der Debatte.
Doch was, wenn die von uns erzeugten Daten tatsächlich uns gehörten? „Wir
bekämen sofort ein Angebot von Google, Facebook oder der NSA“, antwortet
der weißrussisch-amerikanische Publizist Evgeny Morozov pessimistisch.
Schließlich haben nicht zuletzt Snowdens Enthüllungen gezeigt, dass Silicon
Valley die Infrastruktur für den komplexen Überwachungsapparat liefert. Der
Staat hat sein Monopol auf Daten über die Bevölkerung an die Unternehmen
abgetreten.
Wie also sehen emanzipatorische Gegenstrategien aus? Und bedeuten neue
private Schutzräume nicht immer auch einen Verlust an Transparenz? Der
Soziologe Urs Stäheli denkt seit Jahren über Strategien der Ent-Netzung
nach. Stäheli ist auf der Suche nach einer Sprache, die uns von der Pflicht
zur Vernetzung löst. Denn seit Luc Boltanski und Ève Chiapello wissen wir,
dass die Fähigkeit, sich zu vernetzen, ein Imperativ des Kapitalismus ist.
Um Löcher in das enge Netz der Abrufbarkeit zu schneiden, schlägt der
Soziologe einen langen Prozess vor, der die temporäre Anschlusslosigkeit
und ihr kreatives Potenzial überhaupt erst denkbar macht.
## Politik der Repräsentation
Die Suche nach Taktiken der Vernetzung, die über eine Politik der
Repräsentation hinausgehen und dem Individuum die Möglichkeit gibt, im
Netzwerk zu verschwinden, treibt viele um – nicht nur das Hacker-Netzwerk
Anonymus hat es zu seinem Prinzip erklärt.
An diesem Punkt setzen auch der Philosoph Volker Gerhardt und der Blogger
Jens Best in ihrem Streitgespräch zur „unvermeidlichen Öffentlichkeit des
Subjekts“ an. Best, vehementer Fürsprecher von Google-Streetview, sieht den
Einzelnen in der Verantwortung, seine Privatheit herzustellen. Mit dem
Satz: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand
erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun“, lässt er
Google-Chairman Eric Emerson Schmidt für sich sprechen.
Ausgehend von dem emanzipatorischen Moment des Internets, das den Nutzer
sich als Teil einer Welt wahrnehmen lässt, kommt er zu dem Schluss, die
Internet-Community befände sich auf dem Weg zu einem – analog zum
Hegel’schen Weltgeist – höheren gemeinsamen Bewusstsein. Das klingt
zunächst nur furchtbar kitschig, verdeckt aber vor allem die
Machtverhältnisse im Netz. Denn was beschreibt das gemeinsame Bewusstsein
im Netz anderes als eine Zusammenballung von Macht, deren Dimensionen des
Missbrauchs unvergleichlich sind?
## Vorübergehende Fehlentwicklung
Die bestehenden Netz-Monopole, die das Abfangen der Datenmassen so einfach
und billig machen, sind für Anke Domscheit-Berg hingegen lediglich eine
vorübergehende Erscheinung, eine Fehlentwicklung. „Von der DNA her ist das
Internet dezentral“, ist die Politikerin der Piratenpartei überzeugt. Für
die Zukunft würde dies bedeuten, dass wir selbst den Unternehmen temporär
Nutzungsrechte überlassen würden. Denkt man allerdings an das Netzwerk als
Grundgerüst der kapitalistischen Ökonomie, liegt der Verdacht nahe, dass
gerade diese dezentrale Organisation ein Stützprinzip des Monopols sein
könnte.
Was bei „Einbruch der Dunkelheit“ überraschte, war die weitgehende
Abwesenheit politischer Forderungen. Stattdessen gab es auf den Panels nur
vereinzelte Lösungsvorschläge für ein zukünftiges Leben im Netz – von der
Aufzählung von Verschlüsselungs-Tools über den Vorschlag zum Crowd-Funding
für verteilte IT-Systeme bis hin zu Jacob Applebaums Aufforderung, die
Geheimdienste zu unterwandern und deren Informationen zu leaken. Zumindest
diesen Vorschlag nahm das Publikum auf wie Bruce Sterlings Aufruf zur
Internet-Revolution: begeistert. Und passiv.
27 Jan 2014
## LINKS
[1] http://www.volksbuehne-berlin.de/praxis/einbruch_der_dunkelheit/
## AUTOREN
Sonja Vogel
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