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# taz.de -- Kommentar XKeyscore: Datendeal mit der NSA
> Der Verfassungschutz nutzt eine NSA-Software und liefert dem
> US-Geheimdienst Daten. Das Ausmaß der Kooperation darf nicht
> geheimbleiben.
Bild: Alle Datenautobahnen führen zur NSA.
Die Kollegen von „Zeit online“ haben einen bemerkenswerten Vertrag zwischen
deutschem Verfassungsschutz und dem US-Geheimdienst NSA [1][enthüllt]. Das
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erhält von der NSA deren
Analyse-Software XKeyscore und liefert der NSA im Gegenzug - „im
größtmöglichen Ausmaß“ - alle Daten, die für die NSA interessant sein
könnten.
Es ist nicht neu, dass der deutsche Verfassungsschutz XKeyscore nutzt. Das
wurde schon im Zuge der Snowden-Enthüllungen bekannt. Damals war die Rede
von einem Test. Dieser Testbetrieb läuft heute - zwei Jahre später - immer
noch. Er scheint in eine Dauernutzung übergegangen zu sein.
Nach den Snowden-Enthüllungen stand in Deutschland zunächst die
Zusammenarbeit des BND mit der NSA im Mittelpunkt des Interesses. Es wurde
bekannt, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst der NSA mehr als 500
Millionen Datensätze pro Monat lieferte. Wie sich alsbald herausstellte,
handelte es sich dabei um Daten aus der BND-Auslandsaufklärung, zum
Beispiel in Afghanistan. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dagegen
ein Inlandsgeheimdienst. Die Daten, die hier erfasst, ausgewertet und
weitergereicht werden, sind Daten aus Deutschland.
## Massenüberwachung ja, aber nicht anlasslos
Wenn das BfV nun XKeyscore nutzt, geht es wohl nicht um eine anlasslose
Massenüberwachung der Bevölkerung. Hierzu ist nur der BND bei der
„strategischen“ Kontrolle der grenzüberschreitenden Kommunikation befugt.
Der Verfassungsschutz darf - nach Genehmigung durch die G-10-Kommission des
Bundestags - lediglich die Kommunikation einzelner Personen und Gruppen
überwachen. Nach den neuesten Zahlen hat er im 2. Halbjahr 2013 rund 80
Maßnahmen mit cirka 800 direkt Betroffenen durchgeführt.
Allerdings entstehen bei der Individualüberwachung heute viel mehr Daten
als früher. Der Verfassungsschutz spricht selbst von
„Massendatenauswertung“. Die Überwachten telefonieren nicht nur auf dem
Festnetz, sondern auch mobil. Sie mailen, simsen, chatten und nutzen
soziale Netzwerke. Es fallen Daten in unterschiedlichsten Formaten an.
XKeyxcore kann all diese Daten aus dem großem Datenstrom eines
Internet-Anschlusses herausfiltern, den richtigen Programmen zuordnen, sie
lesen und auswerten. Das NSA-Programm ist deshalb anderen
Überwachungsprogrammen weit überlegen. Es spricht viel dafür, dass
XKeyxcore im Rahmen der „Erweiterten Fachunterstützung Internet“ (EFI)
angewandt wird. Das sind die neuen Referate des Verfassungsschutzes, über
die Netzpolitik Anfang des Jahres berichtete und deshalb mit Ermittlungen
wegen Landesverrat überzogen wurde.
Ist die Nutzung der NSA-Software eine massive Ausweitung der Überwachung?
Auf den ersten Blick versucht der Verfassungsschutz nur, mit der
technischen Entwicklung mitzuhalten. Wenn es neue Wege der Kommunikation
gibt, brauchen die Überwacher eben auch neue Instrumente der Überwachung.
Das aber greift zu kurz. Weil immer größere Teile unseres Lebens
digitalisiert werden, hat der Verfassungsschutz immer mehr Zugriff auf das
Leben der Überwachten (und ihres Umfeldes). Sie kommunizieren digital, sie
informieren sich digital, sie nutzen digitale Unterhaltungsangebote und sie
kaufen im Netz ein. XKeyscore sorgt dafür, dass der Verfassungsschutz all
das nachvollziehen kann. Die Grenze zur Totalüberwachung des ganzen Lebens
ist nicht mehr weit entfernt.
Das ist eine Diskussion von allgemeinem Interesse. Es ist zu hoffen, dass
nach der Veröffentlichung des geheimen Vertrags nicht erneut Ermittlungen
gegen Journalisten wegen Landesverrats oder ähnlicher Delikte eingeleitet
werden.
Von öffentlichem Interesse ist auch, was es heißt, dass der
Verfassungsschutz „alle Daten“, die für die NSA interessant sein könnten,
mit dieser „im größtmöglichen Ausmaß“ (“to the maximum extent possibl…
teilt.
## Geheimdienst bleibt schön vage
Selbst wenn man unterstellt, dass nur das als „möglich“ gilt, was rechtlich
zulässig ist, so ist die Rechtslage nicht sehr beruhigend. Der
Verfassungsschutz kann laut Gesetz Daten in unbegrenztem Maß an
ausländische Geheimdienste weitergeben, wenn dies „zur Wahrung erheblicher
Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist“ und Belange der
Bundesrepublik oder der Betroffenen nicht überwiegen. Das ist so vage, dass
hier vieles denkbar und „möglich“ ist.
Der Verfassungsschutz argumentiert, hier handele es sich um die normale
Zusammenarbeit zweier Geheimdienste. Wenn das so wäre, warum lässt sich die
NSA im Vertrag ausdrücklich zusichern, dass Daten im „größtmöglichen
Ausmaß“ zu liefern sind? Dieser Vertragstext ist dank ZEIT nun immerhin
schwarz auf weiß nachzulesen. Es wäre jedenfalls eine unschöne Vorstellung,
dass das Maß an Datenlieferung von der Angst des Verfassungsschutzes
bestimmt wird, man könnte ihm das praktische Arbeitsmittel XKeyxcore wieder
wegnehmen.
Misstrauisch macht, dass das Bundesamt nicht sagen will, wie viele Daten
bisher an die NSA geliefert wurden und nach welchen Kriterien die
Datenweitergabe erfolgt. Möglicherweise trifft das BfV gar keine eigenen
Entscheidungen, weil die NSA-Software die Datenweitergabe an den
US-Geheimdienst automatisch erledigt.
Auch ein Geheimdienst ist der Gesellschaft rechenschaftspflichtig,
zumindest soweit, dass dessen Arbeit qualitativ und quantitativ in ihren
Dimensionen nachvollzogen werden kann. Der Verfassungsschutz muss zeigen,
dass er sich dieser selbstverständlichen Diskussion stellen will.
28 Aug 2015
## LINKS
[1] http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-08/bfv-verfassungsschutz-was-ka…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
XKeyscore
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