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# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Am Arsch oder im Wald
> Ökomäßig wäre Brasilien entgegen seinem Image bereits in der Vorrunde
> gescheitert. Aber andere sind auch nicht besser.
Bild: Was Greenpeace von der Abholzung im Amazonas Regenwald in Brasilien hält…
„Also wo ist jetzt noch mal Brasilien?“, fragt Stan und nimmt sich die
laminierte Weltkarte vor. Im Fernsehen murksen Tingeltangel-Bob David Luiz
und Kollegen so umständlich herum, dass selbst der Zehnjährige eine Runde
Geografie attraktiver findet. Wir hoffen auf den WM-Effekt: Wo genau liegt
Kamerun und wie sieht die Fahne von Honduras aus? Na?
Und wo liegt Brasilien, frage ich mich, so ökomäßig gesehen? Ganz vorn? Am
Arsch? Im Wald? Die Antwort: Genau.
Als obersten Klimaschützer jedenfalls sieht eine aktuelle Studie in Science
das Land: 3,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid hat Brasilien demnach in den
letzten zehn Jahren dem Weltklima erspart, weil sie 86.000 Quadratkilometer
Regenwald – einmal Bayern plus Thüringen – nicht zerstört haben. Ein
interessantes Argument: Klimaschutz durch Nichtstun.
China rechnet dann schon mal vor, wie viel Treibhausgase die 300 Millionen
Menschen nicht verursacht haben, die wegen der Ein-Kind-Politik nicht
geboren wurden. Und wir Deutsche schreiben uns die Millionen Tonnen CO2
gut, die die kollabierte DDR-Braunkohlewirtschaft mit ins Grab genommen
hat. Brasilien liegt da eindeutig auf Weltniveau.
Allerdings: Ganz so Samba ist die Energiebilanz der zweitgrößten
Volkswirtschaft Amerikas dann doch nicht. Denn die grünen Energien sind
manchmal ganz schön schwarz. Die brasilianische Regierung knallt
gigantische Stauseen in den Regenwald, als gelte die Devise: Verdammt in
alle Ewigkeit. Das vertreibt nicht nur die Menschen und zerstört weite
Landstriche, es sorgt nicht mal für saubere Energie. Denn zumindest zehn
Jahre nach dem Bau gasen aus der überfluteten Biomasse mehr Treibhausgase
aus, als durch den Wasserstrom gespart werden, sagt eine andere Studie.
Dazu kommt, dass die Wasserpegel überall sinken, weil sich das regionale
Wetter – auch durch den Klimawandel – ändert.
## Die nächste Ölpest kommt bestimmt
Was tut da die Regierung Rousseff? Sie hat in den letzten zehn Jahren die
Zahl der Kohlekraftwerke auf 1.100 verdoppelt und bläst damit die
Treibhausgase in die Luft, die sie beim Wald eingespart hat. Und die
staatliche Ölfirma Petrobras bohrt im Atlantik in solchen Tiefen nach Öl,
dass einem der „Deepwater Horizon“ vor den Augen verschwimmt: Die nächste
Ölpest kommt bestimmt.
Bei einem Besuch in Brasilien vor ein paar Jahren wurde mir klar, welche
Herausforderung es ist, hier über Ökobilanzen nachzudenken: In Manaus war
der von uns ach so verehrte Regenwald den Armen so viel wert, wie uns die
Brennnesseln im Grunewald interessieren. Auf dem Fischmarkt zuckten die
geschützten Arten vor ihrem Gang in den Kochtopf.
Und beim Kahlschlag im Wald wurden einzelne geschützte Bäume ausgespart,
die dann einsam zwischen den Sojafeldern sterben. Das ganze Land läuft vom
Karneval bis zum Viertaktmotor auf Agrosprit, und jede Regierung steht
unter gewaltigem Druck, den Menschen irgendeine wirtschaftliche Perspektive
zu geben. Das Versprechen im Staatswappen von „Ordnung und Fortschritt“ ist
ein großes Wort, wenn damit nicht Polizeigewalt und Atomkraft gemeint sein
sollen.
Wo also steht Brasilien? Ehrlich gesagt: Ökomäßig kommt das Land nicht mal
ins Achtelfinale. Aber das schafft ohnehin keiner. Außer vielleicht 2022
Costa Rica, wenn es wirklich das erste klimaneutrale Land der Erde wird.
Die WM findet dann übrigens in Katar statt – einem der Länder mit dem
höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf.
10 Jul 2014
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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