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# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Keine Angst ist auch keine Lösung
> Ja, es gibt derzeit und weltweit viele Kriege und Krisen. Aber hier
> steht, wovor sich die taz-Öko-Redaktion zu Halloween wirklich gruselt.
Bild: Wie schrecklich!
Für meinen Sohn, damals fünf Jahre alt, war es ein unvergesslicher Abend:
Nach einem Streifzug durch die Nachbarschaft seines Onkels im New Yorker
Stadtteil Queens am Halloween-Abend war die Beute an Schokoscheiß und
Zuckerbomben gewaltig.
Überall öffneten sich uns die Türen, wenn wir „Trick or treat“ riefen. E…
lächerlich als Gespenst verkleidetes Kindergartenkind und sein neugeborener
Cousin gaben eine extrem wirkungsvolle Drohkulisse ab. Die Plastiktüte, die
der New York Times am Morgen extra für diese Klientel beigelegt worden war,
riss unten auf und verstreute die Beute auf dem Gehweg. Ich bekam ernste
Zweifel an den journalistischen Qualitäten des Blattes.
Das Gruseln hielt sich nämlich in engen Grenzen. Das ist noch heute so.
Auch wenn das Halloween-Fieber samt Plastikkürbissen und Hexenkostümen
inzwischen zu uns geschwappt ist, fürchtet sich natürlich niemand vor
irgendwas, was da am Abend vor Allerheiligen veranstaltet wird. Ein
sinnleeres Ritual, wenn kleine Teufel „Süßes oder Saures“ plärren oder i…
Mütter sich zu Buhfrauen verkleiden.
Jeder Harry-Potter-Film erzeugt mit der Darstellung des abgrundtief Bösen
in Lord Voldemort mehr Gänsehaut als noch so ausgefeilter Halloween-Kitsch.
Dabei gibt es genügend Dinge, bei denen es uns wirklich kalt den Rücken
runterlaufen sollte. Bei den Bildern von Ebola und IS-Terror bekommen wir
eine Ahnung von echtem Grauen.
## Die versteckten Schrecken
Aber es gibt auch die versteckten Schrecken, die wir mit einem
Schulterzucken abtun: etwa am anderen Ende der Welt, wo gerade wichtige
Teile der Antarktis auseinanderbröckeln – ein Zustand, den manche
Wissenschaftler als „holy shit moment“ des Klimawandels bezeichnen: Was
erst mal nicht die Pinguine stört, wird mit ziemlicher Sicherheit den
Meeresspiegel über die nächsten Jahrzehnte so anheben, dass viele
Küstenstädte untergehen. Das ist wohl kaum noch zu stoppen. Höre ich da
jemanden erschreckt kreischen?
Saures statt Süßes kommt auch aus anderen Fachgebieten: Immer häufiger sind
Krankheitserreger resistent gegen Antibiotika. Der Grund: sorgloser Umgang
mit den Keimkillern in der Landwirtschaft und überall. Wie viel Horror
empfinden Sie bei der Vorstellung, dass Ihre Tochter auf der
Intensivstation liegt und die Ärztin sagt: „Gegen diese Infektion sind
unsere Medikamente leider unwirksam“?
Ein kalter Wind aus der Gruft umweht auch die Finanzpolitik der schwarzen
Null. Eine toxische Mischung aus richtiger Haushaltssanierung und falscher
Sparschwein-Ideologie verhindert in Deutschland Investitionen und treibt
den Rest der EU ins Chaos. Spüren Sie die unsichtbare Hand des freien
Marktes eiskalt an Ihrer Gurgel?
Die permanente Ausrottung von vielen Tier- und Pflanzenarten, die wir kaum
kennen und die für den biologischen Kreislauf oder unser eigenes Überleben
vielleicht wichtiger sind, als wir ahnen – schlottern da jemandem die Knie?
## Furcht vor der Google-Datenbrille
Und wenn Facebook und Picasa Fotos so scannen können, dass sie auch bei
schlecht ausgeleuchteten Fotos die Menschen erkennen, aus 2-D-Fotos locker
3-D-Profile machen können und diesen Bildern von Unbekannten Namen und
Identitäten zuordnen – wo bleibt die hysterische Schreiattacke?
Klar, Angst ist ein schlechter Ratgeber. Aber keine Angst ist auch keine
Lösung. Und sei es nur die Furcht, dass Sie mit der Google-Datenbrille bald
auch noch hinter der grauenhaftesten Halloween-Maske zu entlarven sind.
31 Oct 2014
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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