# taz.de -- Immer weniger Ärzt*innen: Der lange Weg zur Abtreibung | |
> Die Lage von ungewollt Schwangeren ist in einigen Regionen Deutschlands | |
> katastrophal. Zu wenig Ärzt*innen machen Abbrüche. | |
Bild: In ihrer Fotoarbeit „Lying Still“ beschäftigt sich Piontek mit weibl… | |
Wird eine Frau in Trier ungewollt schwanger, muss sie für eine Abtreibung | |
bis ins Saarland fahren. Frauen in Fulda finden schon seit Jahren keine | |
Behandlung. In ganz Niederbayern gibt es nur noch einen Arzt, der | |
eigentlich längst in Rente gegangen sein sollte, aber immer noch Abbrüche | |
durchführt. Weil es sonst niemand machen will. Und selbst in Berlin, wo die | |
Versorgung noch vergleichsweise gut ist, spitzt sich die Lage zu. | |
Die taz hat in allen 16 Bundesländern nachgefragt: Wie viele Ärzt*innen | |
führen Schwangerschaftsabbrüche durch? Hat jede Frau die Möglichkeit, in | |
der Nähe ihres Wohnorts eine Ärztin oder einen Arzt zu finden? Und wie wird | |
das in ein paar Jahren aussehen? | |
Antworten auf diese Fragen sind nur schwer zu bekommen. Laut | |
Schwangerschaftskonfliktgesetz müssen die Bundesländer ein ausreichendes | |
Angebot an Praxen und Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche sicherstellen. | |
Den Gesundheitsministerien vieler Länder aber liegen keine Zahlen vor. | |
Stattdessen verweisen sie wahlweise auf die Kassenärztlichen Vereinigungen, | |
die Landesärztekammern, die Berufsverbände der Frauenärzte oder an die | |
Krankenhausgesellschaften. | |
Gelegentlich mutet es beinahe kurios an: Das Gesundheitsministerium | |
Mecklenburg-Vorpommern etwa erklärt, laut Kassenärztlicher Vereinigung | |
hätten 120 Ärzt*innen im Jahr 2016 ambulant Schwangerschaftsabbrüche | |
durchgeführt. Die Kassenärztliche Vereinigung aber teilt mit, über die | |
Anzahl der Ärzt*innen werde keine gesonderte Statistik geführt – und | |
verweist an das Gesundheitsministerium. Zahlreiche Behörden verschicken | |
einen Link zu den Publikationen der Statistischen Landesämter, die zwar die | |
Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bündeln, nicht aber die der | |
durchführenden Ärzt*innen. Berlin wiederum führt auf seiner Liste 205 | |
Ärzt*innen. Von denen sind mindestens 60 längst in Rente. | |
Das Ergebnis der Recherche: Ein vollständiger Überblick, wie viele | |
Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche | |
durchführen, existiert schlicht nicht. Was es gibt, sind die Einschätzungen | |
der Beratungsstellen: In Städten ist die Situation besser als auf dem Land. | |
In katholischen Regionen schlechter als in protestantischen. Vielerorts ist | |
die Versorgung extrem dünn – und das kann sich in den kommenden Jahren noch | |
verschärfen. Denn in ganz Deutschland gehen immer mehr Ärzt*innen, die | |
Abtreibung durchführen, in Rente – und es fehlt an Nachwuchs. | |
Es wäre so einfach, wenn Ärzt*innen selbst darüber informieren könnten, ob | |
sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Doch durch [1][Paragraf 219 a | |
Strafgesetzbuch] ist das nicht möglich; denn diese Information fällt unter | |
die verbotene „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ und stellt | |
somit eine Straftat dar, die mit Gefängnis- oder Geldstrafe geahndet wird. | |
Claudia Heltemes arbeitet seit 16 Jahren bei der | |
Pro-Familia-Beratungsstelle in Trier. Eine Ärztin oder einen Arzt, der | |
Schwangerschaftsabbrüche durchführt, gibt es in der 115.000 Einwohner | |
großen Stadt in Rheinland-Pfalz und im näheren Umkreis nicht. „Um Gottes | |
Willen, wir sind doch Bischofsstadt“, ruft Heltemes aus, als sie danach | |
gefragt wird. Den ungewollt schwangeren Frauen gibt sie eine Liste mit | |
Ärzt*innen im Saarland mit – mehr als 100 Kilometer entfernt. Die | |
Fahrtkosten übernimmt niemand. Und die Frauen müssen sich jemandem | |
anvertrauen, der sie dorthin bringen kann: „Nach einem | |
Schwangerschaftsabbruch ist es nicht zumutbar, alleine Zug oder Auto zu | |
fahren“, sagt Heltemes. Auch keine einzige Klinik führe in Trier | |
Abtreibungen durch, nicht einmal nach medizinischer oder kriminologischer | |
Indikation. | |
Das heißt, nicht einmal dann, wenn die Gesundheit der Frau durch die | |
Schwangerschaft gefährdet ist. Nicht einmal dann, wenn die Frau nach einer | |
Vergewaltigung schwanger wurde. „Wenn dieser Zustand für eine Frau ein | |
echtes Problem darstellt, werde ich richtig wütend“, sagt Heltemes. | |
Mehrfach habe sie deswegen an das Land Rheinland-Pfalz geschrieben, | |
passiert sei nichts. 27,5 Prozent aller Abbrüche von Frauen, die in | |
Rheinland-Pfalz wohnen, wurden 2017 in anderen Bundesländern durchgeführt, | |
berichtet das Statistische Bundesamt. „Bislang haben wir keine Hinweise auf | |
Engpässe“, erklärt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. | |
Für Thoralf Fricke von der Pro-Familia-Stelle in Passau ist die Situation | |
noch dramatischer. Nur noch ein Arzt führe im gesamten Raum Niederbayern | |
Schwangerschaftsabbrüche durch, sagt er – und der sei 70 Jahre alt. Die | |
nächste Gelegenheit gebe es erst wieder in Regensburg, 130 Kilometer | |
entfernt. Die Bezirksregierung Niederbayern widerspricht, es gebe in jedem | |
bayerischen Bezirk mehrere Praxen und Kliniken. „Das ist schlicht gelogen“, | |
sagt Fricke. Denn nicht alle, die eine Erlaubnis für | |
Schwangerschaftsabbruch hätten, führten diesen auch tatsächlich durch. So | |
erklärt das Staatsministerium, es gebe 27 Kliniken, die in Bayern | |
Schwangerschaftsabbruch durchführten – 15 davon tun das aber nur bei | |
medizinischer oder kriminologischer Indikation. „Wir müssen unsere | |
Klientinnen darauf hinweisen, dass ihre Wahlfreiheit extrem eingeschränkt | |
ist“, sagt Fricke. Und selbst als Beratungsstelle dürften sie den ungewollt | |
schwangeren Frauen keine Adresslisten mitgeben. „Wir werden von der | |
Regierung in Niederbayern unter Druck gesetzt – angeblich wegen Paragraf | |
219 a.“ Auch dem widerspricht die Bezirksregierung. | |
Unzählige Male habe er dem Land geschrieben, sagt Fricke, berichtet, wie | |
dramatisch unterversorgt Teile von Bayern seien und wie sich dieser Zustand | |
weiter verschlimmern werde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit | |
sieht indes „keine Veranlassung für ein Tätigwerden“. Resigniert sagt | |
Fricke: „Willkommen in meiner Welt.“ | |
Auch in anderen katholischen Gegenden ist die Lage schlecht. Im hessischen | |
Fulda führt niemand Schwangerschaftsabbrüche durch, und das schon seit | |
Jahren. Die Frauen müssen 80 bis 100 Kilometer weit für einen Abbruch | |
fahren. In Niedersachsen sind es je nach Region bis zu 150 Kilometer. Rund | |
17 Prozent der Frauen aus Niedersachsen, die 2017 einen Abbruch machten, | |
reisten dafür in ein anderes Bundesland. Nach Angaben des Statistischen | |
Bundesamts machte das 38 Prozent der durchgeführten Abbrüche im Nachbarland | |
Bremen aus. Die niedersächsischen Beratungsstellen beklagen die schlechte | |
Versorgung und die langen Wege in ihrem Bundesland schon lange. Bereits vor | |
einem Jahr hatte die taz über die [2][Missstände in den katholisch | |
geprägten Regionen des zweitgrößten deutschen Flächenlandes berichtet]. Das | |
Gesundheitsministerium jedoch bilanziert: „Die ausreichende Möglichkeit, | |
einen Schwangerschaftsabbruch in Niedersachsen durchführen zu lassen, ist | |
gewährleistet und wird im Rahmen des Sicherstellungsauftrages vom Land | |
regelmäßig geprüft.“ | |
Sogar in den liberaleren großen Städten verschärft sich die Lage zusehends. | |
In Bremen betreibt Pro Familia ein Familienplanungszentrum, in dem | |
Abtreibungen durchgeführt werden. Drei der vier Ärzt*innen sind aus den | |
Niederlanden und kommen nur an bestimmten Tagen nach Bremen. Sie | |
übernachten dann im Hotel oder fahren abends wieder nach Hause. Die | |
deutsche Ärztin arbeitet nur einen Tag pro Woche im Zentrum. „Wir konnten | |
niemanden sonst für die Stellen finden“, sagt Monika Börding, | |
Geschäftsführerin von Pro Familia in Bremen. „Schwangerschaftsabbrüche sind | |
extrem negativ konnotiert und stigmatisiert, nicht zuletzt durch die | |
Verortung im Strafrecht durch die Paragrafen 218 und 219 a.“ Dazu würden | |
immer mehr Krankenhäuser von christlichen Trägern übernommen. | |
Schwangerschaftsabbrüche sind noch immer ein Tabuthema. Das fängt damit an, | |
dass sie offiziell [3][eine „Straftat gegen das Leben“ darstellen], die mit | |
Gefängnis geahndet werden kann – und nur unter bestimmten Bedingungen | |
straffrei bleibt. Der Abbruch muss innerhalb der ersten zwölf Wochen nach | |
Empfängnis passieren, davor muss sich die Frau in einer anerkannten | |
Beratungsstelle beraten und dann eine Bedenkfrist von drei Tagen | |
verstreichen lassen. | |
## „Eine politische Entscheidung“ | |
In Berlin sei die Versorgung im Vergleich zu anderen Gegenden noch gut, | |
sagt Stefan Nachtwey, Geschäftsführer des Familienplanungszentrums Balance. | |
„Aber auch wir brauchen inzwischen ein halbes bis dreiviertel Jahr, um | |
freiwerdende Stellen nachzubesetzen.“ | |
Fragt man nach den Gründen für diese Engpässe, lautet die einstimmige | |
Antwort aus den Beratungsstellen: Es sind vor allem die älteren Ärzt*innen, | |
die Abbrüche durchführen, weil sie die Kämpfe um das Recht auf Abtreibung | |
in den 1970er Jahren noch miterlebt haben. Sie gehen nun nach und nach in | |
Rente – doch in der nachrückenden Generation sind weniger Ärzt*innen | |
bereit, Abtreibungen anzubieten. | |
Als Abtreibungen in Deutschland noch strafbar waren, ließen ungewollt | |
schwangere Frauen oft illegale Abbrüche unter schlechten medizinischen | |
Bedingungen durchführen. Viele versuchten, mit Kleiderbügeln oder | |
Stricknadeln selbst abzutreiben – und starben nicht selten an den Folgen. | |
„Früher haben Ärztinnen und Ärzte entschieden, Abbrüche durchzuführen, w… | |
klar war: Jemand muss es tun“, sagt Nachtwey. „Das war eine ganz klar | |
politische Entscheidung. Es ging um das Leben von Frauen.“ Jetzt sei vielen | |
nicht einmal bewusst, dass es Versorgungsprobleme gebe. | |
In der medizinischen Ausbildung spielen Schwangerschaftsabbrüche kaum eine | |
Rolle. Das ist wenig verwunderlich – denn wie soll eine Straftat an einer | |
staatlichen Universität gelehrt werden? „Wir lernen im Medizinstudium | |
nichts über die Methoden und Verfahren zum Schwangerschaftsabbruch“, sagt | |
die Medizinstudentin Elisa Tackmann. Sie ist Teil der Gruppe [4][Medical | |
Students for Choice] an der Charité in Berlin. | |
Dort gibt es im neunten Semester eine 90-minütige Pflichtveranstaltung, in | |
der es um Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch geht. In den | |
festgelegten Lernzielen dieser Einheit heißt es, die Studierenden sollen | |
„typische Indikationen und die derzeit angewendeten Verfahren“ der | |
Pränataldiagnostik erläutern können – und die „rechtlichen und ethischen | |
Aspekte“ des Schwangerschaftsabbruchs. Außerdem sollen sie für die durch | |
einen Abbruch entstehende „psychische Belastung im gesellschaftlichen | |
Kontext“ sensibilisiert werden. Zum medizinischen Vorgehen dagegen: kein | |
Wort. Auch in der Facharztausbildung lerne man den Eingriff nicht | |
unbedingt, sagt Tackmann. „Die Ausbildung absolviert man im Krankenhaus. | |
Abbrüche lernt man also nur, wenn sie an diesem Krankenhaus auch gemacht | |
werden.“ | |
Tatsächlich wurden 79 Prozent der insgesamt 101.200 Abtreibungen im Jahr | |
2017 in einer Arztpraxis und nicht im Krankenhaus durchgeführt. Die | |
Auflagen für ambulante Operationen aber wurden in der Vergangenheit | |
erheblich verschärft. Die Ärzt*innen bewegen sich stets in einer | |
rechtlichen Grauzone: „Man steht immer mit einem Bein im Strafrecht“, sagt | |
etwa die Berliner Ärztin Christiane Tennhardt. „Schon ein noch so kleiner | |
Fehler im Papierkram kann eine Anzeige bedeuten.“ | |
Viele Ärzt*innen, aber auch Beratungsstellen [5][erfahren regelmäßig | |
Anfeindungen], finden Plastikföten in ihren Briefkästen, Todesanzeigen für | |
„alle ungeborenen Kinder“ in ihrer Regionalzeitung oder erhalten | |
Morddrohungen. Die selbsternannten Lebensschützer*innen [6][nutzen | |
zunehmend den Paragrafen 219 a], um Ärzt*innen anzuzeigen, die trotz des | |
Verbots öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche | |
vornehmen: Die Zahl der Ermittlungsverfahren stieg zuletzt von zwei bis 14 | |
in den Jahren bis 2014 auf 27 im Jahr 2015 und 35 im Jahr 2016. Im November | |
2017 wurde die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer [7][Geldstrafe von | |
6.000 Euro verurteilt], weil sie auf ihrer Homepage darüber informiert, | |
dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Seitdem debattiert die | |
Politik über das Thema. Fünf Bundesländer [8][fordern im Bundesrat die | |
Abschaffung] des Paragrafen. Grüne, SPD und Linke haben sich auch [9][im | |
Bundestag für die Streichung] des Paragrafen ausgesprochen, die FDP für | |
eine Modifizierung. | |
Doch auch unter Gynäkolog*innen sind Abtreibungen umstritten. Wer das | |
mache, habe etwas Schmuddeliges an sich – diese Meinung habe eine Kollegin | |
ihm gegenüber einmal vertreten, berichtet der Frankfurter Gynäkologe George | |
Langhans. „Das hört man selbst von vermeintlich aufgeklärten Leuten immer | |
wieder.“ Der Prozess gegen Hänel hat Langhans beunruhigt. „Ich fühle mich | |
zunehmend bedroht“, sagt er. | |
Was bleibt, ist die vielerseits aufgestellte, aber lediglich auf Indizien | |
beruhende Analyse: Es werden weniger Ärzt*innen, auf Dauer ist die | |
Versorgung gefährdet. Doch statt Indizien bräuchte es belastbare Zahlen. | |
Theoretisch existieren die sogar. Das Statistische Bundesamt weiß genau, | |
wie viele Ärzt*innen Abbrüche vornehmen. Denn diese müssen dem Amt jeden | |
Schwangerschaftsabbruch melden. Doch will man wissen, was das für die | |
Versorgung in den verschiedenen Regionen bedeutet, kommt man hier nicht | |
weiter: [10][Veröffentlicht wird nur die Zahl der Abtreibungen], | |
aufgeschlüsselt nach Merkmalen wie Wohnort und Alter der Frau, dem Grund | |
des Eingriffs und der Anzahl ihrer bisherigen Kinder – nicht aber die Zahl | |
der Ärzt*innen. | |
Erst auf mehrmaliges Nachfragen gibt das Statistische Bundesamt an, | |
bundesweit führten derzeit etwa 1.200 Ärzt*innen Abbrüche durch, „Tendenz | |
leicht abnehmend“. Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern könne man nicht | |
herausgeben – aus Datenschutzgründen. | |
Umso wichtiger wäre es, dass die Gesundheitsministerien das Angebot im | |
Blick haben. Einzig in Hamburg führt die Gesundheitsbehörde auf ihrer | |
Webseite eine öffentliche Liste mit 42 Einrichtungen, die Abbrüche | |
vornehmen. Doch dort stehen nur diejenigen Ärzt*innen, die mit einer | |
Veröffentlichung ihres Namens einverstanden sind. Wie viele es insgesamt | |
gibt, könne man nicht sagen, heißt es aus der Behörde, man gehe aber von | |
deutlich mehr aus. Berlin hatte am Dienstag angekündigt, eine solche Liste | |
im Netz bereitstellen zu wollen. Die Sozialministerien der Länder, die bei | |
geringem Einkommen der Frau die Kosten für eine Abtreibung übernehmen, | |
können meist, wenn überhaupt, nur Auskunft über die erstattete Summe geben. | |
## Aufwändig erstellte Listen | |
Die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen geben unterdessen nur Aufschluss | |
darüber, wie viele Ärzt*innen Abbrüche vornehmen, wenn die Gesundheit der | |
Frau gefährdet oder die Schwangerschaft Folge eines Sexualdelikts ist – das | |
waren 2017 knapp 4 Prozent der Fälle. | |
Die Krankenhausgesellschaften wiederum wissen lediglich, welche Kliniken | |
über Geburtsstationen verfügen; nicht aber, ob dort auch Abtreibungen | |
vorgenommen werden. Und manche Ärzt*innen mit einer Erlaubnis führen | |
Abtreibungen nur für ihre eigenen Patientinnen durch. Diese Ärzt*innen sind | |
auch den Beratungsstellen nicht bekannt. | |
Allein deshalb gibt es auch beim Bundesverband von Pro Familia keinen | |
Überblick, wie viele Mediziner*innen deutschlandweit Abbrüche vornehmen. | |
Pro Familia betreibt im Bundesgebiet etwa 180 staatlich anerkannte | |
Beratungsstellen, die ihre lokalen Listen selbst erstellen. „Die | |
Beratungsstellen bemühen sich um die Informationen, doch das ist sehr | |
aufwendig“, sagt Regine Wlassitschau vom Bundesverband. | |
Andere Beratungsstellen, etwa beim katholischen Träger Donum Vitae, | |
recherchieren in der Regel gar nicht selbst, sondern kennen nur die | |
Adressen von Ärzt*innen, die sich bei ihnen melden. Mancherorts hätten | |
Frauen dort gar keine Adressen erhalten, erzählen Beratungsstellen, | |
Ärzt*innen und Patientinnen. „Wenn unsere Beratungsstellen über Adressen | |
verfügen, geben sie diese wohl auch heraus“, sagt Rita Waschbüsch, | |
Vorsitzende von Donum Vitae. Die Recherche sei indes kein Teil des | |
gesetzlichen Beratungsauftrags. | |
Tatsächlich gibt es eine deutsche Webseite, die einen Überblick darüber | |
verschafft, welche Ärzt*innen in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche | |
durchführen: Es ist die von Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen betriebene | |
Seite babykaust.de, auf der er diese Ärzt*innen als „Tötungsspezialisten“ | |
denunziert, ihre Namen neben Fotos zerstückelter Föten stellt und teilweise | |
dazu aufruft, sie zu belästigen. | |
Dass dies der einzige Überblick sein soll, sei ein unhaltbarer Zustand, | |
fand vor etwa zehn Jahren der Wiener Arzt Christian Fiala. Er kopierte die | |
Liste, versah sie mit Telefonnummern und machte sie [11][unter | |
abtreibung.at zugänglich], nach Bundesland filterbar, sachlich und mit | |
Informationen zum Schwangerschaftsabbruch versehen. Eine Strafe droht ihm | |
nicht, immerhin ist diese Art der Information in Österreich nicht verboten. | |
„Kein anderes westeuropäisches Land hat solche restriktiven Gesetze wie | |
Deutschland“, empört sich Fiala. Und so habe er aus Annens Schwarzer Liste | |
eine Weiße Liste gemacht. Alle paar Jahre zahlt er aus eigener Tasche | |
dafür, dass ein paar Studentinnen die Liste aktualisieren. „Eine Garantie | |
auf Vollständigkeit kann ich nicht geben“, sagt aber auch Fiala. Absurd sei | |
es, dass er – ein Arzt aus Österreich – diese eigentlich öffentliche | |
Aufgabe übernehme. Auf seiner Liste stehen aktuell 1.141 Ärzt*innen. | |
„Das Thema Abtreibungen ist immer ein Politikum“, sagt Thoralf Fricke von | |
Pro Famila in Passau. Mit einer „rechtskonservativen CSU“ werde sich in | |
Bayern nichts an der schlechten Lage ändern. In anderen Bundesländern | |
sitzen die Abtreibungsgegner*innen der AfD in den Parlamenten; auch da habe | |
sich die Stimmung verschärft, berichten viele Beratungsstellen. „Dabei wäre | |
es die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für | |
Schwangerschaftssabbrüche so zu gestalten, dass sie aus der Schmuddelecke | |
herauskommen“, sagt Fricke. | |
8 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://dejure.org/gesetze/StGB/219a.html | |
[2] /Abtreibung-in-Deutschland/!5386152 | |
[3] https://dejure.org/gesetze/StGB/218.html | |
[4] https://msfcberlin.com/ | |
[5] /Abtreibungsarzt-und-Paragraf-219a/!5463888 | |
[6] /Kommentar-Paragraf-219a/!5483855 | |
[7] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133 | |
[8] /Justizsenator-ueber--219a-im-Bundesrat/!5478522 | |
[9] /Bundestagsdebatte-zum-Paragraf-219a/!5486950 | |
[10] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Schwangersc… | |
[11] http://abtreibung.at/fur-ungewollt-schwangere/adressen/ | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
Hanna Voß | |
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