# taz.de -- Streit um „Werbung“ für Abtreibungen: Spahn verteidigt 219a | |
> Die SPD hofft, gemeinsam mit der Union Paragraf 219a zu reformieren. Die | |
> aber erteilt jeglichen Änderungen eine Absage – allen voran Jens Spahn. | |
Bild: Gibt den konservativen Warner: der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (C… | |
BERLIN taz | Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich gegen Änderungen | |
am Verbot der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen – und | |
sich dabei abfällig über die Kritiker*innen des Verbots geäußert. „Wenn es | |
um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen | |
werben wollen, kompromisslos“, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. | |
In der Debatte werde „manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um | |
ungeborenes menschliches Leben geht“. | |
Auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich gegen | |
eine Änderung aus. Sollte es „Informationslücken“ geben, werde man „sic… | |
eine Lösung finden, dass Frauen einen noch besseren Zugang zu allen nötigen | |
Informationen bekommen“; eine „Aufweichung des Werbeverbots“ stehe für d… | |
Union aber nicht zur Diskussion. | |
Paragraf 219a Strafgesetzbuch verbietet „Werbung“ für Abtreibungen. | |
Darunter fällt allerdings auch, wenn Ärzt*innen lediglich öffentlich | |
darüber informieren, dass sie diese durchführen. Im November 2017 war die | |
Ärztin Kristina Hänel deswegen zu einer [1][Geldstrafe von 6.000 Euro | |
verurteilt worden]. Linke und Grüne wollen den Paragrafen streichen, die | |
FDP will ihn modifizieren. Bis vor Kurzem war [2][auch die SPD] für eine | |
Streichung. Nachdem aber Abgeordnete der Union empört reagiert hatten, | |
beschlossen die Sozialdemokrat*innen am Dienstag, [3][ihren Antrag doch | |
nicht zur Abstimmung zu stellen]. Stattdessen einigten sich Union und SPD | |
darauf, dass nun das Justizministerium einen Vorschlag erarbeiten soll. | |
„Die vom Gesundheitsminister gezogenen Vergleiche zum Tierschutz liegen | |
völlig neben der Sache“, sagt FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae der taz. Es | |
gehe nicht um Schwangerschaftsabbrüche, sondern um die Frage, wo und wie | |
darüber informiert werden dürfe. Cornelia Möhring (Linke) erklärte, Spahn | |
zeige damit „erneut, dass ihm die Rechte und Nöte von Frauen komplett am | |
Arsch vorbeigehen“. Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte, Spahn wolle | |
offenbar, dass es Frauen „weiterhin unnötig schwer gemacht wird, seriöse | |
medizinische Informationen zu bekommen“. Er heize die Debatte „gnadenlos | |
und voll auf Kosten von Frauen und ÄrztInnen“ an, sagte die | |
Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws. | |
Auch die SPD reagierte mit Kritik. „Jens Spahns durchsichtige | |
Effekthascherei nervt“, sagte Fraktionsvize Katja Mast. Er solle den | |
Vorschlag von Justizministerin Katarina Barley abwarten. Die ist weiter | |
zuversichtlich, was einen Kompromiss mit der Union angeht: „Ich verlasse | |
mich auf das Wort der Kanzlerin, die zugesagt hat, eine gute Lösung für | |
alle Beteiligten zu finden“, sagte Barley. | |
Die Kritik konzentriert sich auf den routinierten Provokateur Spahn. Doch | |
auch Kramp-Karrenbauer und andere Unions-Abgeordnete haben sich gegen | |
jegliche Änderung von Paragraf 219a ausgesprochen. Eine gemeinsame Reform | |
des Gesetzes ist also unwahrscheinlich. | |
Die Debatte um den Paragrafen beschert der Großen Koalition einen | |
ungemütlichen Start. Erst warfen Unions-Politiker der SPD „schlechten Stil“ | |
vor, dann twitterte die SPD-Fraktionsvize Eva Högl, es sei „billig“, der | |
SPD ein Einknicken vorzuwerfen. „Wie wär's damit, mal die widerlichen | |
„Lebensschützer*innen in Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren?“ | |
Die CSU warf Högl daraufhin „ungeheuerliche Entgleisung“ vor. Die | |
SPD-Politikerin löschte den wie sie erklärte [4][„sehr emotionalen Tweet“] | |
später und kritisierte, die allseitige Instrumentalisierung der Debatte | |
diskreditiere zu Unrecht den „ehrlichen Einsatz, Rechtssicherheit für | |
Ärzt*innen herzustellen“. | |
Derweil wird sich wohl der Bundesrat Ende April mit Paragraf 219a befassen: | |
Berlin, Bremen, Hamburg, Thüringen und Brandenburg haben im Dezember eine | |
[5][Initiative zur Streichung eingebracht]. In den Ausschüssen für Familie | |
und Gesundheit [6][hat der Antrag eine Mehrheit], der Rechtsausschuss hat | |
noch nicht darüber beraten – wegen der Mehrheitsverhältnisse dort ist eine | |
Mehrheit aber unwahrscheinlich. | |
Nun will der Berliner Senat das Thema am 27. April abstimmen lassen. „Wenn | |
der Bundestag nicht vorankommt, müssen wir ihn eben antreiben“, sagte ein | |
Sprecher des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne) der taz. Eine | |
Mehrheit ist aber unsicher. | |
18 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133 | |
[2] /Abschaffung-des-Paragrafen-219a/!5488769 | |
[3] /Neue-Drehung-beim-Paragraf-219a/!5491494 | |
[4] https://twitter.com/EvaHoegl/status/974220112906645506 | |
[5] /Abtreibungsparagraf-im-Bundesrat/!5470995 | |
[6] /Justizsenator-ueber--219a-im-Bundesrat/!5478522 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Jens Spahn | |
Annegret Kramp-Karrenbauer | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte um Paragraf 219a im Bundestag: SPD fordert freie Abstimmung | |
Immer mehr SPD-Abgeordnete kritisieren den Umgang ihrer Partei mit 219a. | |
Sie fordern nun, dass ohne Fraktionszwang über den Paragrafen entschieden | |
wird. | |
Reform im Abtreibungsrecht: Debatte um §219a verschärft sich | |
Die Union missbraucht den §219a als Schutzschild für §218 und argumentiert | |
verkürzt. Die SPD hilft ihr, eine Anhörung im Parlament zu blockieren. | |
Medialer Umgang mit Paragraf 219a: Werbung ≠ Information | |
„Buzzfeed“ beschreibt Paragraf 219 a neuerdings als „Informationsverbot“ | |
statt als „Werbeverbot“ von Abtreibungen. Gut gemeint, aber ungenau. | |
Protest gegen Abtreibungen: Mit 1.000 Kreuzen durch Münster | |
In der katholisch geprägten Stadt formieren sich selbsternannte | |
Lebensschützer*innen. Doch auch der Gegenprotest ist stark. | |
Pro und Contra Paragraf 219a: Ist die Koalition das wert? | |
Das „Werben“ für Schwangerschaftsabbrüche ist verboten. Für den | |
Koalitionsfrieden mit der Union will die SPD daran nichts ändern. | |
Neue Drehung beim Paragraf 219a: SPD treibt ihr Gesetz ab | |
Beim Streit um den Paragrafen 219a setzt die SPD jetzt doch auf einen | |
Kompromiss mit der Union. Grüne und Linke sind entsetzt. | |
Abschaffung des Paragrafen 219a: FDP sucht Kompromiss, CDU mauert | |
Während die FDP gemeinsam mit SPD, Linken und Grünen nach einem gemeinsamen | |
Antrag sucht, überlegt die CDU für den 219a vor Gericht zu ziehen. | |
Immer weniger Ärzt*innen: Der lange Weg zur Abtreibung | |
Die Lage von ungewollt Schwangeren ist in einigen Regionen Deutschlands | |
katastrophal. Zu wenig Ärzt*innen machen Abbrüche. |