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# taz.de -- Neue Drehung beim Paragraf 219a: SPD treibt ihr Gesetz ab
> Beim Streit um den Paragrafen 219a setzt die SPD jetzt doch auf einen
> Kompromiss mit der Union. Grüne und Linke sind entsetzt.
Bild: Überzeugen sie die Union oder geben sie klein bei? Eva Högl und Andrea …
Berlin taz | Erst vor anderthalb Wochen hatte die SPD sich entschieden,
ihren Gesetzentwurf zur Streichung von Paragraf 219a StGB, dem Verbot der
„Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche, doch einzubringen. Jetzt, zum
Antritt der neuen Großen Koalition, ist es damit schon wieder vorbei.
„Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihren Gesetzentwurf zu § 219a StGB jetzt
nicht zur Abstimmung stellen, da die Union sich auf uns zubewegt“, heißt es
aus Fraktionskreisen. Der Koalitionspartner haben seine „Position geräumt“,
über das Thema nicht diskutieren zu wollen. „Unser Ziel bleibt, die
Rechtssicherheit zu stärken. Die Bundesregierung ist nun aufgefordert,
Möglichkeiten einer Lösung zu prüfen und einen Vorschlag vorzulegen“.
An die Öffentlichkeit drang diese Neuigkeit allerdings nicht durch eine
offizielle Erklärung der SPD, sondern durch die Union. Wie die Welt zuerst
berichtete, hatte deren Fraktionschef Volker Kauder die Nachricht in der
Unions-Fraktionssitzung am Dienstag verkündet. Welt-Redakteur Robin
Alexander [1][twitterte zudem ein Foto der Erklärung zwischen SPD und
Union]. Darin steht, dass nun die Regierung am Zuge sei – vom Ziel der
Rechtssicherheit findet sich hingegen kein Wort.
Der Paragraf 219a verbietet die „Werbung“ für Abtreibungen. Darunter fällt
allerdings auch, wenn Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, dass sie
diese durchführen. Im November war die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu
einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil auf ihrer Webseite
steht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche macht. Angezeigt hatten sie
radikale Abtreibungsgegner*innen, die diesen Paragrafen systematisch und
zunehmend nutzen, um Ärzt*innen zu drangsalieren.
## Klagewelle gegen Ärzt*innen
In Kassel hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Anklage gegen zwei weitere
Ärzt*innen erhoben. Kritiker*innen erklären, Paragraf 219a schränke nicht
nur Ärzt*innen in ihrer Berufsfreiheit ein, sondern auch Frauen in ihrem
Recht auf Information, sexuelle Selbstbestimmung und auf freie Arztwahl.
Grüne und Linke wollen deswegen den Paragrafen streichen, die FDP will ihn
modifizieren – hatte aber erst am Wochenende erklärt, auch zu einer
Streichung bereit zu sein, falls ihr Vorschlag keine Mehrheit finde.
Auch die SPD-Fraktion hat im Dezember einen Antrag zur Streichung des
Paragrafen beschlossen, und zwar einstimmig. Mit Rücksicht auf die
Koalitionsverhandlungen hatten sie ihn aber zunächst nicht eingebracht.
Anfang März hatten sie es dann doch getan, und zwar in Absprache mit
Unions-Fraktionschef Kauder. Das hatte allerdings heftige Reaktionen aus
der Union hervorgerufen; Marcus Weinberg, frauenpolitischer Sprecher der
Fraktion, warf der SPD schlechten Stil und eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“
vor, Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin, kündigte
an, im Falle der Streichung eine Klage vorm Bundesverfassungsgericht zu
erwägen.
Mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und FDP wäre eine Mehrheit für die
Streichung des Paragrafen nun schon so gut wie besiegelt gewesen.
Entsprechend fassungslos reagierten die anderen Fraktionen am Dienstag auf
die neuste Volte der großen Koalition.
## Heftige Schelte von Grünen, Linken und FDP
„Die Entscheidung der SPD, ihren Gesetzentwurf zur Aufhebung von §219a
zurückzuziehen, ist ein Einknicken par excellence zum Nachteil der Frauen
und ein Kniefall vor der Union“, sagt Ulle Schauws, frauenpolitische
Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, der taz. „Eine Woche lang hat die
SPD sich für ihren Gesetzentwurf feiern lassen. Nun verkündet ausgerechnet
Unionsmann Kauder, dass die SPD krachend umfällt. Der Regierungsbeginn ist
ein schlechter Tag für die Rechte von Frauen und die Rechtssicherheit von
Ärztinnen und Ärzten.“
„Mir bleibt gegenüber der SPD langsam nur noch völliges Unverständnis
übrig“, sagt auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der
Linksfraktion. Die Partei ringe um Glaubwürdigkeit und verrate gleichzeitig
ihre Versprechungen der letzten fünf Minuten.“ Bei einer so durch und durch
verkommenen Politik wundert es mich auch nicht mehr, dass immer mehr
Menschen politikverdrossen sind“, sagt Möhring der taz.
Auch die FDP bedauert den Schritt der SPD. „Es wäre schade, wenn jetzt
alles bleibt wie es ist“, sagt Stephan Thomae, Fraktionsvize der Liberalen.
Gleichzeitig wirbt er für den Kompromissvorschlag seiner Fraktion, der nur
noch grob anstößige Werbung unter Strafe stellen will.
## Kompromiss bleibt völlig unklar
Ein Vorschlag, mit dem die Union bisher wenig anfangen konnte. Mehrmals
hatte die Fraktion klargemacht, dass es gegen den Schutz des ungeborenen
Lebens verstoße, wenn Ärzt*innen öffentlich über ihr Tun informieren
würden. „Nicht nur das Anpreisen trägt zur Verharmlosung bei, sondern auch
die sachliche Information als Angebot auf der Homepage eines Arztes“, hatte
Winkelmeier-Becker der taz im Januar gesagt. Diese Haltung hatte die
Fraktion in der Bundestagsdebatte Ende Februar bestätigt. Wie ein
Kompromiss mit der Union als aussehen könnte, ist völlig unklar.
Fakt ist, dass mit dem Zug der SPD auch die Anträge der anderen Fraktionen
keine Chance mehr auf eine Mehrheit haben. Die Regierung ist zudem nicht
verpflichtet, der Aufforderung zu folgen – dass sie es tut, ist durch die
Absprache der beiden Koalitionsparteien aber wahrscheinlich.
Die Aufgabe geht damit wohl federführend an das SPD-geführte
Justizministerium sowie an das Frauen- und Familienministerium (SPD) und
das Gesundheitsministerium (CDU). Ob und wann diese einen Gesetzesvorschlag
machen ist genau so unklar wie dessen möglicher Inhalt.
Die Linken wollen ihren Antrag trotzdem namentlich im Bundestag abstimmen
lassen. „Die SPD soll ruhig erklären, warum sie dann dagegen stimmt“, sagt
Möhring.
Die Gießener Ärztin Hänel setzt derweil ihre Hoffnungen wieder auf den
Rechtsweg. „Wenn die Politik nicht in die Gänge kommt, dann gehe ich eben
doch bis zum Bundesverfassungsgericht“, sagt sie der taz. „Ich bin mir
sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung klar hinter mir steht. Und das
Frauenwahlrecht haben wir auch nicht so schnell bekommen.“
13 Mar 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/robinalexander_/status/973573806131380226
## AUTOREN
Dinah Riese
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