| # taz.de -- Comicausstellung in Berlin: Die Zeichnerin als Superheldin | |
| > Eine jüngere Generation Künstlerinnen bringt weibliche Perspektiven in | |
| > die Comicszene. Das Museum für Kommunikation stellt sie vor. | |
| Bild: Helena Janečić bringt gleich mehrere Superheldinnen zusammen | |
| Eine mit zartem Strich ausgeführte Zeichnung von Katja Klengel stellt | |
| Jeanne d’Arc als Statue dar. Einsam auf ihrem Pferd hält sie die Lanze hoch | |
| und beklagt in einer Sprechblase, dass es „so still und zugig hier oben“ | |
| sei. Die Heroine ist ganz allein auf ihrem Sockel und wäre vielleicht | |
| lieber in Gesellschaft von Ebenbürtigen. | |
| [1][Katja Klengel räsoniert in einer Comicsequenz aus „Girlsplaining“] üb… | |
| weibliche Helden, doch auch ihrem gezeichneten Alter Ego – einer jungen | |
| Frau mit hoher Stirn und übergroßer Brille – fallen nur wenige Heldinnen | |
| ein, die ihr in der Schule vermittelt wurden. | |
| Welche Heldinnen gibt es in Comics? Da wäre Wonder Woman zu nennen, Sailor | |
| Moon, Yoko Tsuno oder auch die kleine Mafalda aus Argentinien … selbst | |
| Comic-Affine müssen länger überlegen, bis ihnen wirklich populäre Heldinnen | |
| einfallen. Es gibt sie, aber können sie auch mit etablierten männlichen | |
| Helden wie Asterix, Lucky Luke oder Batman konkurrieren? Eine | |
| Kabinettausstellung im Berliner Museum für Kommunikation will da Nachhilfe | |
| leisten. Sie widmet sich „Vorbilder*innen“. | |
| Der Titel ist, so Kuratorin Lilian Pithan, kein neuer Genderbegriff, | |
| sondern ein humorvolles Wortspiel, das zum Nachdenken anregen soll. Der | |
| Untertitel konkretisiert, worum es eigentlich geht: „Feminismus in Comic | |
| und Illustration“. Denn eine jüngere Generation von Künstlerinnen ist in | |
| den letzten zwei, drei Jahrzehnten herangewachsen, um den bisher männlich | |
| dominierten Comiczeichner-Beruf aufzumischen. | |
| Aufklärerischer Furor | |
| [2][Prominentestes Beispiel ist wohl die schwedische Zeichnerin Liv | |
| Strömquist], die auch hierzulande mit ihren feministischen Comics Erfolg | |
| hat. In „Der Ursprung der Liebe“ (2010) legt sie mit aufklärerischem Furor | |
| sexuelle Machtstrukturen in der patriarchal geprägten westlichen Historie | |
| bloß und analysiert die bis in die Gegenwart reichende Ungleichheit der | |
| Geschlechter mit bissigem Humor. Die Französin Pénélope Bagieu porträtiert | |
| starke Frauen der Weltgeschichte in flott gezeichneten biografischen Comics | |
| (Dt. „Unerschrocken“). Und Birgit Weyhe hinterfragt in „Gendering | |
| Gustavito“, wie Geschlechterbilder bereits im Kindesalter gefestigt werden. | |
| Erfreulich ist, dass viele Comicseiten im Original gezeigt werden. | |
| „Autobiografie“ ist ein Bereich überschrieben, und in der Tat sind | |
| autobiografische Elemente in den meisten feministischen Comics der jüngsten | |
| Zeit zu finden. | |
| So greift die Amerikanerin Alison Bechdel in „Fun Home“ auf ihre eigene | |
| Familiengeschichte zurück und porträtiert ihren Vater, der aus Angst vor | |
| gesellschaftlicher Ächtung seine Homosexualität unterdrückte. Dem stellt | |
| die Tochter ihr eigenes Coming-Out gegenüber. | |
| Die Kanadierin Julie Doucet wiederum – wie Bechdel bevorzugt sie | |
| Schwarz-Weiß – vermischt in der anarchischen Reihe „Dirty Plotte“ | |
| autobiografische Anekdoten aus ihrem „schlampigen“ Privatleben mit | |
| Traumsequenzen. Auch die Künstlerin Helena Janečić beschäftigt sich in | |
| ihren alltagsnahen Comics mit der eigenen Identität und reflektiert queere | |
| Beziehungserfahrungen auf dem Balkan. In einem an Kirchenglasmalerei | |
| erinnernden Gemälde stellt sie sich selbst als Superheldin dar. | |
| Als Ärztin in Syrien | |
| Mit bunten Aquarellfarben, bevorzugt in Pastelltönen, [3][zeichnet die | |
| Belgierin Judith Vanistendael autobiografisch inspirierte Comics,] aber | |
| auch fiktive, wie in „Penelopes zwei Leben“: dort steht eine Ärztin im | |
| Mittelpunkt, die in Syrien Menschenleben rettet und zu Hause in Europa kein | |
| normales Familienleben mehr führen kann. Heldinnen können also auch | |
| durchaus gebrochene Charaktere sein. | |
| Comiczeichnerinnen können auch selbst als Vorbilder dienen. Für Barbara | |
| Yelin ist das Anke Feuchtenberger. Die in Hamburg Illustration und Comic | |
| lehrende Zeichnerin ist in der Ausstellung mit mehreren Porträts historisch | |
| wichtiger Frauen vertreten, wie Rosa Luxemburg, Erika Mann oder Chelsea | |
| Manning. Yelin widmet Feuchtenberger in ihrem Bilderzyklus „Heldinnenreise“ | |
| eine großformatige Comicsequenz in leuchtenden Farben, die den Einfluss | |
| ihrer Lehrerin widerspiegelt. „Gehe dahin, wo du dich nicht auskennst“ ist | |
| einer der von Yelin beherzigten Ratschläge, die auf Feuchtenberger | |
| zurückgehen. Auch die Zeichnerin Lisa Frühbeis erschafft in ihrem | |
| übergroßen, farbenfrohen Wandbild „Freiheit ist doch das Schönste“ eine | |
| Hommage an ein berühmtes Vorbild: Darin zeichnet sie die Vita der | |
| „Mumins“-Schöpferin Tove Jansson pointiert auf. | |
| In manchen feministischen Comics werden Geschlechterverhältnisse umgedreht | |
| – „Gender Reverse“ wird dieses Subgenre bezeichnet. Natalia Batista | |
| zeichnet etwa im Mangastil ihre Serie „Sword Princess Amaltea“, in der | |
| starke Prinzessinnen schwache Prinzen retten müssen. Und Tracy Chahwan | |
| erfindet einen fiktiven arabischen Staat, in dem die Frauen an der Macht | |
| sind. Die Utopien behaupten jedoch nicht, dass die verkehrte neue Welt eine | |
| bessere ist – Ungerechtigkeiten, Sexismus und Rassismus bestehen meist | |
| fort. | |
| Die sehenswerte Ausstellung zeigt anschaulich und mit vielfältigem | |
| Bildmaterial, Videos und Animationen die ästhetische und inhaltliche | |
| Vielfalt einer neuen, engagierten Zeichnerinnengeneration. | |
| 29 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralph Trommer | |
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