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# taz.de -- Oben-Ohne-Demo in Berlin: Freie Nippel
> Beschriebene Brüste statt Plakate – in Berlin demonstrieren Menschen für
> die Gleichbehandlung nackter Körper. Anlass ist ein Vorfall am
> Spielplatz.
Bild: „no nipple is free until all nipples are free“
Berlin taz | Sorgfältig malt sich eine Frau mit roter Farbe einen Kussmund
auf den linken Nippel. Einige Meter neben ihr schmieren sich zwei Frauen
den ganzen Oberkörper rot ein. Dahinter legt sich jemand eine lila Federboa
um die Schultern – die Vorbereitungen auf die Demo am Samstagmittag am
Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg erinnern an ein Festival. Wäre da nicht
ein Unterschied: Alle anwesenden Frauen und non-binären Personen sind
oberkörperfrei. Nur Farbe oder die Haare einiger pastellfarbener Perücken
verdecken Teile ihrer Brüste. Die wenigen Männer, die da sind, tragen
hingegen meist Bustiers, BHs, Bikinis.
Die Demonstrierenden wollen darauf aufmerksam machen, dass [1][männliche]
und [2][weibliche] Oberkörper nicht gleich behandelt werden. Unter dem
Motto „No nipple is free until all nipples are free“ hatte die nur für
diesen Zweck entstandene Sektion „Wilde Möpse“ der Hedonistischen
Internationalen zur Demo aufgerufen. Auf Fahrrädern zieht der Zug ab Mittag
quer durch Kreuzberg und Neukölln bis zum Tempelhofer Feld. Gekommen sind
laut Veranstalter*innen rund 700 Menschen, laut Polizei rund 350.
Hintergrund des Protests ist ein Ereignis Ende Juni: [3][Weil eine Frau
sich oben ohne am Wasserspielplatz Plansche im Plänterwald gesonnt hatte],
während ihr Sohn im Wasser spielte, war zunächst die Parkaufsicht und
schließlich die Polizei gekommen. Beide hatten sie aufgefordert, einen BH
oder ein T-Shirt anzuziehen, weil ihre Brüste „stören“ würden und es „…
Kinder“ gebe. Die Frau namens Gabrielle Lebreton weigerte sich. „Das ist
Diskriminierung“, habe sie laut ihrem Gedächtnisprotokoll gesagt.
Schließlich sei sie gegangen, weil die Polizei sie des Platzes verweisen
wollte. Zur Demo kam Lebreton nicht, sie wolle sich nicht in den
Vordergrund drängen. Aber sie hat eine Nachricht geschickt, die bei der
Anfangskundgebung zu hören ist.
## CDU? Cool damit
Dass die Teilnehmerinnen oben ohne sind, wurde zur Überraschung der
Veranstalter*innen schon im Vorfeld genehmigt. Für eine der
Organisator*innen, die als Rosa Nippel-frei zitiert werden will, bestätigt
das nur, wie absurd der Vorfall im Plänterwald war: „Selbst die CDU hat
nichts hiergegen. Das zeigt die ungeschriebene Gesellschaftsordnung in
Berlin. Der Konsens zu oben ohne ist da.“ Deswegen fordern die Wilden
Möpse, das politisch umzusetzen.
Lebreton war wegen Belästigung der Allgemeinheit gemäß §118 des
Ordnungswidrigkeitengesetzes des Platzes verwiesen worden – dass ihr
nackter Oberkörper darunter fällt, sei die persönliche Auslegung des
Polizisten gewesen. Damit so etwas nicht wieder vorkomme, sei eine
verwaltungsinterne Richtlinie, die diese Auslegung unterbindet, eine
Lösung.
Für eine junge Teilnehmerin der Demo ist es damit jedoch noch nicht getan.
„Das Gesetz zu ändern reicht nicht, um das gesellschaftliche Bild zu
ändern“, sagt Rosa, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Aktuell werde
die Brust zu sehr als sexuelles Symbol gesehen. „Brüste sind basically da,
um Babys zu füttern. Ich kann nicht nachvollziehen, warum das sexualisiert
wird“, sagt sie. „Free the titties“ steht in schwarzer Farbe auf ihrem
Oberkörper.
Überhaupt gibt es auf dieser Fahrraddemo nur wenige Plakate aus Pappe,
dafür umso mehr Sprüche auf Körpern: „I am not your porn“, „Chill mal …
Nippel“ oder „Free the nipple“.
Am Rande des Fahrradzuges bringt ein männlicher Demoteilnehmer – oben ohne
– seiner Begleiterin – auch oben ohne – ein Bier aus dem Späti. Kurz
verweilen sie vor dem Geschäft. Da kommt ein Mitarbeiter und bittet die
Frau mit eindeutigen Gesten zu gehen. Oben ohne, so normal das heute in der
Masse der Protestierenden wirkt, so anstößig ist es noch in der Realität.
10 Jul 2021
## LINKS
[1] /Nackte-Oberkoerper/!5524506
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[3] /Spielplatzverweis-wegen-nackter-Brust/!5779289
## AUTOREN
Cristina Plett
## TAGS
Feminismus
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Brüste
Demonstration
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Wochenkommentar
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