| # taz.de -- Die wahren Lügen der Kunst: „Frauen sind Täter und Opfer“ | |
| > Die Albertina in Wien widmet Xenia Hausner die große Retrospektive „True | |
| > Lies“. Ein Gespräch mit der Künstlerin in ihrem Wiener Atelier. | |
| Bild: Aussschnitt aus Xenia Hausners „Das weibliche Maß“ (2021) | |
| Xenia Hausners Bildfindungen entlarven gesellschaftliche Lügen. In ihren | |
| großformatigen Gemälden deckt die Künstlerin Widersprüche auf und liefert | |
| einen malerischen Gegenentwurf zu einer von Männern dominierten Bildsprache | |
| gleich mit. Denn ihr Werk der vergangenen 30 Jahre siedelt in einer | |
| weiblichen Welt. | |
| Worum geht es Ihnen in Ihrer derzeitigen Retrospektive in der Wiener | |
| Albertina? Sie haben gezielt Arbeiten ausgewählt. | |
| Wir konnten international nicht alle Arbeiten aus zum Teil Privatsammlungen | |
| für die Ausstellung erhalten, aber es sind dennoch genügend Bilder aus den | |
| verschiedenen Werkabschnitten zu sehen. Es war mir in meiner Arbeit immer | |
| ein Anliegen, den weiblichen Kosmos darzustellen. Denn Frauen sind Täter | |
| und Opfer und alles! | |
| Meine Figuren schauen ja relativ stark und direkt aus den Bildern. Sie sind | |
| selbstbestimmte und relativ aufmüpfige Gestalten, die da in den Bildern | |
| agieren. Und sie sind keine Opfer. Das ist das Statement und zugleich mein | |
| Aufruf – die Wehrhaftigkeit! Ich freue mich auch, dass die Ausstellung noch | |
| auf Reisen gehen soll, denn meine Arbeit ist ja auch Zeugnis von einem | |
| selbstbestimmten Leben. | |
| Wie gehen Sie da vor? | |
| Ich baue Settings, sozusagen primitive funktionelle Provisorien, und mache | |
| darin Fotos, in denen ich mich einem vage vorhandenen Thema annähere, | |
| eigentlich wie in einem Probenraum. Es gibt ja Regisseure wie (Robert) | |
| Wilson, der hat ja jeden Finger vorgemacht, wie er gehalten werden soll im | |
| Licht. Und es gibt andere wie (Peter) Zadek, die sitzen wie das Orakel von | |
| Delphi im Zuschauerraum und schauen, was passiert. Ich liege wahrscheinlich | |
| dazwischen. Sozusagen die Regisseurin meiner eigenen Bildthemen. | |
| Das Frauenthema auch in Ihren Bildthemen ist Ihnen von jeher wichtig | |
| gewesen. Gibt es biografische Gründe dafür? Welche? | |
| Einer kann sein, dass mir meine Mutter so ohnmächtig meinem Vater gegenüber | |
| vorgekommen ist. Ich wollte nie so abhängig sein. Es ist ja so – auf der | |
| Akademie sind so viele Mädchen wie Burschen, so viel Frauen wie Männer, | |
| manchmal sogar mehr Frauen. Aber im Beruf haben sich nur ganz wenige | |
| durchgesetzt. Durch diesen Druck der Doppelbelastung, dem meistens nur | |
| Bildungsbürger oder wohlhabendere Frauen standhalten, wird das Klischee | |
| immer noch eingelöst – Frauen zu Haus und die Männer machen Karriere. | |
| Ich hab als junge Frau auch alle diese Klischees erlebt. Vom im Theater | |
| noch auf den Hintern klopfen und der Frage, wird sie das als Frau technisch | |
| können, all diese langweiligen Vorurteile. Ich habe mich damals | |
| komischerweise nie als Opfer gefühlt, ich habe das weggeputzt, irgendwie | |
| immer gedacht, Volltrottel, und bin weiter! (lacht) | |
| Was sagen Sie zu Feminismus in der Malerei und im Markt? | |
| Es gab schon sehr ärgerliche Momente, in denen ich verstanden habe, dass | |
| ein stereotypes Vorurteil die Männer absolut begünstigt. Dass das Pendel | |
| jetzt in die andere Richtung schwingt, ist nur recht und billig. Ich male | |
| seit Jahrzehnten hauptsächlich Frauen, bei mir spielen sie alle Rollen und | |
| stehen für alle Genderzugehörigkeiten, auch für die Männer. | |
| Mein Kosmos ist eben weiblich! Aber die Sammler sind total unterschiedlich, | |
| jedenfalls keine ausgesprochenen FeministInnen. Aber was ist eine | |
| Feministin? Die Frage klingt schon so überholt und nach 60er Jahre. Jede | |
| Frau hat heute den Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben. | |
| Vor der Malerei haben Sie Bühnenbild gemacht, zuletzt waren [1][Sie in | |
| Berlin im „Rosenkavalier“ damit zu sehen]. Was kann die Malerei, was das | |
| Bühnenbild nicht im Stande ist zu leisten und umgekehrt? | |
| Die Malerei bleibt – das Bühnenbild ist schnelllebig und Moden unterworfen. | |
| Das Bühnenbild emotionalisiert im Augenblick vielleicht direkter, aber die | |
| Malerei arbeitet nachhaltiger im Gemüt weiter. | |
| Die Malerei hatte seit der Zeit nach dem Krieg gegenüber Konzeptkunst und | |
| Minimalismus oft das Nachsehen und stand nicht derart im Blickpunkt. Haben | |
| Sie eine Erklärung dafür, warum diese gerade durch die Pandemie wieder ihr | |
| Revival erlebt? | |
| Die Stille in der Pandemie war doch einfach großartig! Ich habe es | |
| fantastisch gefunden und es war eine ganz neue Erfahrung. Ich glaube, | |
| gerade die Maler oder auch Schriftsteller haben sicher ein super Jahr | |
| gehabt, zumindest was ihre Produktivität betrifft. Es war einfach | |
| begünstigend und auch befreiend! Ich hoffe, wir behalten uns ein Stück | |
| davon. | |
| Das ist ja jetzt die allgemeine Hoffnung. Die Lesbarkeit von Malerei ist | |
| abhängig von Entschleunigung. Gegenüber Minimalismus emotionalisiert sie | |
| stärker und ist somit dichter am Menschen dran. Meine Überzeugung ist, dass | |
| für das Vertiefen in Malerei auch seitens des Betrachters Ruhe erforderlich | |
| ist. Und davon hatten wir zuletzt ja alle genug. | |
| 28 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sebastian Strenger | |
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