# taz.de -- Malerin Anna Dorothea Therbusch zum 300.: Die Dame mit dem Augenglas | |
> Vor 300 Jahren wurde die Porträtmalerin Anna Dorothea Therbusch geboren. | |
> Die Künstlerinneninitiative Fair Share erinnert an sie. | |
Bild: Selbstportrait von Anna Dorothea Therbusch | |
Im Kolonnadenhof auf der Museumsinsel soll heute Geburtstag gefeiert | |
werden: Vor dreihundert Jahren wurde Anna Dorothea Therbusch geboren, eine | |
erfolgreiche Porträtmalerin an Europas Höfen. Dass sie sich als Künstlerin | |
durchsetzen konnte, war im Rokoko eine Ausnahme. Gelernt hatte sie zwar bei | |
ihrem Vater in Berlin, dem polnischen Bildnismaler Georg Lisiewski, doch in | |
der Ehe mit dem Gastwirt Ernst Friedrich Therbusch blieb ihr kaum Zeit und | |
Raum, sich mit dem Malen zu beschäftigen. Umso erstaunlicher, dass sie es | |
ab ihrem vierzigsten Lebensjahr schaffte, in Stuttgart, Mannheim und Berlin | |
wichtige Aufträge zu bekommen. | |
Die Geburtstagsfeier, mit Reproduktionen auf Stoffen, Bannern und | |
Postkarten, ist eine Initiative von Fair Share, einem Zusammenschluss von | |
Künstlerinnen, die sich seit dem letzten Jahr mit Aktionen für mehr | |
Sichtbarkeit von Künstlerinnen einsetzen, auch von denen aus der | |
Geschichte, die oft in den Depots von Sammlungen vergessen worden sind. | |
Zuletzt brachte Fair Share in der Nacht des 4. Juni am Bauzaun der Neuen | |
Nationalgalerie Schilder mit den Namen von 800 Künstlerinnen an, die sie | |
gerne in Ausstellungen sähen. Es waren die Tage der offenen Tür am | |
sanierten Museum. Am nächsten Morgen waren die Schilder entfernt. | |
Einige Bilder von Anna Dorothea Therbusch befinden sich in Berliner | |
Sammlungen: ein Selbstporträt als junge Frau im Jagdschloss Grunewald, ein | |
Bildnis des Berliner Arztes Christian Andreas Cothenius in der | |
Gemäldegalerie, [1][ein sehr bekanntes Selbstporträt als ältere Frau in der | |
Alten Nationalgalerie]. Weitere Bilder hängen in Schlössern in Potsdam. | |
Denn Therbuschs Auftraggeber waren oft eng mit der Geschichte Berlins und | |
Preußens verknüpft, Generäle und Herrscherfamilien sind darunter, aber auch | |
Künstler und Philosophen. Nicht mehr erhalten ist ihr Porträt von Denis | |
Diderot, der sich in Paris zunächst für sie begeisterte, später aber ihren | |
Stil kritisierte. Das ist mehr als eine Anekdote, weil seine Kritik die | |
Rezeption ihres Stils, der im Alter freier und selbstbewusster wurde, | |
teilweise negativ überschattete. | |
Anna Dorothea Therbusch hat um ihre Anerkennung kämpfen müssen. Sie war | |
1763 nach Paris gegangen, um sich für die Aufnahme in die Académie Royale | |
zu bewerben, was in dem Berufsfeld weiterhalf. Das gelang ihr zwar, aber | |
sie musste dafür einen Prozess führen, um zu beweisen, dass sie das | |
eingereichte Bild „Das Abendessen im Kerzenschein“ eigenhändig gemalt | |
hatte. | |
Die Feier als Protest | |
Fair Share will mit der Feier auch dagegen protestieren, dass keines der | |
Museen in Deutschland, die Werke von ihr besitzen, ihr zum Geburtstag eine | |
große Retrospektive ausrichtet. „Wir sind Künstlerinnen“, sagt Ines | |
Doleschal von Fair Share, „aber eigentlich hätte die Initiative von der | |
Museumswelt ausgehen müssen.“ Ungefähr 250 Bilder von Therbusch sind | |
bekannt und auffindbar, andere verschollen. Die Schriftstellerin Cornelia | |
Naumann, die einen Roman über Therbusch geschrieben hat, und der | |
Julie-Wolfthorn-Freundeskreis haben laut Fair Share schon vor fünf Jahren | |
darauf hinzuarbeiten versucht, ohne großen Erfolg. Ganz lassen die | |
Staatlichen Museen zu Berlin das Datum allerdings nicht verstreichen: | |
Anfang Dezember wird in der Gemäldegalerie eine Sonderpräsentation aus | |
eigenen Beständen für Therbusch eröffnet. | |
Porträtmaler und -malerinnen waren auch Unternehmer, auf Aufträge | |
angewiesen. Während für männliche Künstler das Genre ein weiteres Feld sein | |
konnte, ihre Ausdrucksfähigkeit zu zeigen, standen Malerinnen – so sie denn | |
überhaupt eine Ausbildung bekommen hatten, meist in einer Künstlerfamilie – | |
viel weniger Gattungen offen. Das Porträt war eine der wenigen | |
Möglichkeiten, die Frauen mussten keine Modelle bezahlen, statt eines | |
Hauchs von Boheme im Atelier bestimmten Repräsentation und | |
gesellschaftlicher Status den Ort des Malens. Porträts zu malen war eine | |
Möglichkeit, wo es andere kaum gab. Bezahlt aber mit dem Preis, dass das | |
Ansehen des Genres in der Moderne verfiel und die Bilder eher in | |
historischen Kontexten aufbewahrt wurden denn in Sammlungen, die nach | |
ästhetischen Kriterien angelegt waren. | |
Aber Therbusch war nicht nur eine zeitweise gefragte Porträtistin – 1773 | |
malte sie acht Mitglieder der Familie Friedrichs des Großen für den | |
russischen Hof –, sondern entwickelte sich malerisch auch weiter, wurde | |
freier in den Konturen und im Farbauftrag. Die Psyche und der Charakter der | |
Abgebildeten spielten eine zunehmend größere Rolle. Das ist sehr gut auch | |
an ihren ungewöhnlichen Selbstporträts als ältere Frau zu sehen: mit einem | |
Augenglas und einem Blick, der zwar vom Nachlassen der Kräfte und Müdigkeit | |
erzählt, aber auch von Gelassenheit. | |
Das Vergessen von Künstlerinnen in den Depots von Sammlungen hat System; | |
das ist es, was Fair Share auf Trab bringt. In ihren Aktionen wie am | |
Frauentag in diesem Jahr bringen sie diese kunsthistorischen Lücken | |
zusammen mit Statistiken aus der Gegenwart: Von 1.619 Einzelausstellungen | |
in deutschen Museen zwischen 2000 und 2020 galten 79,68 Prozent Künstlern, | |
20,32 Prozent Künstlerinnen. Nur sehr langsam verschieben sich die | |
Verhältnisse. Immerhin sind nun sowohl in der Gemäldegalerie als auch in | |
der Alten Nationalgalerie Werke von Anna Dorothea Therbusch jüngst in die | |
Dauerausstellungen aufgenommen worden. | |
23 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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