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# taz.de -- Über den jüdischen Kaufhaus-Erfinder: „Ich bin da eher so reing…
> Als Geschäftsführer des Handelsverbandes vertritt Nils Busch-Petersen
> nicht nur den Einzelhandel. Er hält das Gedenken an Oscar Tietz wach.
Bild: Nils Busch-Petersen im Besprechungsraum des Haus des Handels am Mehringda…
taz: Herr Busch-Petersen, wann waren Sie das letzte Mal in Birnbaum?
Nils Busch-Petersen: Vor viel zu langer Zeit. Es war vor vier oder fünf
Jahren, da hatten wir eine Klausur des Präsidiums des Handelsverbandes in
diesem magischen Ort.
Sie sind als Geschäftsführer des Berliner Handelsverbandes in diesem
magischen Ort, der heute Międzychód heißt, ein gern gesehener Gast. Warum?
Weil wir uns angefreundet haben. Das geht zurück auf die erste Exkursion
nach Polen. Meine Warenhausleute hier im Verband, die waren privat mehrfach
im Jahr auf Ibiza, dienstlich in New York, London oder Paris. Aber eine
Reise nach Polen war für sie in den neunziger Jahren kein Thema. In einer
Vorstandsrunde habe ich denen dann die Geschichte von Oscar und Leonhard
Tietz erzählt. Da sprangen dann einige an und ließen sich auf dieses
Abenteuer ein.
Das für Sie als Ostler natürlich keines war.
Natürlich nicht, ich bin mit einem Bekannten vor der Exkursion dann
unangemeldet hin, um zu sehen, ob es da überhaupt ein Hotel gab. Wir sind
rumgeschlichen und haben im Stadtpark einen nagelneuen Gedenkstein für
Oscar Tietz entdeckt.
Der geht nicht auf Sie zurück?
Nein, das war ja das Tolle. Ich wusste sofort, ich bin am richtigen Ort.
Was ist an Oscar Tietz so bedeutend?
Als Kind eines armen Fuhrmannes, der Gelegenheitshandel betrieb, wurde er
zum Visionär, einem Erfinder des deutschen Warenhauses. Er beeindruckt mich
aber auch, weil er immer ein sehr sozialer Unternehmer geblieben ist.
Was genau hat Tietz erfunden?
Er hat das Warenhaus als Betriebsform miterfunden. Er hat die modernen
Handelsprinzipien zunächst in einem kleinen Geschäft in Gera mit zwei
Schaufenstern umgesetzt. Das war sein Start. Da war überhaupt noch nicht
erkennbar, was das für ein Knaller wird.
Was war genau das Neue an diesem Knaller?
In einem Laden verschiedene Sortimente anzubieten. Zuvor hatte man entweder
Handschuhe oder Stöcke gehandelt, aber nicht beides zusammen. Mit der
Auspreisung der Waren gab es nicht mehr die Mauscheleien um den Preis wie
vorher. Im Gegenzug mussten die Kunden sofort in bar bezahlen. Das hat den
Warenumschlag beschleunigt, weil sofort wieder neue Waren bestellt werden
konnten. Und als einer der ersten hat er in Deutschland das Entrée libre
eingeführt.
Gab es zuvor einen Kaufzwang, wenn man ein Geschäft betrat?
Ja, es gab einen gewohnheitsrechtlichen Kaufzwang. Und mit dem hat Tietz
zum ersten Mal gebrochen, indem er sagte: Komm rein, schau, was dir
gefällt, und wenn dir nichts gefällt, kannst du wieder gehen. Das war
völlig neu und hat die Leute teilweise auch überfordert.
Eine Art Vorläufer des Schaufensterbummels.
Auch erste Flaneure tauchen in dieser Zeit auf. Und dann gehörte zu Tietz
und seinen Warenhäusern auch eine hohe Kulanz. Das ist ja bis heute so,
dass die Kulanz in den Kaufhäusern weit über die gesetzlichen Normen hinaus
geht.
Und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Wir wissen von seinen Nachfahren, dass Oscar Tietz durchaus sozialistischen
Ideen nahe war, in seiner Bibliothek standen auch die Werke von Bebel und
Marx. Er hat die Mitarbeiter gefördert, hat versucht, sie an den Betrieb zu
binden. Die Warenhäuser waren auch die ersten, die im
Beschäftigungsverhältnis die Logispflicht aufgelöst haben. Bis die
Warenhäuser kamen, haben die Beschäftigten im Handel im Regelfall im Haus
des Kaufmanns gewohnt und gegessen. Tietz hat gesagt, ich bezahle meine
Beschäftigten so gut, dass sie sich eine Wohnung mieten können.
Seine Firma hieß nicht Oscar, sondern Hermann Tietz. Warum?
Hermann war sein Onkel, der sein Vermögen in Amerika gemacht hatte. Von ihm
hatte er das Startkapital für den ersten Laden in Gera bekommen. Ihm zu
Ehren hat er dann die Firma benannt. Weil Hermann aber unter dem Druck
seiner Brüder stand, ist das Startkapital schnell wieder zurückgefordert
worden. Oscar war aber schon nach wenigen Wochen in der Lage, das
zurückzuzahlen, auch weil die Adoptivtochter von Hermann, Betty, ihre
Mitgift in den Laden steckte und später Oscar auch heiratete. Er blieb aber
seinem Onkel immer freundschaftlich verbunden.
Wie kam Oscar Tietz nach Berlin?
Über München. Dort hatte er ein Problem gehabt, weil die anderen Onkels
verlangten, dass er nach der Heirat eine Immobilie kaufte, um eine
Sicherheit für die Familie zu haben. Oscar und Betty hatten zwar am Stachus
einen großen Laden, aber es war nicht ihr eigener. Oscar hat dann ein
Bürohaus gekauft, aber da zogen die Mieter aus. Das war auch eine
antisemitische Stimmung in München. Sein Sohn schreibt, dass in einem
Judenpalast keiner seine Büros haben wollte. Und so stand er da und das
Haus war leer.
Also war wieder Erfindungsgeist gefordert.
Für ihn war klar, dass unten ein Laden reinkommt. Aber dann hat er gefragt,
warum er nicht auch in der ersten und zweiten Etage Handel treiben sollte.
Die Geburtsstunde des Kaufhauses. Wann war das?
Anfang der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Zeitgleich aber ist das gleiche
Konzept von Wertheim angewandt worden. Man kann also nicht sagen, dass
Oscar Tietz der alleinige Erfinder des Warenhauses war. Mit A. Wertheim und
Hermann Tietz sind die ersten Warenhäuser etwa gleichzeitig in Berlin und
in München entstanden.
Zunächst war nicht klar, dass die Reise nach Berlin gehen würde.
Ende der 1890er Jahre gab es einen Familienrat. Betty, Oscar und Onkel
Hermann überlegten, wo es hingeht. Oscar war für London. Hermann fand, es
sei an der Zeit, nach Amerika zu gehen. Betty sagte, niemals verlasse sie
ihr Vaterland. Also sind sie in die Reichshauptstadt. So entstand 1900 in
der Leipziger Straße am Dönhoffplatz das erste Warenhaus von Hermann Tietz,
ein prächtiger Bau mit Glasfassaden.
Damit gab es mit dem Wertheim am Leipziger Platz gleich zwei Warenhäuser in
der Straße.
Nicht zu vergessen: Jandorf am Spittelmarkt. Aber Tietz konnte schon 1905
expandieren und hat das legendäre Haus von Cremer und Wolffenstein gebaut
und immer wieder erweitert.
Das war am Alexanderplatz.
Der sich damals als Stadtplatz erst langsam etablieren konnte. Vorher war
er ein eher unbedeutender Viehmarkt. Aber Oscar Tietz erkannte, dass da mit
dem Stadtbahnhof und dem Bau der U-Bahnen eine Lage am Entstehen war, die
Potenzial versprach. Also hat er das gegen den Rat aller Fachleute
entschieden. Das Volk hat dann gesungen, bei Tietz am Alexanderplatz gibts
Badehosen mit Pelzbesatz.
Die Geschichte der Unternehmerpersönlichkeit Oscar Tietz ist ja auch den
Menschen in Międzychód bekannt, sonst würde es das Denkmal nicht geben.
Welche Rolle spielt Tietz heute in seinem Geburtsort?
Als Tietz 1858 geboren wurde, war Birnbaum eine Kleinstadt mit einem
Drittel deutschen Christen, einem Drittel Polen und einem Drittel Juden.
Oscar hat zu seinem 25. Betriebsjubiläum 1907 aus Dankbarkeit in drei
Städten Geld gestiftet. In Berlin und in München, aber das meiste, aus
Dankbarkeit für seinen Werdegang, in Birnbaum. Für den kleinen Sportplatz,
der heute noch in Betrieb ist, für den Stadtpark …
… der heute nach ihm benannt ist.
Und für das städtische Wannenbad. Die Stadt hat ihm im Gegenzug den Stein
gestiftet. Als Birnbaum dann nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wurde, ist
die deutsche Inschrift durch eine polnische ersetzt worden. Aus Oscar wurde
Oskar mit k. Beim Einmarsch der Nazis ist der Gedenkstein dann
verschwunden. Auch der jüdische Friedhof ist verwüstet worden. Von den
Enkelkindern haben wir später gehört, dass Birnbaum in der Erinnerung der
Familie immer etwas Besonderes war. Von den Enkelkindern war aber vor
unserem Kontakt nie eines dort. Umso glücklicher war ich, als ich 2008 mit
einer Enkeltochter und Urenkeln nach Międzychód fahren konnte.
Woher kommt diese Dankbarkeit, er war doch nur 17 Jahre lang in Birnbaum
gewesen?
Er selbst hat keine Erinnerungen geschrieben. Aus den Erinnerungen des
Erstgeborenen geht hervor, dass er sich dem Ort dankbar verbunden fühlte,
nicht nur, weil er die Fuhrpferde seines Vaters in der Warthe getränkt
hatte, sondern auch wegen der Schulbildung. In der Familie heißt es, es
seien vor allem Lehrer gewesen, die Alt-48er waren.
Also diejenigen, die an der Märzrevolution 1848 teilgenommen hatten.
In Preußen sind sie danach aus den Großstädten in die Provinzen verbannt
worden. Aber ihre liberalen Ideen haben sie mitgenommen. Von einigen dieser
Lehrer ist Oscar Tietz sehr geprägt worden. So wurde er auch zu einem
Verehrer von Heine. Er war auch ein ziemlich aufsässiger Geist.
All das haben Sie aufgeschrieben in ihrem Band der Jüdischen Miniaturen
über Oscar Tietz, der auch ins Polnische übersetzt wurde. Was hat Sie denn
bewogen, sich mit seiner Geschichte zu beschäftigen? Gab es da ein
Schlüsselerlebnis?
Ja, aber das hat nichts mit Oscar Tietz zu tun. Im November 1994 rief mich
der persönliche Referent des damaligen Wirtschaftssenators an. Er sagte, im
kommenden Februar sei ein Jubiläum von Adolf Jandorf, der Senator
beabsichtige, eine Ehrung am Grab vorzunehmen. Ich fragte mich, Adolf wer?
Der mit dem Kaufhaus an der Brunnenstraße?
Wusste ich damals nicht, ich hab geblufft und gesagt, ja klar, Jandorf. Der
Hintergrund des Anrufs war, dass das Grab sehr schlimm aussah. Mein Freund
Heinz Rothholz war damals Baudezernent der Jüdischen Gemeinde, den hab ich
angerufen. Es stellte sich heraus, dass da keiner was für die Pflege des
Grabes machte. Dann hab ich gesagt, Jungs, Sandstrahl, Buchstaben neu
auslegen, Buchsbaum pflanzen.
Und das Schlüsselerlebnis?
Ein paar Tage später habe ich bei der Vorstandssitzung des
Warenhausverbandes, ich war da ganz frisch dabei, unter Verschiedenes
mitgeteilt, dass im Februar der Wirtschaftssenator bei Jandorf sei, und da
guckten mich dann alle an: Jandorf? Und ich: Sie wissen doch, der Gründer
des KaDeWe. Ich hab schon mal das Grab in Ordnung bringen lassen. Und
plötzlich tickt ein Vorstand aus, obwohl er eher so die Art Gentleman war.
Der machte mich so zur Schnecke, wie ich es seit dem Wehrdienst nicht mehr
erlebt habe. Was mir einfiele, dafür Verbandsgelder zu verschwenden.
Weil er ahnte, dass nun über Arisierung debattiert werden müsste?
Mir war es nicht klar in dem Moment. Ich dachte nur, ich kann meinen Job
quittieren. Erst später erfuhr ich, dass der Betroffene aus einfachen
Verhältnissen bei Hertie bis in die höchste Konzernebene aufgestiegen war.
Und dann habe ich ihn mit der Vergangenheit seiner Förderer und Idole
indirekt konfrontiert.
Aus der Firma von Oscar Tietz, die ja Hermann Tietz hieß, wurde unter den
Nazis Hertie, die Firma seines Bruders Leonhard wurde zur Kaufhof AG.
Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das Narrativ von Hertie ließ sich ganz
kurz zusammenfassen: Nach der Weltwirtschaftskrise und mit dem Machtantritt
der Nazis befand sich das Unternehmen Hermann Tietz in einer Schieflage.
Georg Karg übernahm von den Erben das Unternehmen, sanierte es zu alter
Größe, und nach dem Krieg gab es einen außergerichtlichen Vergleich. Punkt.
Wer von diesem Narrativ abwich, musste nicht nur mit Kritik, sondern auch
mit Konsequenzen rechnen.
Wie war es wirklich?
Da lohnt sich ein kleiner Rückblick. Hermann Tietz war der Platzhirsch in
Berlin. Aber es gab auch noch die Wertheim-Gruppe und Jandorf mit dem
KaDeWe als Perle. Wertheim war hochpreisig, Tietz in der Mitte, Jandorf,
mit Ausnahme des KaDeWe, unterste Preisklasse. 1927 war klar, dass man,
wollte man erfolgreich bleiben, expandieren muss. Dazu kam als Kampfansage
der Baubeginn von Karstadt am Hermannplatz. Daraufhin kam es zu einem
legendären Treffen in der Spielbank, wo Tietz Jandorf ein Übernahmeangebot
gemacht hat. Aber um die Jandorf-Häuser auf Tietz-Standard zu bringen,
musste Tietz richtig viel Geld investieren und Kredite aufnehmen. Danach
kamen der Schwarze Freitag und die Weltwirtschaftskrise, in der die
Warenhäuser teilweise 40 Prozent Umsatzeinbruch im Jahr hatten. Es gab also
eine Schieflage, aber die wurde nach 1933 durch ein politisch motiviertes
Agieren der Banken verschärft. Die haben die fest zugesagten Kredite
gesperrt.
Die Firma Hermann Tietz wurde arisiert, indem Georg Karg als
Geschäftsführer eingesetzt wurde.
Zu den Auflagen gehörte, dass alle jüdischen Mitarbeiter entlassen werden.
Auch die jüdischen Namen sollten verschwinden, deswegen wurde aus Hermann
Tietz Hertie. Den Begriff Arisierung gab es noch nicht, obwohl damals die
„Herstellung eines arischen Übergewichts“ in der Geschäftsführung verlan…
wurde. Aber es war die Blaupause für die späteren Arisierungen.
Bei Leonhard Tietz und Kaufhof war es anders.
Kaufhof war schon lange eine Aktiengesellschaft. Als der Druck dort sehr
stark wurde, hat die Familie die Gelegenheit genutzt und sich, wenn man so
will, ihren Ariseur selbst ausgesucht. Das war ein sehr vertrauenswürdiger,
untadliger Textilfabrikant aus Wuppertal. Abraham Frowein hat dafür
gesorgt, dass die Familie erst mal sicher blieb, dann aus Deutschland
rauskam, und nach dem Krieg hat er der Familie angeboten, die Aktien zum
Verkaufspreis zur Zeit der Arisierung zurückzubekommen. Alle
Familienmitglieder, die beim Konzern waren, haben die Gehälter der
vergangenen zwölf Jahre nachbezahlt bekommen.
Und bei Hertie?
Das war überhaupt nicht vergleichbar. Kaufhof hat sich immer ganz aktiv zu
seinen jüdischen Wurzeln bekannt. Schon in den 60er Jahren hat der Konzern
durchgesetzt, dass die Sternengasse in der Kölner Altstadt, ein
traditionsreicher Name, in Leonhard-Tietz-Straße umbenannt wurde. Die
hatten nichts zu verbergen.
Sie sind nun seit 30 Jahren Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin
Brandenburg. Oscar Tietz hat 1903 den Verband deutscher Warenhäuser
gegründet. Sehen Sie sich in seiner Tradition?
Ja und nein. Das war ja alles zunächst nicht gewollt, ich bin da eher so
reingerutscht. Mein beruflicher Weg war zunächst ein anderer. Nach Abitur
und Wehrdienst habe ich Jura studiert und bin dann zum Institut für
internationale Beziehungen nach Babelsberg. Von dort kam ich nach Moskau,
wo ich 1988 die unglaublich spannende Aufbruchstimmung erleben durfte. Ich
bin also mit einem massiven Gorbatschow-Infekt zurückgekommen.
Und haben nach den Kommunalwahlen im Mai 1989 die Fälschungen angeprangert.
Nach dem Fall der Mauer wurden Sie kurzzeitig Bezirksbürgermeister von
Pankow. Dann kam Heinz Rothholz, damals handelte er mit Kinderspielzeug,
und fragte sie, ob Sie nicht Verbandsarbeit machen wollen. So wurden Sie
Geschäftsführer des Ostberliner Handelsverbandes.
Zunächst wollte ich ihm kurz helfen, den Laden aufzubauen und habe dann für
den Handel und die Kaufleute Feuer gefangen. Das brennt bis heute. In den
Neunzigern habe ich gesehen, wie viele kluge und besonnene Leute aus dem
öffentlichen Dienst vor die Tür geschickt wurden. Da ist mir die Kehle eng
geworden. In der Wirtschaft aber wurde ich vom ersten Tag an
diskriminierungsfrei angenommen. Hier zählte, was man konnte.
Ihre SED-Mitgliedschaft spielte keine Rolle?
Das hat mich nie einer gefragt, das habe ich von mir selbst aus erzählt.
Aber ungewöhnlich war, dass der Ostberliner Handelsverband den Westberliner
Verband übernahm.
Ja. Im Westen gab es schon vor der Fusion eine Vakanz, ich wurde gefragt,
ob ich das zusätzlich übernehme. Nachdem ich die Fusion erfolgreich
moderiert hatte, stand der Modezar Willy Ebbinghaus auf, der eleganteste
Mann, den ich kannte, und hat sich bei mir bedankt. Eigentlich viel zu
jung, sagte er, als er hörte, ich sei 26. Danach wurde mir gratuliert. Es
hat eine Weile gedauert, bis ich begriff, dass ich neuer Geschäftsführer
war. Der Bundesverband war entsetzt. Heute bin ich wohl der dienstälteste
Geschäftsführer der Handelsorganisation.
1900 hat der Birnbaumer Oscar Tietz sein legendäres Warenhaus in der
Leipziger Straße eröffnet. Wird das Warenhaus noch den 125. Jahrestag
dieser Gründung überleben?
Ja. Wenn, dann aber in Berlin und in großen Städten. Das Warenhaus ist und
bleibt ein Kind der Großstadt. Aber es wird nur dann überleben, wenn es das
macht, was die Gründer lebten.
Und das wäre?
Sich selbst täglich hinterfragen, nie zurücklehnen, keine Routinen die
Oberhand gewinnen lassen. Das Warenhaus muss nicht unter einem Dach alles
haben wollen. Nachdem Saturn und Mediamarkt am Alex aufgemacht haben, war
es folgerichtig, dass die Galeria Kaufhof die Technikabteilung schloss.
Und Corona?
Wir haben schon vor Corona gesehen, welche innovativen Konzepte am Markt
waren. Solche halten nun auch im KaDeWe Einzug. Die Berliner sind
warenhausaffine Kunden, Touristen sind es auch. Aber es braucht Innovation.
Wenn ich meine, das war schon immer so, dann bin ich raus. Nun müssen wir
auf den Onlinehandel reagieren, der nach Corona nicht mehr rückgängig
gemacht werden kann. Da waren die Warenhäuser sehr weit hinten.
8 Aug 2021
## AUTOREN
Uwe Rada
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