| # taz.de -- Bauern passen sich Dürren an: Mit oder gegen die Natur | |
| > Zwei Landwirte, zwei Strategien, um auf das immer trockenere Klima in | |
| > Deutschland zu reagieren. Müssen wir uns der Natur anpassen – oder | |
| > andersherum? | |
| Bild: Das Zuckerrübenfeld von Kai Rodewald | |
| Kai Rodewald kniet mit einem Bein auf einem Zuckerrübenfeld in | |
| Südniedersachsen. Die Erde ist staubtrocken. Der 54 Jahre alte Landwirt – | |
| kurze Haare, Arbeitshose mit vielen Taschen, Poloshirt mit dem Logo einer | |
| Berufsschule – gräbt mit der ausgeklappten Klinge eines Schweizer | |
| Taschenmessers eine der grünen Pflanzen aus. Sie ist nur halb so groß wie | |
| normalerweise. Weite Teile des Ackers sind kahl, weil die Saat dort nicht | |
| aufgegangen ist. Normalerweise müsste das Blätterdach der Pflanzen jetzt, | |
| Mitte Juni, schon geschlossen sein. | |
| Aber dieses Frühjahr war nicht normal. „Es hat hier nur 40 Millimeter Regen | |
| gegeben seit dem Drillen am 1. April“, sagt Rodewald mit norddeutschem | |
| Einschlag. Drillen bedeutet säen. „Das hätten 150 Millimeter sein müssen.�… | |
| Aber normale Mengen gab es schon drei Jahre nicht mehr. „Davor in dem Jahr | |
| sind wir abgesoffen.“ Da habe es Ende Juni 200 Millimeter Niederschlag | |
| gegeben. Das Klima verändert sich auch hier in der Gemeinde Nordstemmen. | |
| Rodewald guckt oft nach unten, als er das erzählt, er weicht dem Blick aus. | |
| Der gelernte Landwirtschaftsmeister und Vizevorsitzende des Bauernverbands | |
| im Kreis Hildesheim hat die Arme verschränkt, seine Mundwinkel hängen. Er | |
| wirkt unsicher. Er glaubt, dass immer weniger Menschen einverstanden sind | |
| mit der konventionellen Landwirtschaft, wie er sie betreibt. Und er merkt, | |
| dass der Klimawandel ihm das Leben, das Geschäft zunehmend schwer macht. | |
| Rodewald weiß: Er wird das nicht aufhalten können. | |
| Jan Wittenberg ist auch Bauer. Der Hof des 52-Jährigen liegt nur vier | |
| Kilometer von dem Rodewalds entfernt. Aber statt im Bauernverband engagiert | |
| er sich im Bundesvorstand der kleinen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
| Landwirtschaft, bekannt unter dem Kürzel AbL. Sein Hof hat eine | |
| Biozertifizierung, er darf also keine chemisch-synthetischen Pestizide und | |
| Dünger verwenden. | |
| Wittenberg hat ebenfalls mit dem Klimawandel zu kämpfen. Auch auf seinen | |
| Feldern hat es die letzten Jahre viel weniger geregnet als vorher üblich. | |
| Trotzdem lächelt er viel, gestikuliert mit den Händen und läuft sehr | |
| aufrecht. „Bis jetzt haben meine Kulturen unter der Trockenheit nicht | |
| gelitten“, sagt der Agraringenieur, der sein T-Shirt in die Jeans mit | |
| lässigen Löchern am Knie gesteckt und seine langen Haare zum Pferdeschwanz | |
| gebunden hat. | |
| Warum kommen manche Bauern mit dem Klimawandel besser zurecht als andere? | |
| Diese Frage geht nicht nur Landwirt*Innen an, sondern die gesamte | |
| Gesellschaft. Denn nach dem extremen Dürrejahr 2018 zahlte der Staat circa | |
| 300 Millionen Euro an Bauern, die wegen der Trockenheit zu wenig verdient | |
| hatten. | |
| Dürren könnten auch dazu führen, dass Deutschland weniger Lebensmittel | |
| produziert und mehr importieren muss. Und es droht ein Kampf ums Wasser, | |
| wenn Landwirte so viel Grundwasser auf ihre Felder pumpen wollen, dass es | |
| schwieriger wird, die Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. | |
| Wittenberg und Rodewald stehen für zwei unterschiedliche Prinzipien, | |
| Landwirtschaft zu betreiben und auf die Erderwärmung zu reagieren. Rodewald | |
| setzt stärker auf Technik wie Bewässerung und gentechnisch verändertes | |
| Saatgut. Damit er ansonsten möglichst wenig an seinem Betrieb verändern | |
| muss. | |
| Wittenberg glaubt, dass die Landwirtschaft sich mit dem knapper werdenden | |
| Wasser begnügen muss. Dafür nutzt er Pflanzenarten, die Trockenheit besser | |
| überstehen, und eine viel größere Vielfalt an Früchten, um das Risiko von | |
| Ernteausfällen zu minimieren. | |
| Zu trocken war es in mehreren Monaten dieses Jahr nicht nur in | |
| Südniedersachsen. Mit rund 108 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gab es | |
| im Frühjahr nur gut 50 Prozent des vieljährigen bundesweiten Durchschnitts; | |
| es war eines der sechs niederschlagsärmsten seit 1881, hat der [1][Deutsche | |
| Wetterdienst] beobachtet. | |
| Auch wenn die Dürre bisher bei Weitem nicht so verbreitet und stark ist wie | |
| 2018 und in geringerem Ausmaß 2019: „Besonders in Brandenburg, und Teilen | |
| Sachsens, Sachsen-Anhalts, Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens war der | |
| Boden seit März über längere Zeit zu trocken, sodass die Pflanzen in ihrer | |
| Entwicklung beschränkt sind“, sagt Andreas Marx, Dürreexperte des | |
| Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, der taz. | |
| Klimamodelle zeigen, dass auch die künftigen Sommer tendenziell trockener | |
| und heißer werden. Die Bodenfeuchte im Frühling und im Sommer hat laut | |
| Wetterdienst [2][bereits abgenommen]. | |
| Jan Wittenberg steigt auf einem Feld in der Nähe seines Hofs auf einen | |
| Traktor. Postgelb ist der lackiert statt grün-gelb wie sonst fast alle | |
| John-Deere-Trecker dieser Welt. Wittenberg zeigt gern, dass er anders ist | |
| als die meisten Bauern. Er startet den Motor, klappt ein blaues, sechs | |
| Meter breites Metallgestell aus, das an dem Fahrzeug hängt, und senkt es | |
| bis kurz über die Erde. | |
| An diesem „Striegel“ hängen Zinken, die von Federn in den Boden gedrückt | |
| werden. Wittenberg fährt los, und bei 5 Kilometer pro Stunde reißen die | |
| Zinken etwas Erde aus dem Boden und schütten damit Unkräuter zu. Die Weißen | |
| Lupinen, die Wittenberg hier ausgesät hat, bleiben stehen, weil sie stärker | |
| sind als das Unkraut. | |
| „Wir müssen Experten unter den Pflanzen auswählen, die gut mit Trockenheit | |
| zurechtkommen“, sagt der Bauer, „so wie die Lupine“, die mit ihren weit | |
| verzweigten Wurzeln auch in großer Tiefe besonders viel Wasser erreichen | |
| kann. Deshalb baut er sie an, was nur sehr wenige Landwirte in Deutschland | |
| tun. Der Biolebensmittelhersteller Zwergenwiese zum Beispiel macht aus | |
| seinen Lupinen Brotaufstriche. | |
| Dass sein Hof bisher nicht unter der Trockenheit gelitten hat, liegt aber | |
| nicht nur an den das Klima vertragenden Pflanzenarten. Wittenberg gräbt | |
| jetzt mit einem Eiskratzer etwa 4 Zentimeter tief in die Erde. Darunter ist | |
| sie nicht mehr staubtrocken und hell, sondern feucht und dunkel. „Genau in | |
| der Tiefe bin ich mit dem Grubber gefahren“, sagt der Bauer. | |
| Der Grubber ist ein Gerät mit Scharen, die ähnlich einem Pflug den Boden | |
| aufreißen und dabei Unkraut zerschneiden und verschütten. Aber anders als | |
| beim Pflügen wird die Erde nur wenige Zentimeter tief gewendet. Die Gänge | |
| der Regenwürmer bleiben weitgehend erhalten. „Dann kann das Regenwasser | |
| leichter versickern und der Boden speichert mehr davon, da es selbst bei | |
| starken Regem nicht an der Oberfläche abfließt“, sagt Wittenberg. „Deshalb | |
| habe ich das Pflügen vor über 20 Jahren eingestellt.“ | |
| Aber manchmal reichen auch die pfluglose Bodenbearbeitung und | |
| vergleichsweise trockentolerante Pflanzen nicht, um den Regenmangel | |
| auszugleichen. „Da hilft es nur, das Risiko zu streuen, sodass Kulturen mit | |
| geringen oder gar keinen Trockenschäden Verluste bei stark betroffenen | |
| Pflanzen ausgleichen“, sagt der Landwirt. Dafür baue er gleich 12 | |
| verschiedene Pflanzenarten an. „Im Dürrejahr 2018 litt zum Beispiel der | |
| Dinkel, aber der steht nur auf einem Achtel der Fläche. Woanders habe ich | |
| eine Lupine. Die hatte trotz Dürre den größten Ertrag bisher. Die hat den | |
| Verlust voll überkompensiert.“ | |
| Kai Rodewald sitzt an einem Tisch im Garten seines Hauses und schenkt – | |
| passend zum Thema – Wasser ein. Kurz hinter dem Zaun steht eine riesiger | |
| Treckeranhänger: eine Pestizidspritze. Die Reifen sind größer als ein | |
| Mensch, die Metallarme mit den Düsen messen 27 Meter, wenn sie ausgeklappt | |
| sind. Rodewald bekämpft mit Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat zum | |
| Beispiel Unkräuter. Da ist er sozusagen Old School, wie die meisten Bauern | |
| in Deutschland. | |
| Aber auch Rodewald weiß: Die Krankheiten und der Unkrautdruck lassen sich | |
| auch durch eine weitere Fruchtfolge reduzieren. Das bedeutet, dass auf | |
| einem Acker nicht jedes Jahr die gleiche Pflanzenart wächst, sondern viele | |
| Früchte sich abwechseln. Denn dann können sich die Schädlinge schlechter | |
| auf die Kulturpflanzen einstellen und vermehren sich nicht so schnell. | |
| ## Bei Trockenheit geeignet: Soja | |
| „Wir sind jetzt bei fünf Fruchtfolgegliedern angekommen. Früher hatten wir | |
| mal zwei, vielleicht drei“, sagt Rodewald. Nun sieht er ein: „Das kann man | |
| eine gewisse Zeit machen, und das ist auch eine gewisse Zeit | |
| wirtschaftlich, aber auf Dauer nicht nachhaltig.“ Doch von der Vielfalt auf | |
| Wittenbergs Hof ist Rodewald immer noch weit entfernt. Rodewald erzählt | |
| auch, dass er mitunter immer noch 20 Prozent seiner Flächen pflüge – | |
| manchmal mehr, wenn es zu viele unerwünschte Pflanzen auf dem Feld gibt. | |
| Auf einem Acker in der Nähe seines Hofs zeigt der Landwirt, was er noch | |
| macht, um sich dem Klimawandel anzupassen. Aus dem trockenen Boden lugen | |
| grüne, braun behaarte Pflänzchen, die noch kaum größer als Rodewalds Hand | |
| sind: Soja. Das ist eine Pflanzenart, die es gern warm hat und bis zur | |
| Blüte im Frühsommer viel Trockenheit verträgt. | |
| Aber: Während Wittenberg schon vor zehn Jahren mit Soja begann, probiert | |
| Rodewald sie erst jetzt aus. Er versuche ja, mehr Pflanzenarten anzubauen, | |
| die für ein trockeneres Klima geeignet sind, sagt Rodewald. „Aber letzten | |
| Endes müssen Sie auch eine Vermarktung dafür haben. Sie müssen ja auch eine | |
| Wirtschaftlichkeit sicherstellen“, begründet der Bauer sein Zögern. | |
| Ackerbohnen wären zwar gut für den Boden, aber die ließen sich nun mal | |
| schlecht verkaufen. | |
| Er bekommt für seine konventionelle Ware eben keine Aufschläge für Bioware | |
| wie Wittenberg. Rodewald zeigt auf einen Anhänger in einer Halle seines | |
| Hofs. Voller Weizen sei der, erzählt er. Was passiert mit dem? „Momentan | |
| gehen gefühlt 60 Prozent des Weizens aufs Schiff, dann nach Hamburg und | |
| werden in die große weite Welt verschifft“, antwortet der Landwirt. Was | |
| genau aus seinem Getreide hergestellt wird, weiß er nicht. | |
| ## Möglichst billig produzieren | |
| Rodewald hängt viel stärker als Wittenberg vom anonymen Weltmarkt ab. Immer | |
| wieder klagt er, dass die deutschen Bauern höhere Kosten hätten als die | |
| Konkurrenz etwa in Lateinamerika oder Polen, zum Beispiel weil die mehr | |
| Pestizide benutzen dürften. Es geht vor allem um eins: möglichst billig zu | |
| produzieren. Anders als Wittenberg verkauft er seine Ernte nicht direkt an | |
| Lebensmittelhersteller, sondern an Händler, die natürlich auch ihren Teil | |
| vom Preis haben wollen und ihre Lieferanten wechseln, wenn sie zu teuer | |
| sind. | |
| Er kann auch nicht so leicht Lupinen als Lebensmittel verkaufen, weil | |
| konventionelle Hersteller kaum Lupinenaufstriche anbieten. Die gibt es fast | |
| nur in Bio. | |
| Mehr Fruchtarten, vergleichsweise trockentolerante Pflanzen, weniger | |
| pflügen – Rodewald und Wittenberg sind schon in die gleiche Richtung | |
| gegangen. Aber der Biobauer hat sich dem Klimawandel schon viel stärker | |
| angepasst. | |
| Ihr Wege trennen sich, wenn es um die Frage geht, ob die Landwirtschaft dem | |
| neuen Klima mit mehr Technik begegnen sollte. Ob man nicht nur mit, sondern | |
| auch gegen die Natur arbeiten sollte. | |
| Ein Beispiel: Obwohl es immer weniger Regen gibt, überlegt Rodewald, ob er | |
| demnächst auch Kartoffeln anbaut. Das ist ausgerechnet eine Pflanzenart, | |
| die bis zur Blüte viel Wasser benötigt. „Wir haben die Überlegung, einen | |
| Brunnen zu bohren und dann einfach die Flächen zu bewässern, weil wir | |
| momentan auch die Idee haben, in den Kartoffelmarkt einzusteigen“, sagt der | |
| konventionelle Landwirt. | |
| Da rechnet er sich gute Chancen auf dem Markt aus. Für Kartoffeln würde er | |
| dafür auch von den Behörden die nötigen Wasserrechte bekommen – eben weil | |
| diese Pflanzenart so viel Wasser brauche. | |
| Wittenberg hält es für die genau falsche Entscheidung, jetzt auf eine | |
| wasserintensive Pflanze und künstliche Beregnung zu setzen. „Ich will meine | |
| Felder nicht bewässern, weil ich mich den natürlichen Voraussetzungen des | |
| Bodens und der darumliegenden Natur anpassen will“, sagt er. In vielen | |
| Regionen werde es nicht genug Wasser geben. | |
| Tatsächlich warnen auch Wissenschaftler wie der Wassermanagement-Professor | |
| Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung vor massiven | |
| „Nutzungskonkurrenzen“, also einen Kampf ums Wasser, wenn die Landwirte | |
| sehr viel mehr Äcker bewässern wollen als bisher. Bislang werden laut | |
| Statistischem Bundesamt nur rund 3 [3][Prozent] der Agrarfläche künstlich | |
| mit Wasser versorgt. Möglicherweise stehen manche Landkreise bald vor der | |
| Wahl: Wasser zum Trinken oder Wasser für die Äcker? | |
| Oliver Krischer, Vizevorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte der | |
| taz bereits: „Die Trinkwasserversorgung muss ohne Abstriche Vorrang haben.“ | |
| Die Landwirtschaft werde in vielen Regionen die Bewässerung nicht so | |
| ausweiten können wie in den vergangenen Jahren. „Ansonsten wird der | |
| Grundwasserspiegel sinken, was wiederum Auswirkungen auf Baumarten mit tief | |
| reichenden Wurzeln hat.“ Die Bauern müssten den Boden so bearbeiten, dass | |
| er besser Wasser speichern kann. Deshalb ist für Wittenberg klar: „Wir | |
| Bauern müssen uns verändern.“ | |
| Dass Rodewald und Wittenberg gegensätzliche Philosophien für den Umgang mit | |
| der Natur haben, zeigt sich auch beim Thema Gentechnik: Rodewald findet | |
| neue Methoden wie Crispr/Cas zur Veränderung von Pflanzengenen hilfreich. | |
| „Man könnte damit auch auf neue Klimabedingungen schneller reagieren“, | |
| argumentiert er. Und viele andere Staaten „arbeiten daran und wir nicht. | |
| Das ist schon ein Nachteil.“ | |
| Wittenberg dagegen sieht die neue Gentechnik sehr kritisch. „Nicht etwa, | |
| weil ich Angst hätte, dass mich jetzt die Gentechniktomate angreift, | |
| sondern vielmehr weil Bauern und Gesellschaft extrem abhängig von der | |
| Industrie werden, wenn sie sich auf solche Pflanzen verlassen, sagt er. | |
| Denn Gentechnikpflanzen sind nur begrenzt „nachbaubar“. | |
| Das heißt: „Der Bauer kann nicht einen Sack zurückstellen von seiner Ernte | |
| und nächstes Jahr aussäen, sondern er muss jedes Jahr wieder neu kaufen.“ | |
| Er wolle auch nicht, dass wie in Nord- und Südamerika nur drei | |
| Saatgutproduzenten einen Großteil der Ernährung in der Hand hätten. „Wenn | |
| die drei Unternehmen den Hahn zumachen, dann verhungern zwei Kontinente. | |
| Das ist Abhängigkeit. Das will ich nicht. Das widerspricht auch meinem | |
| Dasein als freier Bauer.“ | |
| Wittenberg sagt das, während er auf einer Holzbank vor dem herrschaftlich | |
| aussehenden Wohngebäude auf seinem Hof sitzt. Das Klinkerhaus mit sehr | |
| hohen Decken und zahlreichen Erkern hat sein Urgroßvater 1894 gebaut. | |
| Wittenberg hat eine Tradition zu verteidigen. | |
| Man könnte also sagen: Rodewald will – etwa beim Saatgut und der | |
| Bewässerung – stärker in die Natur eingreifen, damit er möglichst so | |
| weitermachen kann wie bisher. Wittenberg will stärker mit der Natur | |
| arbeiten und seinen Betrieb dem Klima möglichst stark anpassen. | |
| Rodewalds Bauernverband fordert in seiner „Klimastrategie 2.0.“, | |
| Wasserquellen für die Landwirtschaft zu erschließen. Besonders lobbyiert er | |
| dafür, dass der Staat Versicherungen gegen Trockenschäden subventioniert. | |
| Gleichzeitig verlangt die Organisation, die [4][neuen Gentechniken] laxer | |
| zu regulieren. Die Bauernverband ist aber dagegen, dass die Europäische | |
| Union für ihre jährlich [5][58 Milliarden Euro] Agrarsubventionen zum | |
| Beispiel mehr Vielfalt auf dem Acker verlangt. | |
| Wittenbergs AbL jedoch will, dass auch Produkte aus Pflanzen der neuen | |
| Gentechnik als „gentechnisch verändert“ etikettiert werden und auf Risiken | |
| geprüft werden müssen. Dringend müsse die EU die Agrarsubventionen | |
| umverteilen, die bisher hauptsächlich nach der Größe der Fläche berechnet | |
| werden, weitgehend unabhängig davon, wie umweltfreundlich der Betrieb | |
| wirtschaftet: Wer zum Beispiel mehr Fruchtarten anbaut, bekäme nach dem | |
| [6][Vorschlag der AbL] mehr Geld. | |
| ## Vorschriften zu ideologisch? | |
| Rodewald aber hat mit neuen Umweltauflagen ein Problem. Er war dabei, als | |
| im November Tausende Bauern der Bewegung „Land schafft Verbindung“ mit | |
| Traktoren in Berlin auffuhren. Sie demonstrierten zum Beispiel dagegen, | |
| dass Unkrautvernichtungsmittel und besonders schädliche Insektengifte in | |
| den meisten Naturschutzgebieten nicht mehr erlaubt sein sollen – vor allem, | |
| um das Insektensterben einzudämmen. | |
| Sie lehnten es auch ab, dass Landwirte weniger düngen dürfen in Gebieten, | |
| die besonders durch potenziell umwelt- und gesundheitschädliches Nitrat aus | |
| ebendiesen Düngern belastet sind. | |
| Viele dieser Vorschriften hält Rodewald für ideologisch, nicht | |
| wissenschaftlich begründet. Zum Beispiel würden viele Bauern mehr pflügen, | |
| wenn sie Unkraut nicht mehr mit Glyphosat vernichten dürfen, das die | |
| Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich | |
| krebserregend“ eingestuft hat. | |
| Das ist ein typisches Argument der Agrarlobby. Aber nach gut zwei Stunden | |
| Gespräch auf seinem Hof über Branche, Klima, Umwelt und Risiken räumt | |
| selbst ein Bauernverbandsfunktionär wie Rodewald ein: „Mit der | |
| konventionellen Produktionsweise, die wir aktuell machen, fehlt uns die | |
| gesellschaftliche Akzeptanz.“ | |
| Wittenberg, beim Kaffee vor seiner Villa, freut sich über solche | |
| Eingeständnisse. Er hofft, dass nun der Druck durch den Klimawandel auch | |
| etwas Positives bewirkt: dass die Landwirte sich konsequenter an die sich | |
| verändernde Natur anpassen. „Sonst“, sagt der Biobauer, „knallt es. Sehr | |
| bald.“ | |
| 3 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20200529_deutschlan… | |
| [2] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20200702_dach_news.… | |
| [3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forst… | |
| [4] https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteil… | |
| [5] https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/106/die-finanzierung-der… | |
| [6] https://www.abl-ev.de/uploads/media/Punktepapier_Aufl._2_-_Webversion_Hinwe… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Trockenheit | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| klimataz | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Soja | |
| Dürre | |
| Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft | |
| Julia Klöckner | |
| Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Landwirtschaft | |
| Risiko | |
| Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| IG | |
| Julia Klöckner | |
| Protest | |
| Wald | |
| Staatssekretär | |
| Wasserprivatisierung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Studie über neue Ackerbaumethode: Gewinne durch Bodengesundheit | |
| Naturschutzbund und Boston Consulting Group werben für regenerative | |
| Landwirtschaft. Das sorge für besseres Grundwasser und weniger Emissionen. | |
| Anbau von Zitrusfrüchten und Mandeln: Für unser Obst trocknet Spanien aus | |
| Bewässerung von Zitrusfrüchten und Mandeln für Deutschland kostet im | |
| Ausland viel Wasser. Der WWF fordert, heimische Alternativen zu fördern. | |
| Ergänzte Wetterdaten in Großbritannien: Die Niederschlags-Retter*innen | |
| 2020 galt als trockenster Mai in England seit Beginn der Aufzeichnungen. | |
| Nun büßt er dank eines Crowd Science Projekts den Spitzenplatz ein. | |
| Sinkende Produktivität im Agrarwesen: Klimakrise gefährdet Ackerhelden | |
| Der Bund will immerhin Teile der EU-Agrarsubventionen an Öko-Auflagen | |
| knüpfen. Der Klimawandel belastet die Branche schon jetzt. | |
| Risiken von Crispr/Cas: Bund fördert unabhängige Studien | |
| Erstmals bekommt das Umweltministerium laut SPD Geld, um unabhängig von der | |
| Wirtschaft die Folgen neuer Gentechnikmethoden erforschen zu lassen. | |
| Forschungsförderung für neue Gentechnik: Nur zwei Milliönchen für Risiken | |
| Der Bund fördert nur mit wenig Geld die Erforschung von Risiken und | |
| Nachweismethoden der neuen Agro-Gentechnik. Die Grünen sind empört. | |
| Studie zu Hilfen für deutsche Ökobauern: Dreimal so viel Geld für Bio nötig | |
| Um die Ziele der EU-Kommission für den Ausbau des Öko-Landbaus zu | |
| erreichen, sind in Deutschland jährlich eine Milliarde Euro nötig, so eine | |
| Studie. | |
| SPD-Europaabgeordnete über Subventionen: „EU-Agrarpolitik wird ökologischer… | |
| Maria Noichl, SPD-Verhandlerin im EU-Parlament, verteidigt ihren Kompromiss | |
| mit den Konservativen: Bauern müssten künftig mehr für die Umwelt tun. | |
| Klimaschutz in der Agrarpolitik: EU-Staaten bremsen Reform | |
| Um die Treibhausgase zu senken, müssten die EU-Mitgliedsländer die | |
| Agrar-Subventionen umverteilen. Doch von mehreren Seiten gibt es | |
| Widerstand. | |
| Erneut trockenes Jahr: Deutsche Dürre im Doppel | |
| 2020 könnte das dritte Dürrejahr in Folge werden. Ein solches | |
| Wetterereignis gab es zuletzt 1766. Der Blick in die Zukunft stimmt wenig | |
| optimistisch. | |
| Brief der Landwirtschaftsministerin: Kirchlicher Beistand erwünscht | |
| Julia Klöckner fordert von Bischöfen mehr Unterstützung für Bauern – denn | |
| die hätten 2019 weniger gespritzt. Doch das hat wenig mit ihrer Politik zu | |
| tun. | |
| Zukunft des Trinkwassers: Wasser unser | |
| Coca-Cola plant in Lüneburg eine dritte Brunnenanlage für seine | |
| Mineralwasserproduktion. Kritiker sehen ihr Grundwasser in Gefahr. | |
| Dürre im Norden: Der Regen reicht nur für die Felder | |
| Im Norden fiel zuletzt so wenig Regen wie noch nie seit 2010. Darunter | |
| leidet der Wald – das Grundwasser erreicht neue Niedrigststände. | |
| Grünen-Experte über Klimapolitik: „Die Klimakrise ist gewaltig“ | |
| Rainer Baake weiß, wie Deutschland klimaneutral werden kann. Mit einer neu | |
| gegründeten Stiftung möchte er auf die Bundesregierung einwirken. | |
| Hydrologe über Dürreperiode 2020: „Bei uns wird Wasser knapp“ | |
| Der Staat sollte eine Prioritätenliste festlegen, welche Nutzer in welcher | |
| Reihenfolge Wasser verwenden dürfen. Das fordert Hydrologe Dietrich | |
| Borchardt. |