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# taz.de -- Hydrologe über Dürreperiode 2020: „Bei uns wird Wasser knapp“
> Der Staat sollte eine Prioritätenliste festlegen, welche Nutzer in
> welcher Reihenfolge Wasser verwenden dürfen. Das fordert Hydrologe
> Dietrich Borchardt.
Bild: Ein Restaurantschiff am Rhein bei Niedrigwasser
taz: Herr Borchardt, welche Regionen in Deutschland sind [1][derzeit von
Dürre betroffen]?
Dietrich Borchardt: Bislang sind es vor allem Sachsen, Teile des
Donaueinzugsgebiets in Bayern und Regionen am Mittelrhein in
Nordrhein-Westfalen. In den vergangenen beiden Jahren war vor allem der
Nordosten stark betroffen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und
Brandenburg. Dort sieht es dieses Jahr etwas besser aus. Allerdings müssen
wir feststellen, dass kaum eine Region in Deutschland in den letzten zwei
Jahren nicht von Trockenheit betroffen war.
Es hat doch zuletzt viel geregnet.
Ja, aber es ist ein wenig wie bei Corona. Kaum gehen die Zahlen runter,
glauben wir, wir hätten es überstanden. Für die Dürre heißt das: Auch das
erste Halbjahr 2020 war erheblich zu trocken. Der Regen der vergangenen
Wochen hat gebietsweise Entspannung in den oberen Bodenschichten bis etwa
einen halben Meter gebracht, in die Regenwasser eingesickert ist. Für die
Landwirtschaft ist das wichtig. Bäume aber wurzeln viele Meter tief und
stehen im Trockenen. Und Grundwasser wird erst in noch größeren Tiefen
gewonnen. Dort fehlt in manchen Gegenden etwa die Hälfte der Mengen, die
eigentlich nachgeflossen sein müssten. In Sachsen beispielsweise haben wir
aktuell Grundwasserstände, die flächendeckend unter den langjährigen
Mittelwerten liegen.
Können Bäume darauf reagieren, indem sie „Notwurzeln“ in den oberen
Bodenschichten ausbilden?
Nur in geringem Umfang. Darum sterben derzeit auch ältere Bäume,
beispielsweise die über 100-jährigen Buchen. Sie sind unter den Bedingungen
der Vergangenheit alt geworden und könnten unter diesen Bedingungen noch
viele Jahrzehnte lang leben. Aber mit den neuen Verhältnissen kommen sie
nicht zurecht.
[2][Sollten wir das Ziel verfehlen], die Erderwärmung in den kommenden
Jahrzehnten auf 1,5 Grad zu beschränken – was hieße das für die
Wasserversorgung?
Schon eine Erwärmung von 1,5 Grad bedeutet, dass Hitzejahre wie 2018 normal
werden. Selbst bei 1,5 Grad werden wir also eine massiv andere
Wassernutzung bekommen als heute. Momentan betreiben Landwirte nur auf 3
Prozent der Fläche Bewässerungsanbau, etwa beim Kartoffel- oder Rübenanbau
in Niedersachsen. Schätzungen gehen davon aus, dass wir in 20 bis 30 Jahren
ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen mit Grundwasser bewässern
müssen. Dann werden wir Nutzungskonflikte bekommen, die wir bislang noch
nicht kennen.
Welche?
Wir werden das knapper werdende Wasser zwischen der Trinkwasserversorgung,
der Landwirtschaft, dem Naturschutz und der industriellen Nutzung wie der
Schifffahrt, Wasserkraft oder Kühlung nach neuen Prioritäten verteilen
müssen.
Wer verteilt das nach welchen Kriterien?
Wir brauchen als wesentlichen Baustein der Klimaanpassung eine
wasserwirtschaftliche Planung, in der wir schon jetzt ermitteln, wie viel
Wasser in welcher Qualität künftig vorhanden sein wird und wer es mit
welcher Priorität bekommt. Wir müssen uns dem heute schon stellen und nicht
im reinen Krisenmanagement stecken bleiben. Wir benötigen Entscheidungen
über die Reihenfolge, wer welchen Anteil am Wasser erhält. Am Ende sind das
natürlich gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, aber die Daseinsvorsorge
mit dem Grundnahrungsmittel Wasser ist eine ureigene staatliche Aufgabe.
Bietet die derzeitige Gesetzeslage dafür gute Grundlagen?
Nur zum Teil. Etwa in der Düngeverordnung stimmt die Balance zwischen
Ordnungsrecht und freiwilligen Maßnahmen nicht. So lassen sich Gewässer und
der Wasserhaushalt nicht effektiv schützen. Die Einschnitte, die uns der
Klimawandel beschert, werden viel schmerzhafter als die Vorschriften der
Düngeverordnung.
Was können wir von Ländern lernen, die jetzt schon mit Wassermangel leben
müssen?
Leider ist es ja nicht so, dass wasserärmere Länder besonders sorgsam mit
dieser Ressource umgehen. Denken Sie an den Tomatenanbau in Spanien. Es
gibt aber gute Beispiele, auch bei uns; etwa werden die Flächen rund um
Leipzig oder das Mangfalltal in Bayern mit ökologischer Landwirtschaft
bestellt, um die Trinkwasserversorgung in Leipzig und München zu sichern.
In Finnland oder Schweden ist der Naturschutz weiter entwickelt, auch von
dort können wir uns die effiziente Nutzung von Wasser abschauen.
Haben die Verantwortlichen ihre Aufgabe denn begriffen?
Ja und nein. In Einzelbereichen schon. Die Forstwirtschaft sieht ihre
riesigen Probleme. Auch die Landwirte begreifen, dass sie an Grenzen
stoßen. Die Trinkwasserversorger kennen ihre Ressourcen natürlich ganz
genau, und in der Industrie ist in den vergangenen dreißig Jahre immens
viel erreicht worden. Die Industrie zeigt, was möglich ist. Was praktisch
fehlt, ist, die verschiedenen Sektoren zu koordinieren.
Ein Fall für das Kanzleramt?
Für wen auch immer, ich kann nur sagen, ein koordiniertes Handeln ist
notwendig. Wasser kennt keine ministeriellen Zuschnitte, Wasser verbindet
alle Ressorts. Deshalb brauchen wir eine neue Art der Zusammenarbeit. Die
Aufgabe lautet: Legt unter den Bedingungen des Klimawandels, die die
Wissenschaft plausibel prognostiziert, Prioritäten fest! Künftig wird nicht
mehr jeder das bekommen, was er gewohnt ist. Wir müssen jetzt organisieren,
wie wir damit umgehen.
6 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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