# taz.de -- Dürre im Norden: Der Regen reicht nur für die Felder | |
> Im Norden fiel zuletzt so wenig Regen wie noch nie seit 2010. Darunter | |
> leidet der Wald – das Grundwasser erreicht neue Niedrigststände. | |
Bild: Mehr Laub muss her – gerade Fichten leiden unter der anhaltenden Trocke… | |
BREMEN taz | In Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen fiel im | |
April und der ersten Maihälfte so wenig Regen wie noch nie in den letzten | |
zehn Jahren. Das geht aus einer gerade veröffentlichten [1][Antwort des | |
Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der | |
Grünen-Bundestagsfraktion] hervor, für die umfangreiches Zahlenmaterial des | |
Deutschen Wetterdienstes ausgewertet wurde. In Schleswig-Holstein sieht es | |
zwar etwas besser aus, aber auch dort fielen in dieser Zeit nicht einmal | |
zwei Drittel dessen, was in den letzten zehn Jahren an Regen zu verzeichnen | |
war. | |
In der Folge komme es vor allem „zu vermehrten Grundwasserniedrigstständen“ | |
– und zwar nicht nur im niederschlagsärmeren Nordosten, sondern auch in den | |
Mittelgebirgen, analysiert das Bundeslandwirtschaftsministerium. Auch für | |
den Gesundheitszustand des Waldes habe die anhaltende Trockenheit | |
„erhebliche Auswirkungen“. | |
Zwar hat es in den vergangenen Wochen immer mal geregnet. [2][Das entspannt | |
die Lage aber nur in den oberen Bodenschichten] bis etwa einen halben | |
Meter, also dort, wo das Regenwasser einsickert. „Für die Landwirtschaft | |
ist das wichtig“, erklärte jüngst der [3][Hydrologe Dietrich Borchardt] von | |
der TU Dresden der taz. „Bäume aber wurzeln viele Meter tief und stehen im | |
Trockenen. Und Grundwasser wird erst in noch größeren Tiefen gewonnen.“ | |
Dort fehlten in manchen Gegenden etwa die Hälfte jener Mengen, die | |
eigentlich nachgeflossen sein müssten, sagte Borchardt. | |
Die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) haben bereits 2019 ein Defizit | |
von 27 Millionen Euro erwirtschaftet, wie der Forstbetrieb in der | |
vergangenen Woche mitteilte. 2018 hatte das Minus noch 5,9 Millionen Euro | |
betragen. Für das aktuelle Geschäftsjahr rechnen die Niedersächsischen | |
Landesforsten damit, dass der Verlust möglicherweise 30 Millionen Euro | |
überschreitet. | |
„Die angespannte Situation hat sich aufgrund der coronabedingt | |
wegbrechenden Exportmärkte für Holz noch einmal verschärft“, sagt | |
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). [4][Anders als in den | |
Vorjahren lässt sich der Waldumbau derzeit nicht mit den Erlösen aus dem | |
Holzverkauf finanzieren]. Bis 2025 stellt Niedersachsen den | |
Forstwirt*innen insgesamt 85 Millionen Euro zur Verfügung, um | |
klimastabilere Mischwälder entstehen zu lassen. Mit Birken, Ebereschen, | |
Erlen und Weiden wollen die Landesforsten das Risiko für den Wald insgesamt | |
senken. | |
## „Erbitterter“ Kampf gegen Borkenkäfer | |
Die rund zweieinhalbjährige Dürre führt bereits zu einer starken | |
Ausbreitung von Borkenkäfern. Sie kämpften „erbittert“ gegen den Schädli… | |
heißt es von den NLF. Laut der Schadensbilanz des Bundes summiert sich die | |
zerstörte Waldfläche bundesweit auf 245.000 Hektar, was etwa der Größe des | |
Saarlands entspricht. In Niedersachsen gehen die NLF von 10.000 Hektar aus, | |
die aufgeforstet werden müssen. Niedersachsen hat einen Waldanteil von etwa | |
einem Viertel der Fläche, in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein ist es | |
rund ein Zehntel. | |
Schleswig-Holstein steht, verglichen mit anderen Bundesländern, zwar „noch | |
gut da“, ist im [5][Waldzustandsbericht] zu lesen, der im März | |
veröffentlicht wurde. Die jüngsten Regenfälle bedeuten für den Wald aber | |
auch nur „eine kurze Erholungspause“, sagt der Sprecher der | |
Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Für 2020 stellt die Landesregierung | |
bis zu 9 Millionen Euro an Fördermitteln für Waldumbaumaßnahmen bereit. | |
Fällt kein Regen, wird es aber auch mit dem Aufforsten schwierig. Doch | |
während sich die durchschnittlichen Monatsniederschläge im März in | |
Niedersachsen, Bremen und Hamburg laut Bundesregierung noch im Mittel der | |
vergangenen 20 Jahre bewegten, fiel dort im April nur noch ein Drittel | |
dessen, was seit 2000 durchschnittlich herunterkam. Die intensiven | |
Sommertrockenheiten der letzten beiden Jahre und die gebietsweise geringen | |
Niederschläge in den vergangenen beiden Wintern haben laut | |
Bundeslandwirtschaftsministerium vielerorts zu dauerhaft geringen | |
Bodenwasservorräten, absinkenden Grundwasserständen und einer geringen | |
Grundwasserneubildung geführt. Das schwächt die Bäume, gerade Fichten. Ein | |
gesicherter Überblick über die Folgen der Trockenheit auf die Artenvielfalt | |
sei aber noch nicht möglich. | |
Expertenschätzungen gehen davon aus, dass in 20 bis 30 Jahren ein Drittel | |
der landwirtschaftlichen Flächen mit Grundwasser bewässert werden muss. | |
Niedersachsen hat dabei mit 12 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an | |
landwirtschaftlichen Flächen mit Bewässerungsmöglichkeiten. Aus den | |
vorliegenden Daten lasse sich derzeit aber „eher (noch) kein Trend zur | |
Zunahme der Bewässerung ableiten“, schreibt die Bundesregierung in ihrer | |
Antwort – nicht einmal in Niedersachsen. | |
„Schon heute zeichnen sich Nutzungskonflikte um unser Wasser ab“, sagt | |
dagegen die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen Kirsten Kappert-Gonther | |
– die Wasserversorgung der Bürger*innen steht in Konkurrenz zur der | |
Landwirtschaft, der Industrie oder der Schifffahrt. Der öffentlichen | |
Trinkwasserversorgung müsse dabei „bereits heute ein klarer Vorrang | |
eingeräumt werden“, sagt Kappert-Gonther. | |
21 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/198/1919870.pdf | |
[2] /Zu-trockenes-Fruehjahr-im-Norden/!5684373 | |
[3] /Hydrologe-ueber-Duerreperiode-2020/!5693923 | |
[4] /Duerre-im-Harz/!5684385 | |
[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/V/_startseite/Artikel2… | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
Wald | |
Klima | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Dürre | |
Trockenheit | |
Naturschutz | |
Stadtnatur | |
Wassermangel | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Borkenkäfer | |
Wasserprivatisierung | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Trockenheit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zustand der Berliner Wälder: Spazieren zwischen kranken Bäumen | |
Die jährliche Untersuchung der Wälder zeigt: Nur 7 Prozent der Berliner | |
Bäume sind ganz gesund. So wenige waren es noch nie. | |
Sinkender Grundwasserspiegel: Wacken geht das Wasser aus | |
Im Kreis Steinburg werden die Moorflächen immer dünner. Schuld könnte die | |
Wasserentnahme durch das Wasserwerk Wacken sein. | |
Bauern passen sich Dürren an: Mit oder gegen die Natur | |
Zwei Landwirte, zwei Strategien, um auf das immer trockenere Klima in | |
Deutschland zu reagieren. Müssen wir uns der Natur anpassen – oder | |
andersherum? | |
Folgen von Dürre und Insektenbefall: 32 Millionen Kubikmeter Schadholz | |
Die Menge des Schadholzes hat sich seit 2017 fast versechsfacht. Das macht | |
Forderungen nach einem klimagerechten Waldumbau lauter. | |
Hydrologe über Dürreperiode 2020: „Bei uns wird Wasser knapp“ | |
Der Staat sollte eine Prioritätenliste festlegen, welche Nutzer in welcher | |
Reihenfolge Wasser verwenden dürfen. Das fordert Hydrologe Dietrich | |
Borchardt. | |
Dürre im Harz: Der scheintote Wald | |
Stürme, Trockenheit, fehlender Schnee, zwei heiße Sommer in Folge. All das | |
lässt die Fichten im Harz sterben. Aber: Das ist nicht das Ende des Waldes. | |
Zu trockenes Frühjahr im Norden: Die Dürre, die bleibt | |
Schon wieder ist zu wenig Regen gefallen. In Norddeutschland droht ein | |
trockener Sommer. Es spricht viel dafür, dass wir uns daran gewöhnen | |
müssen. |