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# taz.de -- Sinkender Grundwasserspiegel: Wacken geht das Wasser aus
> Im Kreis Steinburg werden die Moorflächen immer dünner. Schuld könnte die
> Wasserentnahme durch das Wasserwerk Wacken sein.
Bild: Verbraucht jede Menge Wasser: der Chemie-Industriepark in Brunsbüttel
Neumünster taz | Zerstört die Wasserentnahme für die Industrieanlagen in
Brunsbüttel Moorflächen in der Nachbarschaft? Seit über 30 Jahren kämpft
ein Landwirt aus Wacken gegen das Wasserwerk. Die Betreiber verweisen
darauf, dass sie alle Regeln einhalten. Aber Sorgen um das Grundwasser
machen auch sie sich.
Die ersten Kuhlen auf seinen Wiesen bemerkte Hans Möller aus Wacken im
Kreis Steinburg Mitte der 1980er-Jahre. Der moorige Boden senkte sich – und
der Landwirt hatte einen Verdacht: Pumpt das örtliche Wasserwerk zu viel
ab? Möller ging der Sache auf den Grund: „Ich habe selbst Messstellen
gebaut und wöchentlich gemessen“, sagt er der taz. Inzwischen hat Möller
seinen Milchviehhof an seinen Sohn Hauke übergeben, aber der Kampf gegen
das Wasserwerk beschäftigt ihn weiter: „Die Wiesen sehen aus wie eine
Mondlandschaft.“
Gerade haben Vater und Sohn Möller eine Zusammenfassung der Messdaten an
die Wasser- und Bodenschutzbehörde des Kreises Steinburg geschickt. „Die
Ergebnisse beweisen, dass auf den betroffenen Flächen langanhaltend
Absenkungen der Grundwasserstände auftreten, die nicht auf die klimatische
Wasserbilanz, Dränagen oder Vorfluter zurückzuführen sind, sondern
eindeutig dem Verlauf der Grundwasserförderung in bestimmten Brunnen des
Wasserwerks Wacken folgen“, heißt es im Begleitschreiben, das der taz
vorliegt.
Hinter dem Wasserwerk Wacken steckt die Entwicklungsgesellschaft
Brunsbüttel mbH (Egeb), die im Auftrag der Kreise Dithmarschen und
Steinburg für Wirtschaftsförderung zuständig ist. Das Wasserwerk zählt zu
den größten Betrieben seiner Art in Schleswig-Holstein, es fördert an
mehreren Standorten im Jahr sieben Millionen Kubikmeter Grundwasser.
Gebraucht wird das kostbare Nass in den Dörfern der Region, aber vor allem
im Industriestandort Brunsbüttel, wo zwei Drittel der Produktion verbraucht
werden. „Zahlreiche kleine Brunnen sind trocken, der Boden geht kaputt“,
sagt Möller. „Ich bin mal bei Bayer gewesen und habe gefragt, ob denen klar
ist, was da passiert. Die Antwort lautete: Ja, wir kennen das Problem, aber
uns ist das Wasser versprochen worden.“
Möller ist in den vergangenen Jahren bereits vor Gericht gegangen, um eine
Entschädigung zu erhalten und das Wasserwerk zu zwingen, weniger
abzupumpen. Seine Klage wurde abgewiesen, aber das Problem sei größer denn
je, sagt er: „Der Boden wird immer trockener, auch weil Regenwasser fehlt.
Vom früher meterdicken Moorboden bleiben nur zwanzig Zentimeter.“ Durch die
Zersetzung des Torfs würden Nitrate freigesetzt. In ihrem Schreiben an den
Kreis fordern Hans und Hauke Möller, die Fördermenge deutlich zu
reduzieren. Die Industrieanlagen könnten Oberflächenwasser verwenden,
schlägt der Landwirt vor.
Diese Idee weist das Energie- und Umweltministerium in Kiel nicht
grundsätzlich von der Hand: „Die Aufbereitung von Brauchwasser und
Oberflächenwasser zu Prozesswasser ist technisch möglich und wird an
anderen Industriestandorten realisiert“, teilt Ministeriumssprecher Patrick
Tiede auf Anfrage mit. Allerdings müsse abgewogen werden, ob das sinnvoll
sei, denn „eine Aufbereitung ist immer mit einem hohen Einsatz von Energie
und dem Anfall von hoch konzentrierten Reststoffen verbunden“. Derzeit
werde „bei der heute ausreichend vorhandenen Grundwasserneubildung“ kein
ökologischer Vorteil darin gesehen.
Doch die Menge an Grundwasser, die sich auf natürlichem Weg neu bildet,
schrumpft, das merkt auch Guido Austen, bei der Egeb für den Bereich Wasser
zuständig: „Die vergangenen Jahre waren extrem trocken, da gibt es nichts
schönzureden. Wir haben, wie in ganz Norddeutschland, eine zu geringe
Neubildung.“
Dennoch hält er nichts von der Idee, Oberflächen- oder gar Elbwasser für
die Industrie zu nehmen: „Die Firmen brauchen es nicht zur Kühlung, sondern
verwenden es im Fertigungsprozess.“ Die Aufbereitung wäre daher zu
energieaufwändig. Hans Möllers Vorwurf, das Wasserwerk gefährde Böden und
Trinkwassersicherheit, weist Austen zurück: „Wir fördern nicht im
luftleeren Raum, sondern haben eine Bewilligung mit umfangreichen Auflagen.
Die halten wir ein.“
Infolge dieser Auflagen „setzen wir inzwischen viele von Möllers
ursprünglichen Forderungen um“, sagt Austen. So seien die Mengen im Lauf
der Jahre gesunken. Ursprünglich hatte das Wasserwerk elf Millionen
Kubikmeter pro Jahr fördern wollen – „keine Frage, das ist zu viel“. Auch
einen der aktuellen Vorschläge der Möllers würde Austen umsetzen wollen, es
geht um die Stilllegung eines Brunnen: „Aber da müssen wir abwarten, was
die Behörden sagen.“
Das letzte Wort hat der Kreis, aber der Fall ist auch im Kieler Ministerium
bekannt. „Der Betrieb des Wasserwerks hat zu Beschwerden geführt, aber ein
Zusammenhang zwischen den Bodensetzungen und der Entnahme konnte nie
verlässlich nachgewiesen worden“, sagt der Sprecher.
Hans Möller ist überzeugt, dass er mit seinen neuen Daten diesen Beweis
bringen kann. Er wartet nun auf eine Antwort des Kreises Steinburg.
20 Oct 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Wassermangel
Trockenheit
Schwerpunkt Klimawandel
Schleswig-Holstein
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Fischsterben
Wald
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