| # taz.de -- Zukunft des Trinkwassers: Wasser unser | |
| > Coca-Cola plant in Lüneburg eine dritte Brunnenanlage für seine | |
| > Mineralwasserproduktion. Kritiker sehen ihr Grundwasser in Gefahr. | |
| Bild: Ob Brause oder Mineralwasser – der Grundstoff ist der gleiche und wird … | |
| Hamburg taz | Es klingt so einfach: Gut gegen Böse, David gegen Goliath. | |
| Eine Bürgerinitiative aus Lüneburg kämpft gegen den Weltkonzern Coca-Cola, | |
| die Geschichte wäre schnell erzählt. Doch Marianne Temmesfeld von der BI | |
| „Unser Wasser“ sagt selbst: „Coca-Cola ist nicht unser Feind. Wir wollen | |
| uns für einen nachhaltigen Umgang mit unserem Wasser einsetzen, auch für | |
| zukünftige Generationen.“ Es geht also um die Frage, wem gehört eigentlich | |
| das Wasser – und wie geht man zukünftig damit um? | |
| Die Antwort darauf wird sich in Lüneburg vermutlich nicht finden lassen, | |
| aber die aktuelle Situation bietet zumindest die Basis für eine | |
| grundlegende Diskussion. Die Firma Apollinaris Brands, eine Tochter von | |
| Coca-Cola, errichtet zurzeit einen Brunnen für einen Pumpversuch nördlich | |
| von Reppenstedt, einer Nachbargemeinde von Lüneburg. | |
| Dieser Pumpversuch ist Teil eines Antrags auf eine dauerhafte Entnahme von | |
| Grundwasser, den die Firma beim Landkreis Lüneburg eingereicht hat. Zwei | |
| Brunnen betreibt Apollinaris bereits in Lüneburg, sie fördern rund 350.000 | |
| Kubikmeter Wasser zu Tage, die in die Produktion der Getränkemarke Vio am | |
| Standort Lüneburg fließen. | |
| Mit einem dritten Brunnen will der Konzern die Fördermenge auf circa | |
| 700.000 Kubikmeter Tiefengrundwasser pro Jahr verdoppeln. [1][Bevor der | |
| Landkreis das genehmigt], muss der Pumpversuch stattfinden. Dafür sollen im | |
| Oktober 118.000 Kubikmeter Grundwasser aus etwa 200 Metern Tiefe gefördert | |
| und in einen Bach abgelassen werden. | |
| ## Bürger-Ini gegen Coca-Cola gegründet | |
| Der Probebetrieb sieht keine Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Die bekam | |
| aber durch einen Artikel in der Landeszeitung für die Lüneburger Heide Wind | |
| von der Sache, nun ist der Unmut groß. Coca-Cola habe Fakten geschaffen, | |
| heißt es in einem offenen Brief der BI an die Untere Wasserbehörde. Die | |
| „Probebohrung“, sei bereits die technische Realisierung des Brunnens mit | |
| voller Fördermenge. | |
| Tatsächlich muss die Brunnenanlage allein für die Probe komplett gebaut | |
| werden, sagt Marlen Knapp, eine Sprecherin der Coca-Cola European Partners | |
| Deutschland. „Wir als Antragsteller müssen für den Pumpversuch reale | |
| Bedingungen schaffen.“ Das Gutachten für die Probebohrung habe Coca-Cola | |
| von einem „unabhängigen Hydrogeologen“ erstellen lassen. | |
| Für die Mitglieder der Bürgerinitiative „Unser Wasser“, die sich Anfang d… | |
| Jahres gründete, ein Unding. Sie und die Gemeinderäte Vögelsen und | |
| Bardowick fordern den Landkreis auf, ein eigenes Gutachten zu erstellen. | |
| [2][Doch die Untere Wasserbehörde, die für das Genehmigungsverfahren | |
| zuständig ist, sieht das nicht vor]. Man habe zahlreiche unabhängige Daten | |
| untersucht, schädliche Umweltauswirkungen seien nicht zu erwarten. | |
| „Im Jahr 2019 sanken die Grundwasserstände bei erneut trockenen | |
| Witterungsverhältnissen auf extreme Tiefstände ab und unterschritten in | |
| vielen Messstellen die Tiefstände des Vorjahres“, heißt es in dem aktuellen | |
| Grundwasserbericht Niedersachsen, den der Landesbetrieb für | |
| Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Juni vorstellte. | |
| ## Behörden können Wasserentnahme drosseln | |
| Auch die Prognosen für 2020 sind nicht rosig, eine Erholung der | |
| Grundwasserpegel erwarten Expert*innen nicht. Was also geschieht, wenn die | |
| Dürreperioden länger werden, immer mehr Wasser verbraucht wird? | |
| Umweltminister Olaf Lies schreibt im Vorwort: „Grundwasserstände sind ein | |
| Warnsystem für die Folgen eines zunehmenden Nutzungsdrucks.“ | |
| Nutzungsdruck – oder doch schon Verteilungskampf um die Ressource Wasser? | |
| Neben der Trinkwasserversorgung und Mineralwasserproduzenten konkurrieren | |
| auch Industrie und vor allem die Landwirtschaft um die | |
| Grundwasserressourcen. In Deutschland ist Wasser Allgemeingut, in Gesetzen | |
| ist geregelt, dass der Staat die Zuteilung bestimmt und überwacht. | |
| Wie nachhaltig das geschieht, hängt auch von der jeweiligen zuständigen | |
| Behörde ab. „Die Trinkwasserversorgung hat immer höchste Priorität“, hei… | |
| es vonseiten des Landkreises Lüneburg. | |
| Sollte es zu längeren Dürreperioden kommen, habe der Landkreis die | |
| Möglichkeit, „die wasserrechtliche Erlaubnis auch nach der Inbetriebnahme | |
| der Förderung einzuschränken“. Man gehe aber nicht davon aus, dass dies | |
| notwendig werde. Wie viele andere ihrer Mitstreiter*innen aus der | |
| Bürgerinitiative zweifelt Marianne Temmesfeld an dem Nachhaltigkeitswillen | |
| des Landkreises. „Es wird nur sehr kurzfristig gedacht und gehandelt. | |
| Arbeitsplätze sind dabei immer das Totschlagargument.“ | |
| Sie wisse, dass der tiefe Grundwasserspeicher, in 200 Metern, gefüllt mit | |
| Wasser aus Eiszeiten, in der Region sehr groß sei, „aber der Klimawandel | |
| ist nun mal da“. In Niedersachsen haben bereits erste Kommunen den | |
| Wasserkonsum beschränkt, etwa Stade und Osnabrück. | |
| Auch Steffen Gärtner (CDU), Bürgermeister der Samtgemeinde Gellersen, | |
| meldet Bedenken an der Probebohrung an. Man müsse vorausschauen, mindestens | |
| die nächsten 20 bis 30 Jahre im Blick haben. Das Niedersächsische | |
| Wassergesetz tue dies nicht: „Es heißt darin, wenn eine solche Entnahme | |
| nicht schädlich ist, ist sie grundsätzlich zulässig. Das ist nicht mehr | |
| zeitgemäß.“ | |
| Gärtner fordert eine Überarbeitung des Gesetzes. Seine Gemeinde hat | |
| Widerspruch gegen den geplanten Brunnenbau eingelegt. Insgesamt sind fünf | |
| Widersprüche beim Landkreis Lüneburg eingegangen. Wenn sie begründet werden | |
| können, werden sie geprüft. Solange darf die Probebohrung durch Coca-Cola | |
| nicht stattfinden. | |
| Laut Coca-Cola beträgt die Fördermenge durch die bestehenden Brunnen nur | |
| einen Bruchteil von rund zwei Prozent der insgesamt genehmigten Entnahme. | |
| „Wir würden uns ja den eigenen Ast absägen, wenn wir übermäßig fördern | |
| würden“, sagt Sprecherin Marlen Knapp. | |
| ## Durst nach Mineralwasser scheint unstillbar | |
| Zu diskutieren sei aber, ob man überhaupt noch Mineralwasser fördern müsse, | |
| findet Steffen Gärtner – habe man doch in der Region eine [3][hervorragende | |
| Trinkwasserqualität]. „Wir haben Vio aus dem Wasserhahn“, sagt auch | |
| Marianne Temmesfeld. „Mir erschließt sich nicht wirklich, wieso man dieses | |
| Wasser einem Konzern überlassen muss, der es in Plastikflaschen verpackt, | |
| deren Herstellung ihrerseits wieder Unmengen an Wasser verbraucht, dann in | |
| der Gegend herumkutschiert und irgendwo anders für viel Geld verkauft.“ | |
| Doch der Durst nach Mineral- und Heilwassern scheint unstillbar. Rund 140 | |
| Liter trinkt jeder Deutsche laut Angaben der Informationszentrale Deutsches | |
| Mineralwasser aus der Flasche. Das freut Coca-Cola und die anderen rund 500 | |
| Mineralwasserhersteller in Deutschland. | |
| Die eingegangenen Widersprüche werden den Pumpversuch in Lüneburg höchstens | |
| hinauszögern. Dann wird das Genehmigungsverfahren für eine dauerhafte | |
| Förderung weitergeführt. Coca-Cola hat angekündigt, die Öffentlichkeit | |
| durch Bürgersprechstunden einzubeziehen. | |
| Ein erstes Gesprächsangebot hat die Bürgerinitiative allerdings abgesagt. | |
| „Wir lassen uns nicht einlullen. Man rennt durch einen offene Tür gegen | |
| eine Gummiwand. Wir wollen lieber Fakten“, sagt Marianne Temmesfeld. Das | |
| Ziel sei es, den Brunnen zu verhindern. Für den 28. August ist eine | |
| Demonstration in Lüneburg geplant. | |
| 10 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Juliane Preiß | |
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