# taz.de -- Sinkende Produktivität im Agrarwesen: Klimakrise gefährdet Ackerh… | |
> Der Bund will immerhin Teile der EU-Agrarsubventionen an Öko-Auflagen | |
> knüpfen. Der Klimawandel belastet die Branche schon jetzt. | |
Bild: Futtermaisernte 2020 in NRW: Künftig mit etwas mehr Öko-Auflagen, wenn … | |
Berlin taz | Es geht nicht mehr nur darum, wer den größten Acker hat: Das | |
Bundeskabinett hat am Dienstag beschlossen, wie die EU-Agrarsubventionen | |
künftig in Deutschland seiner Ansicht nach verteilt werden sollen. | |
Nach einer [1][Einigung zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium vom | |
Montag] sieht der Gesetzesentwurf vor, dass ab 2023 insgesamt 37 Prozent | |
der wichtigsten Subventionsform, der Direktzahlungen, auf verschiedenem | |
Wege an Auflagen für Umwelt, Klima und Artenschutz geknüpft werden. Der | |
Anteil soll nach und nach steigen und 2026 bei 42 Prozent zu liegen. Dem | |
Entwurf müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. | |
„Die Zeiten, in denen Steuermittel für die Landwirtschaft weitgehend | |
ökologisch blind als Flächenprämien verteilt wurden, gehen dem Ende zu“, | |
freut sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). | |
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich für eine | |
deutlich geringere Quote eingesetzt. | |
Dass sie sich damit nicht durchgesetzt hat, loben auch | |
Umweltschützer:innen. „Nach den indiskutablen Entwürfen des | |
Agrarministeriums vom März sind die Gesetzestexte durch die | |
Agrarministerkonferenz und das Umweltministerium in den vergangenen Wochen | |
deutlich verbessert worden“, sagt BUND-Chef Olaf Bandt. „Dennoch sind sie | |
angesichts der enormen Herausforderungen beim Klima-, Tier- und Naturschutz | |
ungenügend.“ | |
Der Bauernverband beklagte sich hingegen über eine zu hohe Belastung. Dabei | |
sollte Klimaschutz eigentlich im Interesse der stark wetterabhängigen | |
Branche liegen, und zwar nicht nur langfristig. | |
Der Klimawandel bedeutet schon heute, dass die Landwirtschaft schlechter | |
wird, obwohl sie besser wird. Anders gesagt: Klimawandelbedingte | |
Ernteverluste gleichen technologische Effizienzsteigerungen aus. Die | |
Produktivität der Landwirtschaft liegt um 21 Prozent unter dem, was ohne | |
Klimawandel zu erwarten wäre, haben Wissenschaftler [2][herausgefunden]. | |
## Sieben verlorene Jahre | |
Eigentlich ist das ja kein Wunder: Die Erde hat sich gegenüber | |
vorindustriellen Zeiten eben schon um mehr als ein Grad erhitzt. Das Wetter | |
ist vielerorts widerspenstiger geworden – oft geht es um mehr Hitzewellen | |
und Dürren, teilweise um Starkregen, Stürme und Überschwemmungen. | |
„Wir haben herausgefunden, dass der Klimawandel über die letzten 60 Jahre | |
im Grunde sieben Jahre landwirtschaftliche Produktivitätsverbesserung | |
ausgelöscht hat“, meint der Agrarökonom Ariel Ortiz-Bobea von der | |
US-amerikanischen Cornell University, der Leitautor der neuen Studie ist. | |
„Das ist, als hätten wir im Jahr 2013 einfach den Pause-Knopf beim Wachstum | |
der Produktivität gedrückt“, sagt der Wissenschaftler. | |
Viele würden den Klimawandel als weit entferntes Problem wahrnehmen. „Aber | |
er hat jetzt schon einen Effekt, und wir müssen uns jetzt darum kümmern, um | |
Schaden von künftigen Generationen abzuwenden“, appelliert Ortiz-Bobea | |
deshalb an Politik und Wirtschaft. | |
Die Verluste sind global nicht gleich verteilt. In Ländern, in denen der | |
Klimawandel schon längst größere Spuren hinterlässt, sind auch die Einbußen | |
größer, vor allem im Globalen Süden. In den tropischen Regionen in Afrika | |
Lateinamerika oder der Karibik ist die Produktivität der Studie nach seit | |
1961 sogar um 26 bis 34 Prozent zurückgegangen. | |
Trotz ihrer starken Betroffenheit vom Klimawandel tritt die Landwirtschaft | |
mit ihrem Lobbyismus beim Klimaschutz auf die Bremse. | |
Wissenschaftler:innen der New York University haben die | |
Klimaschutz-Bemühungen und politischen Auflagen der weltweit größten | |
Agrarkonzerne [3][analysiert]. | |
Das durchgehende Muster: „Große Fleisch- und Milchkonzerne tun nicht genug, | |
um den Klimawandel zu bekämpfen, und die Staaten ziehen sie zu wenig zur | |
Verantwortung“, meint die Umweltwissenschaftlerin Jennifer Jacquet. Die | |
Landwirtschaft ist für rund 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen | |
verantwortlich. | |
14 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Regierungseinigung-zu-Agrarsubventionen/!5760857 | |
[2] https://www.nature.com/articles/s41558-021-01000-1 | |
[3] https://link.springer.com/article/10.1007/s10584-021-03047-7 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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