Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klimaschutz in der Agrarpolitik: EU-Staaten bremsen Reform
> Um die Treibhausgase zu senken, müssten die EU-Mitgliedsländer die
> Agrar-Subventionen umverteilen. Doch von mehreren Seiten gibt es
> Widerstand.
Bild: Auch ein Emissionsfaktor: Kühe auf der Weide
Berlin taz | Umweltschützer haben kaum noch Hoffnung, dass die EU-Staaten
sich auf mehr Klimaschutz in der neuen Agrarpolitik einigen. „Die Reform
der Subventionen droht zur Nullnummer fürs Klima zu werden“, sagte Tobias
Reichert von der Organisation Germanwatch der taz. Naturschutzbund-Chef
Jörg-Andreas Krüger nennt die Signale aus dem Rat der Agrarminister*Innen
„eher ernüchternd“, Referentin Lavinia Roveran vom Deutschen
Naturschutzring hält sie für „besorgniserregend“.
Dabei verursacht die Landwirtschaft einer neuen [1][Studie des
Öko-Instituts] im Auftrag von Germanwatch zufolge 12 Prozent des
Treibhausgas-Ausstoßes in der Europäischen Union. Denn vor allem
Wiederkäuer stoßen Methan aus, beim Düngen entsteht Lachgas, trockengelegte
Moore geben Kohlendioxid ab.
Diese Emissionen sind viel größer als das, was die Landwirtschaft an
Kohlenstoff in Form von Humus im Boden fixiert. Rechnet man den Ausstoß für
die Produktion von Pestiziden und Mineraldüngern dazu, sind die Zahlen noch
schlechter.
Die EU könnte die Landwirtschaft dazu bringen, klimafreundlicher zu werden,
denn sie hat einen sehr langen Hebel in der Hand: Sie zahlt den Bauern
jährlich rund 55 Milliarden Euro [2][Agrarsubventionen]. Der
durchschnittliche Betrieb in Deutschland bekommt daraus rund die Hälfte
seiner Einnahmen. Derzeit berät die EU darüber, wie sie die Subventionen
von 2023 bis 2028 verteilen will.
Die sich abzeichnende Einigung im Rat würde den Bauern zwar wie bisher
einige Regeln zum Schutz des Klimas vorschreiben: Sie sollen zum Beispiel
Grünland wie Wiesen erhalten, denn die speichern in ihren Wurzeln viel
Kohlenstoff. Wer die Vorschriften missachtet, soll weniger von der
wichtigsten Subventionsart bekommen: den Direktzahlungen, die nach der
Anzahl der Hektar berechnet werden.
## Tierhaltung wird nicht erfasst
Aber die im EU-Sprech „Konditionalität“ genannten Regeln sind so schwach,
dass sie der Öko-Institut-Studie zufolge die Treibhausgas-Emissionen kaum
senken werden. „Das liegt vor allem daran, dass die größte
landwirtschaftliche Emissionsquelle, also die Tierhaltung, von der
Konditionalität gar nicht erfasst werden soll“, sagt Margarethe Scheffler,
Koautorin.
Das zweite Umweltschutzelement der Reform werden den Beschlussvorlagen
zufolge die Eco-Schemes („Öko-Regelungen“). Die Idee: Die Landwirte
bekommen mehr Geld aus dem Budget für Direktzahlungen, wenn sie mehr für
die Umwelt tun als gesetzlich vorgeschrieben. Wofür genau, bestimmt jeder
EU-Staat selbst. Deutschland könnte zum Beispiel Eco-Schemes-Prämien bieten
für Bauern, die ihre Rinder auf der Weide halten und so Grünland schützen.
Dafür darf der Bauer sogar mehr als nur die Kosten der Maßnahme kassieren –
anders als bei den bisherigen Agrarumweltmaßnahmen, die aus dem kleineren
Teil des EU-Landwirtschaftsbudgets finanziert werden.
Mit den Eco-Schemes könnten bis zu 19 Prozent der aktuellen Treibhausgase
in der Landwirtschaft eingespart werden, rechnet das Öko-Institut vor. Am
meisten bringen würde es demnach, weniger Tiere pro Hektar zu halten und
den Grundwasserspiegel unter Feldern und Wiesen in Mooren zu erhöhen.
„Aber viele südosteuropäische Mitgliedstaaten wollen nicht einmal
Mindeststandards für die Konditionierung und keine Vorschriften für die
Eco-Schemes haben“, sagt Nabu-Präsident Krüger. „Da geht es wirklich nur
darum, Geld abzugreifen.“ Denn ohne Verpflichtung würden wohl kaum
Eco-Schemes angeboten. Zudem könnte es sein, dass der Rat dafür nur ein
Minibudget bereitstellen will. Der Nabu dagegen fordert, dass im ersten
Jahr mindestens 30 Prozent und später 50 Prozent der Direktzahlungen in die
Eco-Schemes fließen.
## Nächstes Treffen im Oktober
Bei ihrem nächsten Treffen am 19. und 20. Oktober wollen die Agrarminister
ihre gemeinsame Position festlegen, kurze Zeit später soll das Europäische
Parlament folgen. Dann müssen sich beide Organe mit der Kommission einigen.
„Was das Parlament beschließt, könnte ambitionierter werden“, sagt
Naturschutzring-Referentin Roveran.
Aber das ist bisher nur eine Hoffnung, erfahrungsgemäß kann der Rat der
Mitgliedstaaten sehr wirkungsvoll bremsen. Alarmierend ist für
Umweltschützer, dass der Deutsche Bauernverband mit dem Verlauf der
Diskussion bisher sehr zufrieden ist. Denn die größte Organisation der
Landwirte hierzulande kämpft stets dagegen, dass die Bauern mehr für die
Umwelt oder den Tierschutz leisten müssen, um die Subventionen aus Brüssel
zu bekommen.
„Die Chancen für eine aus Sicht der Landwirte sinnvollere Gestaltung der
Direktzahlungen sind vielleicht sogar besser als beim letzten Mal in 2013“,
jubelte Udo Hemmerling, Vize-Generalsekretär des Verbands, kürzlich in
einem Gastbeitrag für die Fachzeitschrift [3][Top Agrar]. Die Erwartung,
dass die EU-Landwirtschaftspolitik „zu einem riesigen Naturschutzprogramm
umgestaltet wird, wird abermals nicht eintreten“.
Der Bauernverband argumentiert, dass die Branche ihre Emissionen bis zum
Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent reduzieren wolle. So solle
beispielsweise mehr Gülle in Biogasanlagen verwertet werden.
Die Bauernverbände können ihre Ziele in Brüssel so effizient durchsetzen,
auch weil sie einen privilegierten Zugang zu den Entscheidern haben. Die
Dachorganisation Copa-Cogeca habe vergangenes Jahr 8 von 13 „Gruppen für
den zivilen Dialog“ der Kommission geleitet, wie die konzernkritische
Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) in einem am Montag
erscheinenden Report schreibt.
Von diesen Dialog-Gremien lassen sich die Beamten beraten. Die Gruppen
stehen zwar auch Kritikern offen, aber Umweltschützer etwa haben nicht so
viele Ressourcen wie die konservativen Bauernverbände. „Das gab ihnen
erheblichen Einfluss auf die Tagesordnung dieser Treffen und auch zum
Beispiel darauf, welche externen Reder eingeladen werden“, so CEO.
11 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/Kurzstudie%20'Verbe…
[2] /EU-will-Agrarsubventionen-neu-verteilen/!5658486
[3] https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/bauernverband-sieht-ze…
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Subventionen
EU-Rechnungshof
Green Deal
Demonstration
Landwirtschaft
Landwirtschaft
Landwirtschaft
Kommentar
Lesestück Recherche und Reportage
EU-Sondergipfel
Landwirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimaschutz in Agrarpolitik: Schlechte Noten für EU
Der Streit um EU-Agrarpolitik spitzt sich zu: Der Rechnungshof hält die
Viehzucht für die Hauptursache für die miserable Klimabilanz der
Agrarpolitik.
Klimaneutralität im Jahr 2050: EU einigt sich auf Klimagesetz
Bis 2030 will die EU ihren CO2-Ausstoß um 55 Prozent senken. Dem Beschluss
voran gingen harte Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Europaparlament.
Protest gegen Agrarpolitik: Bündnis fordert Agrarwende
Erneut ruft das „Wir haben es satt!“-Bündnis zur Demonstration auf. Eine
Teilnahme soll auch von zuhause aus möglich sein.
EU-Umweltagentur zur Artenvielfalt: Turbobauern schaden der Natur
Die Artenvielfalt schrumpfe vor allem wegen der Landwirtschaft, sagt die
Europäische Umweltagentur. Die Agrarminister beeindruckt das kaum.
SPD-Europaabgeordnete über Subventionen: „EU-Agrarpolitik wird ökologischer…
Maria Noichl, SPD-Verhandlerin im EU-Parlament, verteidigt ihren Kompromiss
mit den Konservativen: Bauern müssten künftig mehr für die Umwelt tun.
Konzerne kassieren Agrarsubventionen: Staatsknete für Bonzen statt Bauern
Die Holding einer reichen Familie erhält jedes Jahr 5,5 Millionen Euro von
der EU. Das muss weniger werden, sagt Agrarministerin Julia Klöckner.
Preisverfall für Schweinefleisch: Zu exportabhängig
Der Preissturz wegen der Afrikanischen Schweinepest zeigt: Die Bauern
müssen unabhängiger vom Export werden. Das würde auch Umwelt und Tieren
nützen.
Bauern passen sich Dürren an: Mit oder gegen die Natur
Zwei Landwirte, zwei Strategien, um auf das immer trockenere Klima in
Deutschland zu reagieren. Müssen wir uns der Natur anpassen – oder
andersherum?
Grünen-Politikerin zum EU-Gipfel: „Klimaschutz wird massiv gekürzt“
Der Gipfel hat ökonomisch halbwegs Sinnvolles für Südeuropa gebracht, sagt
Franziska Brantner. Für die Zukunft der EU sei das zu wenig.
EU will Agrarsubventionen neu verteilen: Kleine Höfe kämpfen um großes Geld
Eigentümergeführte Betriebe seien umweltfreundlicher als anonyme
Kapitalgesellschaften, sagen Bauern. Warum sie trotzdem nicht mehr Hilfe
bekommen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.