# taz.de -- EU-Umweltagentur zur Artenvielfalt: Turbobauern schaden der Natur | |
> Die Artenvielfalt schrumpfe vor allem wegen der Landwirtschaft, sagt die | |
> Europäische Umweltagentur. Die Agrarminister beeindruckt das kaum. | |
Bild: Er ist in der Agrarlandschaft zu Hause und wird in Deutschland immer selt… | |
BERLIN taz | Es hätte widersprüchlicher nicht sein können: Am Montag | |
stellte die Europäische Umweltagentur in ihrem Bericht zum [1][Zustand der | |
Natur] in der EU fest, dass die Artenvielfalt „weiter drastisch“ | |
zurückgehe. Vor allem die intensive Landwirtschaft bedrohe Tier- und | |
Pflanzenarten, warnte die Behörde in Kopenhagen. Gleichzeitig verhandelten | |
die EU-Agrarminister*innen in Luxemburg darüber, wie die Bauern ab 2023 | |
arbeiten müssen. Doch dabei zeichnete sich ab: Die Ressortchefs wollen die | |
jährlich rund 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen kaum umweltfreundlicher | |
verteilen als bisher. | |
Dabei waren laut Umweltagentur im Berichtszeitraum von 2013 bis 2018 die | |
meisten geschützten Lebensräume und Arten in einem mangelhaften oder | |
schlechten Erhaltungszustand: 39 Prozent der 463 Wildvogelarten, die unter | |
die EU-Vogelschutzrichtlinie fallen, befanden sich in diesen Kategorien. | |
Das sind 7 Prozentpunkte mehr als sechs Jahre zuvor. Bei 81 Prozent der von | |
der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützten Lebensräume gilt der Status | |
als nicht ausreichend. Moore, Grünland – also Wiesen und Weiden – sowie | |
Dünenlebensräume verschlechterten sich am meisten. | |
Der Bericht ist der Umweltagentur zufolge die umfassendste Datensammlung, | |
die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde. Er basiert | |
auf Angaben der EU-Länder. | |
Zwar nennt die Agentur unter den Hauptursachen des Artenverlustes auch die | |
Zersiedelung und allgemein die Umweltverschmutzung. Aber am häufigsten | |
macht der Bericht die Landwirtschaft verantwortlich: „Agrarvogelarten | |
weisen die wenigsten positiven Trends auf“, schreibt die Behörde zum | |
Beispiel. In Deutschland gibt es etwa immer weniger Rebhühner, die auf | |
artenreiche Felder und Hecken angewiesen sind. Bei den von den | |
Mitgliedstaaten gemeldeten Bedrohungen lag die Landwirtschaft laut | |
Umweltagentur mit 21 Prozent an erster Stelle. Das ist wenig verwunderlich, | |
denn die Bauern haben ungefähr 40 Prozent des Bodens in der EU unter | |
Beschlag, in Deutschland sind es sogar [2][51 Prozent]. | |
## „Die europäische Agrarpolitik ist gescheitert“ | |
Arten können laut Agentur verlorengehen, zum Beispiel indem Moore | |
trockengelegt oder Wiesen umgepflügt werden, um dort Früchte anzubauen. Der | |
Druck auf die Natur wachse auch, wenn die Bauern mehr düngen, mehr | |
bewässern oder mehr Pestizide spritzen. „Seit den 1950er Jahren haben die | |
Intensivierung und die Spezialisierung des Agrarsektors zunehmend zum | |
anhaltenden Artenverlust beigetragen“, so die Behörde. | |
Für Martin Häusling, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im | |
EU-Parlament, zeigt der Bericht deshalb vor allem eines: „Die europäische | |
Agrarpolitik ist gescheitert.“ Da Naturschutz „ein Garant unserer | |
Lebensqualität und sogar unserer Überlebensfähigkeit“ sei, müsse er nun | |
Priorität bei den Verhandlungen über eine Reform der Subventionen für die | |
Branche genießen. | |
Aber davon war bei der im Internet übertragenen Diskussion der | |
EU-Agrarminister über das Projekt nicht viel zu spüren. Die Vertreter*innen | |
vieler Länder – allen voran der Visegrád-Gruppe aus Polen, Tschechien, | |
Slowakei und Ungarn, aber auch zum Beispiel Italiens – wollten selbst den | |
Kompromissvorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft weiter aufweichen, | |
den Umweltschützer als unzureichend kritisieren. Diese Staaten lehnten den | |
Kern des Plans ab: dass die Mitgliedsländer verpflichtet werden, 20 Prozent | |
der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen, nicht mehr einfach pro | |
Hektar Fläche zu vergeben, sondern nur noch für konkrete Leistungen der | |
Landwirte für die Umwelt. Das wäre zu viel Bürokratie für die Bauern, | |
lautete eine Begründung. | |
19 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.eea.europa.eu/de/highlights/neueste-bewertung-zeigt-weiterhin-g… | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forst… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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