# taz.de -- Dieselfahrverbot in Hamburg: Überm Grenzwert | |
> Die Stresemannstraße in Hamburg ist die erste Straße in Deutschland, für | |
> die bald ein Fahrverbot gilt – mit Ausnahmen. Ist das Symbolpolitik? | |
Bild: Bald fast ohne Diesel: Stresemannstraße in Hamburg-Altona | |
HAMBURG taz | Nach Pfingsten soll es so weit sein. Ende Mai sollen in | |
Hamburg an zwei Straßenabschnitten die ersten „Durchfahrtsbeschränkungen“ | |
für ältere Dieselfahrzeuge erlassen werden, hat die Umweltbehörde | |
angekündigt. Der Plan, dies bereits im April zu tun, habe sich leider nicht | |
halten lassen: Zum einen liegt die schriftliche Urteilsbegründung des | |
Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vor, zudem verzögert sich die | |
Herstellung der nötigen Schilder und Masten. | |
Dennoch wird Hamburg die erste deutsche Stadt sein, die diese Konsequenz | |
aus dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar zieht. | |
Denn der im Sommer 2017 erstellte neue Luftreinhalteplan sah vor, im Fall | |
der Fälle rund 580 Meter der Max-Brauer-Allee sowie einen etwa 1,6 | |
Kilometer langen Abschnitt der Stresemannstraße mit | |
„Durchfahrtsbeschränkungen“ zu versehen: für alle Dieselwagen bis Euro 5 | |
auf der Allee, auf der Strese nur für LKWs bis Euro V. | |
Diese Maßnahmen durften damals nicht „Fahrverbote“ heißen, weil | |
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) versichert hatte, mit ihm werde es so was | |
nicht geben. Die Bundesrichter sahen das im Februar anders, und Scholz ist | |
seit März nicht mehr im Amt – so rasch können sich Sichtweisen und | |
Etiketten ändern. | |
Beide Straßen sind hoch belastete Hauptverkehrsadern, die vom Bahnhof | |
Altona ins Schanzenviertel und das dichtbesiedelte Eimsbüttel führen sowie | |
von St. Pauli zur Elbtunnel-Autobahn in Bahrenfeld. Sie kreuzen sich unter | |
der Sternbrücke, über die im Minutentakt ICEs, Regionalzüge und S-Bahnen | |
brausen. | |
Es ist der unwirtlichste Ort Hamburgs und zugleich der giftigste. Seit | |
Jahren liegen die Schadstoffwerte in der Luft an beiden dicht bebauten | |
Verkehrsachsen über den EU-Grenzwerten. Bereits im November 2014 | |
verurteilte das Verwaltungsgericht Hamburg die Stadt auf Klage eines | |
Anwohners der Max-Brauer-Allee dazu, Gegenmaßnahmen einzuleiten – doch | |
lange geschah nichts. | |
## Werte unter den Grenzwert drücken | |
Nun sollen die Fahrverbote auf den beiden Trassen dafür sorgen, die hohen | |
Stickstoffdioxid-Werte im Jahresdurchschnitt unter den EU-Grenzwert zu | |
drücken. Für manche Autofahrer bedeutet das einen Umweg. Das aber wirft | |
Fragen auf: Wenn man um die gesperrte Straße herumfahren kann oder muss, | |
verlagert sich das Problem dann nicht nur? Wird es in den Nebenstraßen | |
schmutziger, lauter und gefährlicher? | |
Umweltexperte Axel Friedrich, der den BUND, Nabu und die Deutsche | |
Umwelthilfe berät, bevorzugt eine Verbotszone. „Das wäre fachlich korrekt, | |
ist aber politisch schwieriger“, spricht Friedrich den entscheidenden Punkt | |
an. Noch immer hoffen einflussreiche Politiker aus CDU, CSU, SPD und FDP, | |
innerstädtische Fahrverbote verhindern zu können, noch immer befürchten | |
Oberbürgermeister von Städten wie Kiel den Verkehrsinfarkt, wenn sie ihre | |
Hauptschlagader – und um die geht es in der Regel – für den | |
dieselbetriebenen Wirtschaftsverkehr sperren. | |
In Hamburg sollen für die gesperrten Abschnitte Umleitungen ausgeschildert | |
werden: für die Max-Brauer-Allee über die Königstraße und Holstenstraße; | |
für die Stresemannstraße über den Ring 2 zur Fruchtallee, zwischen | |
Messegelände und Karoviertel hindurch und weiter auf dem Ring 1 via | |
Lombardsbrücke und Hauptbahnhof zum Deichtortunnel. Ob und wie diese | |
Vorschriften in der Praxis kontrolliert werden sollen, ist unklar. Auch | |
eine 32-seitige Broschüre der Umweltbehörde zum Thema klammert diese Frage | |
aus. | |
Klar ist jedoch, wer die gesperrten Straßen auch weiterhin mit eigentlich | |
verbotenen Wagen befahren darf: AnwohnerInnen sowie deren Besucher, Kunden | |
und Beschäftigte von ansässigen Geschäften, Büros, Praxen oder Kanzleien, | |
außerdem Busse, Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr, Post, Müllautos, | |
Handwerker und Lieferanten. | |
Wer sich also im Internet ein kluges Buch über lebenswerte Innenstädte | |
bestellt, kann es sich auch weiterhin von großen, braunen Dieselfahrzeugen | |
bis vor die Haustür bringen lassen. | |
Alles über Deutschlands erste Straße mit Dieselfahrverbot lesen Sie in der | |
gedruckten taz am Wochenende oder am [1][E-Kiosk]. | |
6 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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