| # taz.de -- Halbzeitbilanz in Bremen: Zehn Jahre Münzen zählen | |
| > Für die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert ist die „Halbzeitbilanz“ | |
| > des Senats eine Zehn-Jahres-Bilanz: 2007 übernahm sie 14 Milliarden Euro | |
| > Schulden | |
| Bild: Viel kritisiert, viel erreicht: Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert … | |
| BREMEN taz | Eigentlich ist ihre „Halbzeitbilanz“ eine Zehn-Jahres-Bilanz: | |
| Denn seit 2007 ist Karoline Linnert (Grüne) Bremens Finanzsenatorin, damals | |
| hatte sie 14 Milliarden Euro Schulden übergeben bekommen. „Ihr schafft das | |
| nie“, musste sie sich oft sagen lassen, und noch kürzlich wurde sie | |
| gefragt: „Wieso tut man sich diesen Job an?“ | |
| Und dann das: Von den Bund-Länder-Verhandlungen, in denen Bremen zwei | |
| Jahrzehnte lang gequält worden war, kam Linnert 2016 mit der Botschaft | |
| „Land in Sicht“ zurück. Vom Jahr 2020 an soll es nicht mehr den | |
| „Länderfinanzausgleich“ geben, mit dem Bremen immer wieder als dasjenige | |
| Bundesland dastand, das zu klein ist und anderen etwas wegnimmt. Der | |
| finanztechnische Ausgleich soll geräuschlos über die komplizierte | |
| Umsatzsteuerverteilung stattfinden. Und vom Jahr 2020 an soll es jedes Jahr | |
| 400 Millionen Euro „Belastungsausgleich“ geben, welch schönes Wort! | |
| ## Keine Glückwünsche, nicht mal von den Grünen | |
| „Es gibt eine Perspektive“, erklärte Linnert im Herbst 2016 stolz der | |
| grünen Mitgliederversammlung, man müsse der nachfolgenden Generation von | |
| Bremer PolitikerInnen nicht „einen aussichtslosen Fall übergeben“. Und: �… | |
| war anstrengend, seriöse Haushaltspolitik zu machen, aber es hat sich | |
| ausgezahlt.“ | |
| Nicht nur die Grünen-Mitglieder schienen das nicht wirklich verstanden zu | |
| haben, die redeten an jenem Abend lieber über veganes Essen. Kein | |
| Glückwunsch-Telegramm kam auch von Günter Dannemann, Bremens | |
| Finanzstaatsrat aus den Jahren 1994 bis 2003. Er war einer von denen, die | |
| in Zeiten der Großen Koalition die Investitionsprojekte wie | |
| Musical-Theater, Rennbahn und Space-Park zu verantworten hatten. | |
| Unter Linnert war damit Schluss. „Wenn sie das macht, dann wird Bremen zu | |
| Tode gespart“, hatte Dannemann vor Jahren zu ihren Sparplänen gesagt, | |
| „Selbstmord“ sei das – für Bremen. Lieber, so Dannemann damals, solle | |
| Bremen vor Gericht „mit fliegenden Fahnen untergehen“ und dann, vielleicht, | |
| kein Stadtstaat mehr sein. | |
| ## Sieg gegen Schäuble | |
| Die gelernte Psychologin Linnert ging trotzdem einen anderen Weg. Während | |
| der Bremer CDU-Finanzsenator Hartmut Perschau zu Dannemanns Zeiten in | |
| Berlin einmal sogar schlicht vor die Tür gesetzt worden war, erarbeitete | |
| Linnert sich Vertrauen. „Ich habe deutlich machen können: Wir tricksen | |
| nicht. Wir halten uns an Verabredungen. Das war vielleicht neu für Bremer | |
| Verhältnisse.“ Am Ende siegte sie – zusammen mit den 15 anderen | |
| Bundesländern – gegen den mächtigen Finanzminister Wolfgang Schäuble. „D… | |
| minus“, meinte der frustriert, als er nach seiner Bewertung des | |
| Kompromisses gefragt wurde. | |
| Noch geht es um die Bremer Haushalte 2018 und 2019. Formal wären das die | |
| schwersten der Sanierungsphase, noch einmal sollen mehr als 200 Millionen | |
| Euro bei den Ausgaben gestrichen werden, damit, formal, Bremen im Jahre | |
| 2019 ohne Neuverschuldung auskommt. Noch geht es offiziell nicht darum, wie | |
| das schöne Geld, das 2020 fließen soll, verteilt wird. De facto wurden für | |
| den Doppelhaushalt 2018/2019 aber mehrere Rücklagentöpfe angezapft, um | |
| Ausgaben zu decken. | |
| ## OTB-Rücklagen als Pfand | |
| Bevor sie mit einem „Wir schaffen es nicht“ nach Berlin gehen müsse und am | |
| Ende auf die 300 Millionen „Konsolidierungshilfe“ verzichte, sagt Linnert, | |
| würde sie auf die Rücklagen für den Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) | |
| zugreifen – eine Idee, die die SPD schon einmal brüsk abgelehnt hatte. | |
| So guckt alles auf das Jahr 2020, denn dann müssen die Rücklagen wieder | |
| aufgestockt werden und die zusätzlichen Ausgaben für Bildung, die sich | |
| Bremen für 2018/19 leisten will, müssen fortgeschrieben werden, aber: Es | |
| bleibt etwas übrig. Wie verteilt man das? Linnert: „Es wird nicht besser, | |
| wenn man in diese Strukturen einfach nur mehr Geld hineinkippt.“ | |
| ## „Wachsende Stadt“ | |
| Wie verteilt man also das Geld intelligenter als in der Phase der Großen | |
| Koalition, die über Großprojekte den Tourismus und damit die | |
| Steuereinnahmen steigern wollte – „Millionenschwere Flops“, wie Linnert | |
| damals wie heute findet. Aber auch für die rot-grüne Koalition ist klar: | |
| Vor allem mehr Einwohner steigern die Wirtschafts- und Finanzkraft. „Wir | |
| wollen ja eine wachsende Stadt“, sagt Linnert, dafür braucht man eine | |
| vernünftige Infrastruktur, ein gutes Bildungswesen, genügend | |
| Kindergartenplätze, hinreichend Wohnraum – und Gewerbeflächen. Die | |
| Haushaltspolitik stellt die Weichen. | |
| „Geldfragen sind Verteilungsfragen. Das interessiert mich“, sagt Linnert, | |
| und: „Wir müssen schon jetzt bei der Haushaltsaufstellung für 2018/19 einen | |
| klugen Weg hinkriegen, um einen Teil der zusätzlichen 400 Millionen Euro ab | |
| 2020 sinnvoll ausgeben zu können.“ | |
| ## Zukunftskommission als Alleingang Sielings | |
| Das eine sind Erfolge, das andere die Art, wie sie öffentlich dargestellt | |
| werden. Sicherlich hat Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) mit | |
| seinen guten Kontakten als ehemaliger Finanzpolitiker in Berlin einen | |
| wichtigen Anteil an dem Erfolg, es gibt da auch keine Differenz zu Linnert. | |
| Und doch ist Sieling ziemlich allein an die Öffentlichkeit gegangen mit | |
| seiner Idee, eine Kommission „Zukunft Bremen“ einzurichten, deren Vorsitz | |
| er allein haben will. | |
| Alle möglichen Bremer Institutionen von der Handelskammer bis zum | |
| Landessportbund sollen da beteiligt werden, also alle, die seit Jahren für | |
| ihre Klientel trommeln. Und dazu kommen einige namhafte Experten aus der | |
| Republik, die für den Blick über den Tellerrand sorgen sollen. Diese | |
| „Kommission“ ist zunächst einmal nur ein Verfahren; der Diskussionsprozess | |
| soll ungefähr vor dem Wahlkampf 2019 enden. Sie ist der Versuch, die | |
| politische Weichenstellung außerhalb der „Logik der Verwaltung“ zu | |
| diskutieren und die Öffentlichkeit einzubeziehen – mit dem großen Risiko, | |
| dass am Ende ein Konsenspapier steht, das für jeden einen gefälligen Satz | |
| übrig hat. | |
| ## Kein Lob, aber Vorarbeiten | |
| Von Linnert gibt es kein Wort des Lobes für diese Idee, aber es ist klar, | |
| dass die Haushaltsabteilung ihres Ressorts wesentliche Vorarbeiten machen | |
| wird. Sie wird 62 Jahre alt im Jahre 2020, und so gehen viele davon aus, | |
| dass sie diese ersten Jahre, in denen die Erfolge ihrer | |
| Konsolidierungspolitik „geerntet“ werden können, auch mitgestalten will – | |
| zumal andere SpitzenkandidatInnen bei der „nachfolgenden | |
| Politikergeneration“ der Bremer Grünen nicht in Sicht sind. | |
| Schon vor Jahren hat Linnert davon gesprochen, in der Politik gehe es nicht | |
| nur um den „Spaßfaktor“, sondern auch um „Pflicht“. Der Garten im „V… | |
| Weserlust“, wo sie Knabenkraut und anderes umsorgt, muss dann noch warten. | |
| Wobei die Finanzpolitikerin, die auf einem Dorf bei Bielefeld aufgewachsen | |
| ist, dort durchaus gern freie Tage verbringt. | |
| 17 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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