| # taz.de -- Abschied vom Finanzausgleich: 16 gegen Schäuble | |
| > Jahrzehntelang war Bremen Haushaltsnotlage-Land, Bayern drohte gar mit | |
| > einer Länder-Neugliederung. Diese Epoche ist 2020 dank Ländersolidarität | |
| > zu Ende. | |
| Bild: Für mehr Kohle: Sieling verhandelt mit Haseloff, Merkel und Schäuble | |
| „Nach mehreren Jahrzehnten steht Bremen nicht mehr am Pranger“, sagt | |
| Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), „unsere Erwartungen und Hoffnungen | |
| haben sich voll erfüllt“. Und seine Finanzsenatorin Karoline Linnert | |
| (Grüne) verkündet das „Ende der finanzpolitischen Aussichtslosigkeit“. Sie | |
| meinen den neuen Länderfinanzausgleich, der ab 2020 gelten soll. | |
| Zwei Zahlen machen den Sprung deutlich: Im laufenden Jahr 2016 rechnet das | |
| Land Bremen mit einer Neuverschuldung von mehr als 500 Millionen Euro. 2020 | |
| soll es keine Neuverschuldung mehr geben, stattdessen bekommt Bremen 500 | |
| Millionen Euro. Ohne Bedingungen, ohne Befristung – 400 Millionen Euro | |
| davon sind ein sogenannter „Belastungsausgleich“, den sonst nur das | |
| Saarland bekommt. Bis zum Jahre 2019 muss Bremen seinen Haushalt um diese | |
| 500 Millionen Euro zusammenstreichen, das sieht der Stabilitätspakt so vor, | |
| und dann gibt es plötzlich so viel, dass man es kaum vernünftig ausgeben | |
| kann. | |
| Wenn man die Bremer Bürgermeister fragt, wie dieses Ergebnis zustande | |
| gekommen ist, dann erklärt Linnert: Die 16 Bundesländer haben vor zwei | |
| Jahren eine Strategie vereinbart – und zusammengehalten. Kein Land hat sich | |
| aus der Ländersolidarität „herausgekauft“. Nie habe sie so etwas erlebt, | |
| sagte Linnert. Am Ende der Verhandlungen hat sich die Bundeskanzlerin auf | |
| die Seite der Länder geschlagen, weil sie ein Ergebnis wollte. | |
| In der langen Nacht der Verhandlungen stritten am Ende alle mit dem | |
| Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Als alles vorbei war, sagte | |
| CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer: „Nun verstehe ich den griechischen | |
| Ministerpräsidenten Alexis Tsipras“ – Schäuble wollte die Bundesländern | |
| offenbar genauso gängeln wie Griechenland. | |
| Als der Finanzminister am Tag danach auf der Pressekonferenz gefragt wurde, | |
| wie er das Ergebnis der Nacht bewerte, sagte er mürrisch: „3 minus.“ | |
| Woraufhin der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), | |
| seinem Parteifreund sogar widersprach und „1 minus“ antwortete. | |
| Es heißt, dass es Schäuble dabei weniger um das Geld gegangen sei, dass der | |
| Bund für den Kompromiss drauflegen muss. Schäuble wollte vielmehr für das | |
| Geld den Ländern Kompetenzen abnehmen – und hat damit ihre Solidarität | |
| befördert. Ihm bleiben nur die Integration der Autobahnverwaltungen in eine | |
| Bundesautobahngesellschaft und mehr Möglichkeiten in der Schulpolitik: Mit | |
| den Hilfen für Kommunen aus Bundesmitteln kann auch ein bisschen gesteuert | |
| werden. | |
| Für Bremen ist die Frage nun, was man mit dem Geldsegen nach dem Jahre 2020 | |
| machen soll. Alles in die Schuldentilgung zu stecken? Es würde Jahrzehnte | |
| dauern, bis Bremen schuldenfrei wäre. Und wenn der Stadtstaat das | |
| Schuldenniveau anderer Bundesländer erreicht hat, könnten die anderen | |
| Bundesländer auf die Idee kommen, den Belastungsausgleich zu streichen. Für | |
| Linnert ist klar: „Es muss nicht Ziel des Staates sein, gar keine Schulden | |
| mehr zu haben.“ | |
| Wenn im April 2017 der neue Finanzausgleich juristisch in Gesetzesform | |
| gegossen ist, geht es um die Frage, wie viele Schulden Bremen tilgen muss | |
| und wie viel es investieren darf. Das beste wäre, den Stabilitätsrat davon | |
| zu überzeugen, dass die Sparquote 2019 nicht ganz so drastisch ausfallen | |
| muss – mit Blick auf den Geldsegen 2020. | |
| 3 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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