# taz.de -- Geldbeziehungen: Bloß kein Triumphgeheul | |
> Bremen könnte der Schuldenfalle entkommen – wenn der Bund dem | |
> ausgetüftelten Modell der föderalen Finanzbeziehungen zustimmt | |
Bild: Haben gut gedealt: Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert und Bürgerme… | |
Gestern trat dann Martin Jäger, der Sprecher von Finanzminister Wolfgang | |
Schäuble (CDU), vor die Bundespressekonferenz und sagte – nichts. Oder | |
wenigstens nichts Konkretes zu den „einzelnen Elementen“ des von der | |
Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) unter Leitung von Bürgermeister Carsten | |
Sieling (SPD) ausgehandelten neuen Modells der | |
Bund-Länder-Finanzbeziehungen (taz berichtete): Immerhin stellte er klar, | |
dass die jährliche zusätzliche Hilfezahlung von 400 Millionen Euro für | |
Bremen nicht weit entfernt von den Vorstellungen des Bundes sei. „Unser | |
eigener Vorschlag ging da in eine ähnliche Richtung.“ Und grundsätzlich | |
begrüßte Jäger, dass sich die lange zerstrittenen 16 Länder endlich auf | |
einen Ansatz zur Neuordnung verständigt hatten. | |
Dass er sich zu dessen Details noch nicht äußerte, ist nachvollziehbar: | |
Einerseits soll an die Stelle eines simplen Verteilschlüssels ein komplexes | |
Lenkungssystem mit vielen Stellschrauben treten: Zu denen zählen die | |
Zuschüsse für Hafenlasten, das Geld für Forschungs- und für | |
Erdgasförderung. Wichtigstes Instrument ist aber die Neuverteilung der | |
Umsatzsteuereinnahmen – und scheint Bremen immerhin die Aussicht auf einen | |
Ausweg aus der Altschuldenfalle zu eröffnen. | |
Wenn 16 sich einigen, können völlig neue und unerwartete Freundschaften | |
entstehen. Vor allem, wenn ein 17. die Zeche zahlen muss. So auch hier: | |
Gestern hieß es aus der Münchner Staatskanzlei, dass es Ministerpräsident | |
Horst Seehofer (CSU) „ein besonderes persönliches Anliegen“ gewesen sei, | |
dass auch „die finanzschwachen Länder Bremen und Saarland angemessen | |
berücksichtigt werden“. | |
Während der Oberschwabe angeblich beim abendlichen Meeting nach der MPK mit | |
dem etwas verbissen wirkenden Schäuble geradezu kumpelig Sieling auf die | |
Schulter geklopft und ihm zugeraunt haben soll: Wenn man zusammenstehe, | |
werde der Bund schon einknicken, hat Finanzsenatorin Karoline Linnert | |
(Grüne) weit mehr Respekt vor dieser Sollbruchstelle: „Ich bin stolz, dass | |
wir so weit gekommen sind“, verkündete sie zwar gestern bei der | |
Unterrichtung des Bremer Haushaltsausschusses. Es sei aber „nur eine | |
Etappe“, warnte sie, schließlich müsse man „zugeben, dass die Sache ein | |
bisschen zu Lasten des Bundes geht“. | |
In Zahlen bedeutet das: Statt ab 2020 jährlich 8,5, wie vom Finanzminister | |
im Juni angeboten, soll der Bund nun 9,65 Milliarden Euro aus dem | |
gesamtstaatlichen in die föderalen Haushalte umlenken. Und das sorgt nicht | |
gerade für Freude im Hause Schäuble: „Eine Milliarde ist kein Kleingeld“, | |
betonte Jäger in Berlin. | |
Wenn es denn klappt, wäre es ein Bombengeschäft für Bremen, das darüber | |
hinaus nicht nur weiter von der lange von Bayern angefeindeten „Veredelung“ | |
der Stadtstaateneinwohner profitiert – sie werden anderthalbfach gewertet | |
–, sondern auch zusammen mit den Küstenländern die Fortschreibung der | |
Hafenlastenregelung. Ihr sei wichtig, „dass jetzt nicht überall in der | |
Republik erzählt werde, was Bremen da für einen tollen Deal gemacht hat“, | |
sagte die Finanzsenatorin Linnert im Haushaltsausschuss. | |
In einer Art vorauseilendem Gehorsam hatte dessen Vorsitzender Jens Eckhoff | |
(CDU) am Vorabend bereits den Verhandlungserfolg in einem eher rumpeligen | |
und wenig sachkundigen Angriff die „desaströse rot-grüne Finanzpolitik“ | |
beklagt, bei der er „keine Sparanstrengung erkennen konnte“. Eine schwer | |
nachvollziehbare Einschätzung: „Damit verkennt er die Realität völlig“, | |
bedauerte Senatssprecher André Staedler. „Ein solches Ergebnis ist nur | |
möglich gewesen, weil sich Bremen ein Image finanzpolitischer Seriosität | |
erarbeitet hat.“ | |
4 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Christina Schmidt | |
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