# taz.de -- Debatte Länderfinanzausgleich: Von wegen Supergeberland Bayern | |
> Die Mär vom ungerechten Länderfinanzausgleich: Warum der Freistaat in | |
> Wirklichkeit mehr Steuern bekommt, als ihm zustehen. | |
Bild: Pöbelt gerne mal gegen die Bundesregierung: Horst Seehofer, hier beim M�… | |
Am Donnerstag dieser Woche treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder, | |
um – im Windschatten des Flüchtlingsgipfels – über den | |
Länderfinanzausgleich (LFA) zu verhandeln. Der soll nämlich bis Ende des | |
Jahres auf neue Beine gestellt werden. | |
Zuletzt hat Bayern für die unionsgeführten Länder einen Reformvorschlag | |
unterbreitet. Ein Vorschlag, nach dem Bayern 1 Milliarde Euro weniger in | |
den LFA zahlen müsste. Denn Bayern zahle mit 60 Prozent des | |
Länderfinanzausgleichs viel zu viel – so die Klage, die seit Jahren schon | |
von Seehofer, Stoiber oder weiland Franz Josef Strauß geführt wurde und | |
wird. | |
Es ist erstaunlich, dass die CSU mit dieser Sichtweise so unwidersprochen | |
durchkommt. Denn die Legende vom Supergeberland schrumpft ziemlich | |
zusammen, wenn man sich das deutsche Steueraufkommen vor dem | |
Länderfinanzausgleich ansieht. Danach bekommt Bayern einfach von Anfang an | |
viel mehr, als ihm nach Wirtschaftskraft zusteht: 3 Milliarden Euro mehr, | |
um genau zu sein. Das heißt, 3 Milliarden Euro mehr, als es dem bayerischen | |
Beitrag zum BIP entspricht: dem Wert aller Waren und Dienstleistungen, die | |
dort in einem Jahr produziert wurden. | |
## Gutverdiener zahlen mehr | |
Die Ursache ist ein Mechanismus, der zeitlich vor dem Länderfinanzausgleich | |
liegt. Es geht um die Verteilung der Steuerarten zwischen Bund und Ländern, | |
konkret um die Verteilung von Einkommen-, Lohn-, Körperschaft- und | |
Umsatzsteuer. Im Kern sind es drei Regelungen, die dazu führen, dass die | |
bayerische Steuerbilanz deutlich besser aussieht, als sie es nach der | |
bayerischen Wirtschaftskraft sein dürfte. | |
Erstens wurde in den 50er Jahren festgelegt, dass die Einkommensteuer | |
zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird. Die Länder bekommen 57,5 | |
Prozent. Davon profitieren aber die reicheren Bundesländer. Sie erhalten | |
nämlich nicht nur die Steuereinnahmen, die ihnen nach Wirtschaftskraft | |
zustehen. Sie erhalten mehr – hauptsächlich, weil die Einkommensteuer | |
progressiv ist: Gutverdiener zahlen nicht nur absolut, sondern auch relativ | |
zum Einkommen höhere Steuern. Bundesländer wie Bayern, in denen es mehr | |
Besserverdienende gibt, erhalten dadurch einen überproportional höheren | |
Anteil an der Einkommensteuer. | |
Zweitens wird die Bevorteilung der wirtschaftsstarken Länder durch die | |
Regelung zur Körperschaftsteuer verstärkt. Die Körperschaftsteuer wird nach | |
örtlichen Lohnsummen zerlegt. Konzerne wie BMW haben ihre Zentrale und hoch | |
dotierte Jobs in München. Sie lassen aber kostengünstig zu niedrigeren | |
Löhnen in Sachsen und Berlin produzieren. Bei der Zerlegung der | |
Körperschaftsteuer schlagen für die östlichen Bundesländer aber nur ihre | |
niedrigen Löhne zu Buche. Ihre hohen Gewinne werden Bayern zugerechnet. | |
## Loblied auf den eigenen Aufstieg | |
Drittens verstärkt auch die Zerlegung der Lohnsteuer nach Wohnorten die | |
Ungleichheit unter den Bundesländern. Insbesondere wirkt sie sich fatal auf | |
die Stadtstaaten aus. Denn die Lohnsteuer von Pendlern kommt so überwiegend | |
Flächenstaaten zugute. | |
Nun profitieren von der Regelung der Körperschaftsteuer und der | |
progressiven Einkommensteuer natürlich auch Baden-Württemberg und Hessen. | |
Aber das Loblied auf den Aufstieg aus eigener Kraft – vom Agrar- zum | |
Industriestaat – wird nun einmal von keinem anderen Bundesland so laut | |
gesungen. Kein anderer Ministerpräsident klagt so vehement über die | |
Leistungsfeindlichkeit des Länderfinanzausgleichs wie Seehofer. | |
Insofern muss er sich den Hinweis gefallen lassen, dass Bayern erst einmal | |
weit überproportional von der bisherigen Aufteilung der Steuerarten vor dem | |
Länderfinanzausgleich profitiert. Bayern bekam 2013 eben 3 Milliarden Euro | |
mehr, als ihm nach Wirtschaftskraft zustand. In den Länderfinanzausgleich | |
zahlte es im selben Jahr 4,3 Milliarden Euro ein. Der angeblich so | |
großzügige Beitrag Bayerns zum Wohle der ärmeren Bundesländer besteht also | |
in 1,3 Milliarden. Und diese eine Ausgleichsmilliarde würde nach dem jetzt | |
vorgetragenen bayerischen Reformvorschlag auch noch wegfallen. | |
Der Mechanismus der Aufteilung der Steuerarten ist historisch gewachsen. Es | |
gibt keine sachlichen Gründe dafür, ihn zu behalten. Er fördert die | |
Ungleichheit zwischen den Bundesländern – die reicheren werden reicher, die | |
ärmeren ärmer. Wenn die Aufteilung von Umsatz- und Einkommensteuer zwischen | |
Bund und Ländern nach Einwohnerzahl geregelt wäre, bräuchte es gar keinen | |
Länderfinanzausgleich. | |
## Konkrete Vorschläge unbeliebt | |
Es gibt aber auch jenseits dieser großen Lösung eine Reihe von Vorschlägen | |
aus der Wissenschaft, wie man die Steuerarten zwischen Bund und Ländern | |
gerechter aufteilen könnte. Die meisten laufen auf ein Trennsystem hinaus. | |
Danach würde die Einkommen- und Körperschaftsteuer vollständig an den Bund | |
gehen, die Umsatzsteuer dagegen ausschließlich an die Länder. Das wurde | |
übrigens schon in den 60er Jahren von der sogenannten Tröger-Kommission | |
vorgeschlagen. Befürwortet wurde sie unter anderem von einem gewissen Franz | |
Josef Strauß. | |
Es ist aber unwahrscheinlich, dass sein Nachfolger, Horst Seehofer, an | |
diese Tradition anknüpft. Denn dann hätte Bayern zwar von vornherein | |
weniger Geld und müsste im Länderfinanzausgleich nichts abgeben. Aber Horst | |
Seehofer hätte dann auch weniger zu klagen. Doch die Klage über eine | |
angebliche Benachteiligung Bayerns ist konstitutiver Teil des | |
Erfolgsrezepts der CSU. Nur so schafft sie es, gleichzeitig Regierungs- und | |
Oppositionspartei in einem zu sein: Regierungspartei in Bayern, im Bund | |
dagegen Opposition. | |
Was die verzerrende Aufteilung von Steuerarten angeht – das wäre ein | |
föderales Reformvorhaben, bei der es die Zustimmung beider Volksparteien | |
bräuchte. Doch bis jetzt gibt es weder von der SPD noch von der CDU eine | |
Initiative, an der Verteilung der Steuerarten zu rütteln. Es wäre eine | |
Überraschung, wenn die Große Koalition ihre vielen Stimmen einmal für einen | |
wirklich großen Reformwurf nutzen würde. Der bayerische Vorschlag dagegen | |
würde die Ungleichheit noch verschärfen. Denn Bayern bekommt jetzt schon | |
viel zu viel. | |
24 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Lisa Paus | |
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