| # taz.de -- Oktoberfest vs. Flüchtlinge in München: Eine Stadt im Ausnahmezus… | |
| > CSU-Chef Seehofer sagt, München könne wegen der Wiesn keine Flüchtlinge | |
| > mehr aufnehmen. Ein Skandal ist das nicht – der liegt ganz woanders. | |
| Bild: Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof stehen unter einer Werbetafel für… | |
| Der hässliche Bazi ist wieder da. Er erschien am Wochenende in Form von | |
| Horst Seehofer. Vor Journalisten sagte der bayerische Ministerpräsident, | |
| während des Oktoberfests dürfe München nicht Knotenpunkt für Tausende | |
| Flüchtlinge bleiben. Auch deshalb habe er die Bundesregierung darum | |
| gebeten, vorübergehend Grenzkontrollen einzurichten. | |
| Seehofer, der Bierdimpfl. Im Internet bescherte ihm das Statement einen | |
| Shitstorm unter dem Hashtag #Oktoberfestung. „Das Oktoberfest ist ihm | |
| wichtiger als der Schutz von Kriegsflüchtlingen“, hieß es aus der | |
| Linkspartei. „Eine Mauer um Bayern“, forderte die taz. | |
| Dabei hat der Mann recht. | |
| Werfen wir einen Blick auf den Münchner Hauptbahnhof: Rund 70.000 | |
| Flüchtlinge sind dort in den ersten beiden Septemberwochen angekommen. Der | |
| Großteil wurde am Bahnsteig abgeholt, in einem Nebengebäude registriert und | |
| ohne lange Wartezeit in Notunterkünfte transportiert. Der reguläre | |
| Zugverkehr lief nebenan weiter. „Das war schon eine Herausforderung“, sagt | |
| ein Bahnsprecher. Dass Bahn, Behörden und Freiwillige sie bewältigt haben, | |
| war eine Meisterleistung. | |
| ## Sonderzüge für Wiesngäste | |
| Am kommenden Samstag folgt die nächste Herausforderung. „Das Oktoberfest | |
| ist ein absoluter Ausnahmezustand“, sagt der Bahnsprecher. Während der 16 | |
| Wiesntage treffen 40 Sonderzüge aus dem Umland in München ein, die S-Bahn | |
| kündigt 400 Extrafahrten an, insgesamt rechnet die Bahn mit zwei Millionen | |
| zusätzlichen Fahrgästen. Unter Umständen werden einige von ihnen kotzen, um | |
| sich schlagen und auf Gleise stolpern. | |
| Was würde nun passieren, wenn an Spitzentagen Tausende Flüchtlinge und | |
| Hunderttausende Besoffene gleichzeitig abgefertigt werden müssten? „Das ist | |
| natürlich spekulativ“, sagt der Bahnsprecher und beantwortet die Frage | |
| lieber nicht. Aber wer schon einmal während des Oktoberfests am Münchner | |
| Hauptbahnhof stand, der ahnt: Dieser in die Tage gekommene Zweckbau aus den | |
| 1950er Jahren könnte mit der Doppelbelastung überfordert sein. | |
| ## Mehr Drehkreuze | |
| Um den Hauptbahnhof zu entlasten, gäbe es zu Grenzkontrollen zwei | |
| Alternativen. Die eine: das Oktoberfest absagen. Auf den ersten Blick wirkt | |
| diese Option verlockend, zeitgemäß ist ein staatlich organisiertes | |
| Saufgelage in Innenstadtlage schließlich nicht. Da dieses Saufgelage aber | |
| überraschend vielen Menschen eine ganze Menge bedeutet, scheidet die Option | |
| aus: Nur wer will, dass die Stimmung gegen die Flüchtlinge kippt, nimmt der | |
| Bevölkerung ihr Lieblingsvolksfest. | |
| Die bessere Alternative: Weitere Drehkreuze in anderen Bundesländern | |
| einrichten, damit Züge mit Flüchtlingen während des Oktoberfests an München | |
| vorbeifahren können. Die Verantwortlichen vor Ort, allen voran | |
| SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter, fordern das seit Anfang September. Bis | |
| jetzt (Stand Dienstagnachmittag) ist den Bayern aber niemand zur Seite | |
| gesprungen. Manche Bundesländer ducken sich weg, andere bieten ihre Hilfe | |
| an, aber vertrösten auf später: Die Vorbereitung eines solchen Knotenpunkts | |
| könne Wochen dauern. | |
| ## Der Zusammenhalt stößt an Grenzen | |
| Darüber, dass der Rest Deutschlands die Bayern im Stich lässt, empört sich | |
| nördlich von Hof aber seltsamerweise kaum jemand. Das ist aus zwei Gründen | |
| grotesk. Erstens fordert Deutschland vom Rest Europas, zusammenzuhalten und | |
| Flüchtlinge gerecht auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Mit gutem Vorbild | |
| geht die Bundesrepublik selbst dabei aber nicht voran. Innerhalb | |
| Deutschlands werden Flüchtlinge zwar bereits nach einer festen Quote | |
| verteilt, schon bei der Bahnfrage stößt der Zusammenhalt aber an seine | |
| Grenzen. | |
| Zweitens steht doch außer Frage, dass Deutschland die Ressourcen hätte, | |
| Tausende Flüchtlinge aufzunehmen und gleichzeitig im Süden ein Volksfest | |
| auszurichten. Eigentlich könnte Seehofer die Flüchtlinge und das | |
| Oktoberfest also gar nicht gegeneinander ausspielen. Dass er seine | |
| Forderung nach Grenzkontrollen trotzdem mit der Wiesn untermauern konnte, | |
| hatte einen einzigen Grund: die fehlende Solidarität Deutschlands mit | |
| Bayern, München und seinem überlasteten Hauptbahnhof. | |
| 15 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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