| # taz.de -- Abschaffung des Länderfinanzausgleichs: Geld gegen Macht | |
| > Die Bundesländer haben Schäuble 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr | |
| > abgerungen. Dafür erhält der Bund mehr Einfluss bei Autobahnen und | |
| > Überwachung. | |
| Bild: „Schon gut, nehmt das Geld“, scheint sich Schäuble gedacht zu haben.… | |
| Berlin taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein | |
| Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer waren mehrmals stinksauer. Sie boten | |
| den Bundesländern viel Geld, zuletzt über 8 Milliarden Euro pro Jahr. Aber | |
| die MinisterpräsidentInnen sagten immer: „Nein. Das reicht nicht. Wir | |
| wollen mehr.“ Schließlich gab Schäuble nach. Am Donnerstag beschloss der | |
| Bundestag das umfangreiche Gesetzespaket, das auch einige | |
| Grundgesetzänderungen beinhaltet. Am Freitag folgt der Bundesrat. | |
| Aus anderen Verhandlungen, beispielsweise mit Griechenland, ist der | |
| CDU-Finanzminister für solche Großzügigkeit nicht bekannt. Hier aber zeigt | |
| er Entgegenkommen. Im Jahr 2020 erhalten die 16 Länder 9,7 Milliarden Euro | |
| mehr als heute aus den gemeinsamen Steuereinnahmen. Der Betrag steigt bis | |
| 2030 auf 14 Milliarden. Der Bund verzichtet auf diese Summe. | |
| Das ist das immer noch erstaunliche Ergebnis einer langjährigen Debatte, | |
| die unter der Überschrift „Länderfinanzausgleich“ ablief. Worum geht es? | |
| Gegenwärtig wird ein Teil der Steuereinnahmen zwischen den Ländern | |
| umverteilt, damit sich die Lebensbedingungen in ärmeren und reichen | |
| Regionen nicht zu sehr auseinanderentwickeln. Im vergangenen Jahr zahlten | |
| Bayern 5,8 Milliarden Euro in diesen Topf, Baden-Württemberg 2,5 Milliarden | |
| und Hessen 2,3 Milliarden. Alle anderen Länder bekamen etwas davon ab, | |
| Berlin mit fast 4 Milliarden den größten Anteil. Dieser Verteilungsmodus | |
| ging den Regierungen der Geberländer zunehmend auf die Nerven. Zusammen mit | |
| Hessen klagte Bayern-Chef Horst Seehofer (CSU) beim | |
| Bundesverfassungsgericht. | |
| Das neue Berechnungsverfahren, das ab 2020 gilt, sieht nun anders aus. | |
| Bayern beispielsweise wird zunächst etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr | |
| sparen. Mehr noch: „Kein Land kommt schlechter weg als vorher“, sagt | |
| Kristina van Deuverden, Ökonomin beim Deutschen Institut für | |
| Wirtschaftsforschung (DIW). Und das, obwohl bald auch die bisherige | |
| Ostförderung des Solidarpakts endet. Mit im Verhandlungspaket ist unter | |
| anderem der Unterhaltsvorschuss: Alleinerziehende erhalten künftig bis zum | |
| 18. Geburtstag ihrer Kinder den Unterhalt aus öffentlichen Kassen, wenn der | |
| andere Elternteil nicht zahlt. | |
| Schäuble willigte ein, weil die 16 MinisterpräsidentInnen an einem Strang | |
| zogen. Bei den Verhandlungen stand es 16 zu 1. Die Länder einigten sich auf | |
| Kosten des Bundes. Die Zustimmung fiel dem Finanzminister jedoch leichter, | |
| weil er im Geld schwimmt. Ständig steigen die Steuereinnahmen. Wegen der | |
| guten Wirtschaftsentwicklung erwirtschaftet der Staat Überschüsse. Außerdem | |
| ist Schäuble empfänglich für die schwierige Lage in manchen Ländern und | |
| Kommunen. Er weiß, dass ohne zusätzliches Geld die steigenden Ausgaben für | |
| Sozialleistungen, Flüchtlingshilfe und Reparaturen in Schulen nicht zu | |
| stemmen sind. | |
| Aber kostenlos ist die Einigung auch für die Länder nicht. „Die | |
| zentralstaatliche Kompetenz wird gestärkt, der Ausgleich unter den Ländern | |
| hingegen geschwächt“, sagt van Deuverden. Das Geschäft folgt dem Prinzip | |
| Geld gegen Macht. Schäuble spendiert Milliarden, dafür erhält der Bund | |
| zusätzlichen Einfluss. Etwa Ausbau und Instandhaltung der Autobahnen | |
| organisieren künftig nicht mehr die Landesministerien, zuständig ist dann | |
| eine Bundesgesellschaft. | |
| Von erheblicher politischer Bedeutung sind die neuen Überwachungsrechte, | |
| die der Bund für die Finanzen der Länder bekommt. Diese müssen bald eine | |
| Schuldenbremse einhalten, die härter wirkt als auf nationaler Ebene. | |
| Staatsverschuldung auf Landesebene ist dann kaum noch möglich. Die | |
| Regierungen ärmerer Regionen suchen deshalb bereits heute nach | |
| Möglichkeiten, die zukünftige Regelung zu umgehen. Ein Variante: | |
| Privatwirtschaftliche Gesellschaften unter staatlicher Hoheit könnten | |
| Kredite aufnehmen. Solche und andere Ausweichreaktionen will Schäuble durch | |
| die schärfere Aufsicht des Bundes über die Länder verhindern. Das ist ihm | |
| auch 10 und mehr Milliarden pro Jahr wert. | |
| 1 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
| ## TAGS | |
| Länderfinanzausgleich | |
| Wolfgang Schäuble | |
| Kommunen | |
| Jamaika-Koalition | |
| Autobahn | |
| Steuereinnahmen | |
| Länderfinanzausgleich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Verschuldete Kommunen in Deutschland: Viele Städte erhöhen die Gebühren | |
| Deutsche Städte und Gemeinden erwirtschaften einen Milliardenüberschuss. | |
| Doch gerade arme Kommunen rutschen immer tiefer in die Schulden. | |
| Peter Bofinger über Finanzpolitik: „Die Schuldenbremse lockern“ | |
| Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger rät zu mehr Investitionen auf | |
| kommunaler Ebene. Ob das mit Jamaika klappt? Er ist skeptisch. | |
| Streit um Autobahn-Privatisierung: Koalition einigt sich überraschend | |
| Der Konflikt über die künftige Autobahngesellschaft des Bundes scheint | |
| beigelegt. Im Grundgesetz soll es weitgehende Privatisierungsschranken | |
| geben. | |
| Steuerschätzung des Bundes: Wieder zusätzliche Steuereinnahmen | |
| Gute Konjunktur und Arbeitsmarktlage: Die deutschen Finanzminister sollen | |
| 2016 und 2017 fünf Milliarden Euro mehr einnehmen als erwartet. | |
| Abschied vom Finanzausgleich: 16 gegen Schäuble | |
| Jahrzehntelang war Bremen Haushaltsnotlage-Land, Bayern drohte gar mit | |
| einer Länder-Neugliederung. Diese Epoche ist 2020 dank Ländersolidarität zu | |
| Ende. |