# taz.de -- Autorin über unnütze Identitäten: „Heimat ist eine Behauptung�… | |
> Olga Grjasnowa kommt aus Aserbaidschan, spricht Russisch und hat | |
> Familienangehörige in Israel. Warum gerade sie einen Roman über syrische | |
> Flüchtlinge schreibt. | |
Bild: „Es ist ein Unterschied, ob Antisemitismus vom Staat verordnet wird ode… | |
Olga Grjasnowa ist in Aserbaidschan aufgewachsen und mit elf Jahren nach | |
Deutschland geflohen. Ihre Familie spricht Russisch, ein Teil davon ist | |
jüdisch. Sie hat in Berlin einen Syrer geheiratet, der Muslim ist – und | |
gerade ihren neuen Roman veröffentlicht, der von zwei Syrern erzählt, die | |
nach Deutschland fliehen. „Gott ist nicht schüchtern“ heißt er. | |
Ins Café an der Berliner Sonnenallee kommt Olga Grjasnowa auf die Minute | |
genau. Ihre Haare sind rotblond, ihr Bauch ist etwas rund: Sie ist | |
schwanger mit ihrem zweiten Kind. Harte und weiche Sätze sagt sie, die alle | |
so endgültig klingen, dass man zögert nachzufragen. Im Deutschen fühle sie | |
sich wohler als im Russischen, meint sie. Aber wenn sie spricht, hört man | |
die atemlose, russische Melodie. | |
taz.am wochenende: Frau Grjasnowa, gibt es einen Ort, den Sie Heimat | |
nennen? | |
Olga Grjasnowa: Nein. Heimat ist eine Behauptung, ein imaginärer Ort. Was | |
das genau sein soll, wurde nie näher definiert: ein Haus, eine Stadt, ein | |
Landstrich? Mit diesem Wort wird ein bestimmtes Gefühl konserviert, wie ein | |
Schwarz-Weiß-Foto. Ein Wunschort, nach dem man sich sehnt, der aber nichts | |
mit der Realität zu tun hat. | |
Das klingt hart. | |
Der Begriff wurde schon immer verklärt. Das Gefühl, dass Menschen dort | |
nicht glücklich sind, wo sie hineingeboren werden, hat darin keinen Platz. | |
Aber wenn das nicht so wäre, dann wäre halb Berlin leer. | |
Wäre es denn besser, wenn Menschen keinen Ort hätten, den sie als Heimat | |
begreifen? | |
Ach, nein. Aber ich wünsche mir, dass die Leute dort glücklich werden, wo | |
sie wollen. Jemand aus einem Dorf in Bayern wird vielleicht in Südafrika | |
glücklicher als in seinem Dorf. | |
Mögen Sie auch das Wort „Heimweh“ nicht? | |
Das ist etwas ganz anderes. Das ist eine Sehnsucht nach einer bestimmten | |
Erinnerung. Ein Gefühl, das, glaube ich, sehr familiär ist. | |
Sie kommen aus Baku, Ihr Mann kommt aus Deir al-Sor in Syrien. Jetzt leben | |
Sie gemeinsam in einer Wohnung in der Sonnenallee. Haben Sie manchmal | |
Heimweh? | |
Das Baku, in dem ich aufgewachsen bin, existiert nicht mehr – genauso wenig | |
wie das Syrien meines Mannes. Wir kennen Nostalgie, vielleicht. Aber so | |
schön waren Aserbaidschan und Syrien vorher auch nicht. Er beschwert sich | |
allerdings immer darüber, dass das arabische Essen hier so schlecht ist. | |
Gibt es Momente, in denen Sie sich besonders deutsch fühlen? | |
Wenn der Bus nicht kommt. Der Glaube daran, dass das System tatsächlich | |
funktioniert, das ist sehr deutsch. | |
Und Momente, in denen sich Ihre aserbaidschanische Seite zeigt? | |
Ich koche immer noch sehr viele aserbaidschanische Gerichte. Aber für mich | |
hat das nichts mit Identität zu tun, sondern eher mit Gewohnheit. Nur weil | |
ich das und das koche, bin ich nicht die und die. Sonst wären alle | |
Deutschen Italiener. Die aserbaidschanische Identität hat sich in den | |
vergangenen Jahren um 180 Grad gedreht. Die Menschen sind viel | |
konservativer geworden und viel nationalistischer. Deshalb glaube ich, dass | |
Identität etwas Flüssiges ist. | |
Ihr neues Buch spielt zeitweise in der Sonnenallee. Haben Sie hier Leute | |
getroffen, die Sie zu Ihren Figuren Hammoudi und Amal inspiriert haben? | |
Die Figuren wurden aus vielen Einzelgeschichten zusammengesetzt, die mir | |
und meinem Mann erzählt wurden. Ich wollte eigentlich Journalistin werden, | |
aber es hat sich nicht ergeben. Als Schriftstellerin bin ich dafür viel | |
freier. Ich kann die Figuren so manipulieren, wie ich sie für meine | |
Geschichte brauche. | |
Hatte Ihr Mann einen großen Einfluss auf das Buch? | |
Ohne ihn wäre das Buch natürlich nicht in dieser Form entstanden, alleine | |
die Recherche wäre viel schwieriger gewesen. Die Gesellschaft, die dort | |
beschrieben wird, ist die, aus der er kommt. Außerdem tauchen viele Orte | |
auf, die er sehr gut kennt. Ich konnte ja nicht selbst dorthin fahren, also | |
musste ich mit seinen Erinnerungen arbeiten, mit Google Maps und mit | |
Reiseführern. Wir haben außerdem über Facebook Syrer gesucht, die uns ihre | |
Geschichte erzählt haben. Er hat für mich übersetzt. | |
Wie fand er Ihr Buch? | |
Er hat es nicht gelesen, er spricht gar kein Deutsch. Was vielleicht ganz | |
gut so ist. | |
Warum? | |
Ich glaube, ich fühle mich dann freier. Weil der Text dann einfach von mir | |
geschrieben ist – und nicht überschrieben wurde von ihm. | |
Er ist Oberspielleiter des Exil-Ensembles am Berliner Maxim Gorki Theater. | |
Ihre anderen beiden Romane werden dort als Theaterstücke aufgeführt. Haben | |
Sie sich am Theater kennengelernt? | |
Nein, gar nicht. Wir haben uns am Kotti getroffen, an diesem Fischladen. Es | |
war vollkommen absurd. Anfangs konnte er kaum Englisch und wir haben uns | |
per Google Translate unterhalten. Es ist ein Wunder, dass wir so weit | |
gekommen sind. | |
Wann kam er nach Deutschland? | |
2013. Er war einer der ersten Oppositionellen. Ab einem gewissen Punkt | |
musste er Syrien einfach verlassen. Er hat dann im Libanon gelebt. | |
Eigentlich war nicht geplant, dass er nach Deutschland kommt, aber er hat | |
eine Schauspielreise unternommen. Er wollte zurückfliegen, war schon | |
eingecheckt am Flughafen. Aber dort hat er erfahren, dass es | |
Schwierigkeiten mit seinem libanesischen Visum gibt. Also blieb er in | |
Deutschland. Drei Wochen danach haben wir uns kennengelernt. | |
Ist es schwierig, als Jüdin mit einem Muslim verheiratet zu sein? | |
Nein. | |
Und wie haben Ihre Familien reagiert? | |
Auch das war kein Thema. Nur meine Familie in Israel hat es als „Problem“ | |
empfunden. In Syrien ist das Misstrauen gegenüber Juden sowieso eher | |
staatlich verordneter Antizionismus. Und es ist ein Unterschied, ob | |
Antisemitismus vom Staat verordnet wird oder ob er aus den Tiefen der | |
Gesellschaft kommt wie in Deutschland. | |
Nehmen Sie die Deutschen noch als antisemitisch wahr? | |
Antisemitismus gibt es noch in Deutschland. Mit dem Islam ist es ein | |
ähnliches Muster. Meistens kommen die Sprüche spät am Abend. | |
Zum Beispiel? | |
Von relativ harmlosen Vorurteilen, wie etwa „Deine Eltern sind sicherlich | |
reich“ über „Na, in Auschwitz haben die Juden zumindest noch gearbeitet“, | |
„Wie können die sich ein Haus leisten? Nun ja, sie haben sicherlich noch | |
ein paar Reichsmark gefunden“ bis zu „Können wir nicht endlich mal | |
aufhören, über den Holocaust zu sprechen?“. Das ist bei vielen ein starker | |
Wunsch. Sie würden das, was passiert ist, gerne relativieren. Dazu kommen | |
andere Vorurteile, die ganz platten Sachen. Das gibt es in Deutschland, das | |
gibt es in Russland, das ist nichts Außergewöhnliches. | |
Ihre Mutter ist Jüdin, Ihr Vater russisch-orthodox? | |
Mein Vater bezeichnete sich die meiste Zeit seines Lebens als Kommunist. Im | |
russischen Teil meiner Familie habe ich viel mehr Antisemitismus als unter | |
Syrern erlebt. Das ist eine ganz andere Liga. | |
Und heute? | |
Sind die meisten dieser Verwandten tot. | |
Sie sind mit Ihrem Mann auch in den Libanon gefahren. | |
Ja, mein Mann hat dort eine Ramadan-Serie fürs syrische Fernsehen gedreht. | |
Wir waren in Beirut und an der syrischen Grenze. Die Landschaft dort ist | |
wunderschön, aber Beirut war der schlimmste Ort, an dem ich je gewesen bin. | |
Warum? | |
Ich habe es noch mal verändert im Buch, weil ich es mir nicht so schlimm | |
vorgestellt hatte. Aber es ist die Hölle auf Erden. Ich verstehe nicht, wie | |
man die Stadt toll finden kann. Alle paar Meter hat man uns bedroht oder | |
wollte uns ausrauben. | |
Hatten Sie Bedenken, als Jüdin in den Libanon zu reisen? | |
Ich bin bei Weitem nicht die Erste. Aber ich habe es nicht groß | |
herumerzählt, eigentlich nur sehr selten. | |
Wie haben die Leute reagiert? | |
Zuerst mit großem Schweigen. Aber im Endeffekt ganz locker. Israel ist viel | |
näher an der arabischen Welt als Europa. Die Leute sind einfach neugierig | |
aufeinander, sowohl im Libanon als auch in Israel. | |
Ein Großteil Ihrer Familie lebt inzwischen in Israel. Das Land soll die | |
Heimstätte des jüdischen Volkes sein. Kommt das einer Heimat nahe? | |
Nicht, solange die Politik so ist, wie sie ist. Man kann nicht gleichzeitig | |
eine Demokratie und einen exklusiv jüdischen Staat haben. Ich verstehe | |
nicht, warum ich eine Staatsbürgerschaft bekommen kann, aber jemand, der | |
aus dem Sudan eingereist ist, nicht. Ich möchte die gleichen | |
Voraussetzungen für alle. Ich könnte in Israel leben, aber mein Mann nicht. | |
Und was ist mit meiner Tochter? Ist sie Araberin? | |
Was denken Sie? | |
Keine Ahnung, was sie ist, keine Ahnung, was meine beiden Kinder werden. Ob | |
sie deutsch oder syrisch oder russisch werden – das ist alles überflüssig. | |
Irgendetwas werden sie schon. Hauptsache, glücklich. | |
In Ihrem Buch geht es auch um das Ankommen in Deutschland. Wie es ist, als | |
fremd wahrgenommen zu werden. „Die Welt hat eine neue Rasse erfunden“, | |
schreiben Sie. „Die der Flüchtlinge, Refugees, Muslime oder Newcomer. Die | |
Herablassung ist in jedem Atemzug spürbar.“ Haben Sie da eigene Erfahrungen | |
verarbeitet? | |
Hinter den Erfahrungen meiner Figuren stecken oft Annahmen, Hochrechnungen. | |
Menschen hier in Deutschland reagieren auf mich anders, weil ich weiß bin. | |
Die Hälfte dessen, was eigentlich los ist, bekomme ich nicht mit. | |
Erzählt Ihnen Ihr Mann davon? | |
Ja. Aber vieles erfahre ich auch nicht, weil es eine Barriere gibt, das zu | |
erzählen. Es macht einen riesigen Unterschied, ob mein Mann zusammen mit | |
mir oder alleine auf der Straße ist. | |
War es für Sie deshalb leichter als für andere, in Deutschland anzukommen? | |
Ja. In der Schule wurden ich und ein Mädchen aus Pakistan komplett | |
unterschiedlich behandelt. Wir waren beide erst seit einem Jahr da, aber | |
ich wurde bevorzugt, obwohl sie klüger war als ich. Von den Kindern im | |
Asylbewerberheim war ich das einzige, das aufs Gymnasium gehen durfte. Aber | |
nicht, weil ich so gut war, ich war eher mittelmäßig. Sondern, weil ich | |
weiß war und weil meine Eltern Akademiker waren. Deshalb habe ich die | |
Empfehlung bekommen. Die Leute meinen es nicht böse, aber sie begreifen oft | |
selbst nicht, wie groß das Privileg ist, das sie haben. | |
Wie war es bei den Behörden? | |
Die Erfahrungen auf dem Ausländeramt hatte ich verdrängt, bis mein Mann | |
dorthin musste. Das ist die Hölle auf Erden, sogar noch schlimmer als | |
Beirut. Warten, von morgens um acht bis abends um sechs. Es gibt nur ein | |
Klo, die Luft ist stickig. Man bekommt dort nichts zu essen und kann auch | |
nicht nach draußen gehen, weil ja die Nummer aufgerufen werden könnte. Es | |
ist ein System, das auf Demütigung basiert. Damit man seinen Freunden im | |
Ausland sagt, sie sollen bloß nicht nach Deutschland kommen. Wir sind so | |
stolz darauf, dass wir die Privilegien des Adels abgeschafft haben. Aber | |
wir haben dasselbe System mit Pässen heute. Warum dürfen wir überall | |
einreisen und andere nicht? | |
Lernt man, flexibel zu sein, wenn man sein Zuhause verlässt? | |
Ich glaube, das kann in beide Richtungen gehen. Das sehe ich an meiner | |
Familie in Israel. Manche klammern sich an ihr neues Leben, was zu einer | |
Überanpassung führt, bis zum Rechtsextremismus. Um bloß dazuzugehören. In | |
anderen Fällen werden die Menschen flexibler. Das ist, glaube ich, | |
typabhängig. | |
Wie ist das bei Ihnen und Ihrem Mann? | |
Wir sind beide viel gereist, deshalb haben wir keinen so harten Bruch | |
erlebt. Aber es gab eine interessante Situation: Wir waren während des | |
Putschversuches in der Türkei. Bei uns war auch ein Freund aus dem Iran. Es | |
war interessant, wie jeder von uns völlig anders reagiert hat: Mein Mann | |
hat auf die Bomben gewartet und den Sicherheitsdienst auf der Straße | |
beobachtet. Ich habe eine Tasche gepackt. Und unser Freund hat angefangen, | |
das Haus zu verdunkeln. Jeder hatte ein völlig anderes Muster, das dann | |
abgerufen wurde. Das hat zum Glück nichts mit unserem Alltag zu tun. Wir | |
wissen nicht mal, wo genau unsere Dokumente sind. | |
Sie haben erlebt, wie zerbrechlich Systeme sind. Wie blicken Sie mit diesen | |
Erfahrungen auf Europa? | |
Es wirkt alles sehr stabil, aber ich glaube, so stabil ist es nicht. Die | |
Situation ist durch den Brexit viel fragiler als noch vor zehn Jahren. In | |
den USA müssen die Menschen gerade erleben, dass alles, was ihnen so sicher | |
erschien, auseinanderfliegt. Das Problem ist: Wenn man keinen Plan B hat, | |
klammert man sich an das, was man hat. | |
Haben Sie einen Plan B? | |
Nein. Aber ich glaube, es ist gar nicht so dumm, für den Krisenfall | |
vorzusorgen. Wir haben immer Babynahrung zu Hause. Ansonsten sind wir | |
vollkommen chaotisch. Meine Mutter ist zum Beispiel sehr organisiert, ich | |
kann nur davon träumen. | |
Denken Sie manchmal, dass die Menschen sich so gegen Flüchtlinge wehren, | |
weil sie Boten des Unsicheren sind? Weil sie eine Ahnung davon mitbringen, | |
dass alles zusammenbrechen kann? | |
Nein. Die Angst ist ja da am größten, wo es gar keinen Zuzug gibt. In | |
Deutschland ist es immer noch ganz klar, wer Deutscher ist. Man kann kein | |
Deutscher werden. Man kann sich einbürgern lassen, aber man kann nicht | |
völlig unauffällig werden, man wird immer auf die Migrationsgeschichte der | |
Eltern oder Großeltern zurückgeworfen. Großbritannien, Israel, USA – ich | |
sage nicht, dass es dort am Anfang leicht ist. Aber nach ein paar | |
Jahrzehnten ist es auch mal gut. Dort spricht auch niemand von | |
Migrationshintergrund. Ich finde es völlig albern, dass meine Tochter | |
Migrationshintergrund hat. | |
Wäre es besser, man würde dieses Wort streichen? | |
Ja, bitte. Es sagt überhaupt nichts aus. | |
Sie haben eine andere Geschichte, haben andere Dinge gesehen – das sagt es. | |
Aber Sie haben auch andere Dinge in Bayern gesehen. Der kulturelle | |
Unterschied zwischen Bayern und Berlin ist mitunter größer als zwischen | |
Baku und Berlin. Und dann haben Sie zum Teil die besseren Geschichten. | |
Dieser Begriff, Migrationshintergrund, erweckt so viele Assoziationen, die | |
nicht der Wahrheit entsprechen. | |
Ist das Wort abwertend? | |
Nicht unbedingt. Aber man wird immer nur auf eine Sache reduziert. Als ich | |
mit meinem ersten Kind schwanger war, wurde mir eine Gruppe für Migranten | |
empfohlen. Dabei wäre eine Weight-Watchers-Gruppe besser gewesen, weil ich | |
so stark zugenommen habe. | |
Sind Sie und Ihr Mann denn religiös? | |
Nein, gar nicht. | |
Macht das Ihr Zusammenleben leichter? | |
Zwei Agnostiker kommen miteinander sicher besser aus als zwei Missionare | |
unterschiedlicher Religionen. | |
Aber Sie haben Ihr Buch nach Gott benannt. | |
Ich weiß, dass das ein Widerspruch ist. Ich kann es auch nicht erklären. | |
„Gott ist nicht schüchtern“, der Satz kommt aus dem Koran. Ich fand es so | |
treffend, als ich es gehört habe. | |
Bedeutet dieser Satz, dass Gott auch brutal sein kann? | |
Ja, und maßlos. | |
In Ihren ersten zwei Romanen könnte man den Eindruck bekommen, dass die | |
weiblichen Hauptfiguren Ihnen ähneln: Beide kommen aus Baku und leben in | |
Deutschland – wie Sie. Bei Ihrem jetzigen Buch ist es anders. | |
Ich habe ein ganz anderes Gefühl. Ich finde, es ist das persönlichste Buch, | |
das ich bisher geschrieben habe. | |
Warum? | |
Ich bin mit der Fluchtgeschichte meiner Großmutter aufgewachsen. Sie ist | |
mit vierzehn vor den Nazis aus Weißrussland geflohen und hat sich mit ihrem | |
neunjährigen Bruder nach Aserbaidschan durchgeschlagen, wo ein Onkel von | |
ihr lebte. Das ist ungefähr so weit wie von Deutschland nach Marokko. Drei | |
Jahre hat sie gebraucht. Währenddessen wurde ihre ganze Familie ermordet. | |
Auch damals gab es keine Visa, die Botschaften waren dicht. Von einem Tag | |
auf den anderen wurde man zu einer illegalen Existenz erklärt | |
Und heute? | |
Man kann sich das nicht vorstellen, wie das auf den europäischen oder | |
kanadischen Botschaften ist, wenn du dort mit einem syrischen Pass sitzt. | |
Das Visum wird nie erteilt werden, niemals. Welche Demütigung die Leute | |
erleben. Für uns ist es kein Problem, in diese Länder zu reisen. Das ist | |
Scheinheiligkeit. | |
Über diese Parallelen schreiben Sie nichts in Ihrem Buch. | |
Im Prinzip ist es auch ein anderes Thema. Aber die Angst, diese | |
Grundunsicherheit, das ist dieselbe. | |
26 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Steffi Unsleber | |
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