# taz.de -- Neues Debattenmagazin: Links, jüdisch, divers | |
> Die Zeitschrift „Jalta“ will jüdisches Leben abbilden und kritisch | |
> reflektieren. Die erste Ausgabe widmet sich auch feministischen Themen. | |
Bild: Ultraorthodoxe Juden protestieren gegen „Women of the Wall“ – Thema… | |
Jalta war eine rebellische Frau, die vor über 2.200 Jahren in Babylon | |
gelebt haben soll – so heißt es in einer der bedeutendsten Schriften des | |
Judentums: Der Talmud überliefert sie als Kämpferin gegen das Patriarchat. | |
Jalta wehrt sich immer wieder gegen die Ungerechtigkeit von Männern, etwa | |
als ihr Vater ihr verbietet, den Segen über den Wein zu sprechen. | |
Jalta ist auch der Name des Badeorts auf der Krim, wo 1945 die Alliierten | |
über die Aufteilung Deutschlands berieten. | |
Diesen historisch aufgeladenen Namen hat sich jetzt eine neue Zeitschrift | |
gegeben: Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart. Ein Projekt von linken | |
Jüdinnen und Juden. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Zeitschrift, | |
die die Diversität jüdischen Lebens jenseits der etablierten Institutionen | |
abbildet“, sagt Mitherausgeberin Lea Wohl von Haselberg. Die erste Ausgabe | |
trägt den Titel „Selbstermächtigung“ und beschäftigt sich schwerpunktmä… | |
mit jungen Juden in Deutschland: Welche Themen bewegen sie? Wie | |
organisieren sie sich? Wie werden jüdische Identitäten ausgelebt? | |
„Jüdisches Leben in Deutschland ist meist allein definiert durch die Trias | |
Antisemitismus, Schoah und Israel“, so Wohl von Haselberg. Das seien alles | |
wichtige Punkte – aber noch lange nicht alles. | |
## Nicht immer nur mahnen | |
Das Redaktionsteam wolle erreichen, dass Juden nicht immer nur als Mahner | |
gegen Antisemitismus wahrgenommen werden. „Die Rolle des kritischen Juden | |
ist im Feuilleton gerne gesehen, aber auch nur, weil er als Ausweis der | |
Liberalität und Progressivität der deutschen Gesellschaft gilt. Die | |
Positionen werden deshalb lange nicht wahrgenommen.“ | |
Um solche nicht wahrgenommenen, vergessenen oder verdrängten Positionen | |
geht es auch in Jalta: In der ersten Ausgabe wird der jüdische | |
Fernsehquizmaster Fritz Benscher porträtiert, dessen Sendemitschnitte | |
weitestgehend nicht im Internet zugänglich sind. Beim Bayerischen Rundfunk | |
erhielt der KZ-Überlebende oftmals Redeverbote, da er polemisch über | |
Antisemitismus und weiterlebenden Nazismus sprach. | |
Außerdem wird die israelische Frauenrechtsorganisation „Women of the Wall“ | |
vorgestellt, die das Recht einfordert, an der gesamten Klagemauer beten zu | |
können. Bisher ist die berühmte Gebetsstätte in Jerusalem in Bereiche für | |
Frauen und Männer [1][unterteilt]. | |
Feminismus ist auch sonst als Thema im Heft präsent. So wird die Geschichte | |
einer jüdisch-lesbisch-feministischen Gruppe der 1980er Jahre erzählt und | |
ein europäisches Netzwerk jüdischer Feministinnen vorgestellt. | |
## Eine Lücke schließen | |
Die Herausgeber betonen, es gehe nicht um einen rein innerjüdischen Diskurs | |
– jedoch auch nicht um einen Diskurs über das Jüdischsein mit der | |
Mehrheitsgesellschaft. „Wir wenden uns an alle, die sich für jüdische | |
Themen interessieren und an alle, die sich an der Arbeit für eine offene | |
und plurale Gesellschaft beteiligen wollen“, so Wohl von Haselberg. | |
Der Zeitschrift tut es gut, dass die Redaktion neben Wissenschaftlern auch | |
aus einer bildenden Künstlerin und einem Lyriker besteht und sich im Heft | |
auch essayistische, journalistische und künstlerische Beiträge finden. Auf | |
diese Weise ist das Heft nicht nur für Wissenschaftler interessant. | |
Jalta schließt eine Lücke, die bestanden hat, seit die Zeitschrift Babylon | |
des Verlags Neue Kritik 2010 eingestellt wurde. Seitdem hatte es kein | |
Magazin gegeben, das sich kritisch-reflektiert mit jüdischer Diversität | |
beschäftigt. Das auch mal komplexere Antworten gibt, ohne dabei | |
unverständlich zu werden. | |
Halbjährlich soll das Heft erscheinen, die ersten beiden Ausgaben sind | |
durch öffentliche Mittel finanziert. Danach muss sich zeigen, ob das | |
Projekt genug Leser findet. | |
15 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
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